Sind Sie ein Orientteppich-Kenner?
Eine kleine Warenkunde
Es ist zwar schön, wenn man auf die Frage "Sind Sie ein Orientteppich-Kenner" mit "Ja" antworten kann. Doch alles kann niemand wissen. Vieles muss auch der versierte Fachmann nachschlagen. Mit unserem Ratespiel in diesem Heft möchten wir Ihnen Fachwissen auf eine unterhaltsame Weise vermitteln: Die ausführliche Auflösung der Fragen folgt gleich in der nächsten Ausgabe. Sie finden daher jetzt auch die Auflösung der Fragen aus der letzen Ausgabe.
SennehWestpersische Teppichprovenienz - Ein Provenienzname steht nicht unbedingt für einen Herstellungsort: Viele Bezeichnungen dokumentieren den Ort, an dem die Teppiche das erste Mal auf den Markt kommen, also quasi den Teppichsammelplatz. Dies gilt auch für die Provenienz Senneh.
Die Stadt Senneh heißt heute Sanandadj und ist Mittelpunkt der westpersischen Provinz Kurdistan. Daher findet man neuerdings auch die Bezeichnung Sanandadj für die dortigen Teppiche. Die Senneh-Teppiche sind den kurdischen Knüpfungen zuzuordnen.
In dieser Provenienz sind zwei grundverschiedene Knüpf- und Gestaltungstypen zu unterscheiden:
1. Die klassischen Senneh-Teppiche haben nur einen Schuss, so dass sie von der Rückseite leicht zu identifizieren sind. Je feiner sie geknüpft sind, desto flacher wird der Flor geschoren. Von jeher waren und sind diese Senneh-Teppiche hochangesehene Knüpfungen, was auch von den besonders feinfädigen Kelimarbeiten dieser Provenienz zu sagen ist.
2. Von denselben Knüpfstühlen kommen heute allerdings anders geartete Sanandaj-Knüfungen auf den Markt. Sie sind meist geometrisch gemustert und zeigen oftmals das Herati-Muster im Rapport. Bei solider, hervorragender Qualität sind sie viel massiver und im Gegensatz zu der klassischen Knüpfung sehr hochflorig. Wertmäßig ist diese Ware dem unteren Preissegment zuzuordnen.
Hadsh HanumIn Keschan typisches Motiv - Das Hadsh Hanum-Motiv hat eine längssymmetrische Anordnung mit blütenbesetzter Vase im Zentrum, Flankiert wird diese mit Blütenbouquets in kleineren Vasen sowie einem Vasenrapport in der umlaufenden Bordüre. Hadsch Hanum ist die Ehrenbezeichnung für eine Frau, die der moslemischen Pflicht zur Pilgerreise nach Mekka nachgekommen ist. Warum dieser religiöse Titel ausgerechnet für das sehr typische Keschan-Motiv genommen wird, ist nicht bekannt.
AfshanPersische Bezeichnung für Allover-Muster - Die persische Bezeichnung "Afshan" steht für "durchgemustert", oder englisch "allover". Teppiche mit Afshan-Muster haben Teppichinnenfeld mit einem alternierenden Musterrapport ohne Medaillon. Ursprünglich war die persische Bezeichnung für diese Gestaltungsform nur in der Provenienz Keschan gebräuchlich. Inzwischen aber wird sie übergreifend für alle Knüpfteppiche verwendet.
Weramin
Nordpersische Teppichprovenienz - Weramin liegt gut 50 km südöstlich von Irans Hauptstadt Teheran und war zur Zeit der Mongolenherrschaft ein wichtiges Verwaltungszentrum. Die Nähe zur Hauptstadt mit ihrem höheren Lohnniveau hat bewirkt, dass die Weramin-Teppiche fast nicht mehr geknüpft werden. Durchweg sind sie von gediegener Qualität, sorgfältig geknüpft und gelten als robust im Gebrauch. Bisweilen kommen auch Seidenapplikationen und Seidengrundgewebe vor.
Es wird angenommen, dass sich hier das Knüpfhandwerk in etwa zur gleichen Zeit wie in Ghoum etablierte, also zu Beginn des 20 Jahrhunderts und dass die Manufakturen einst von Teheraner Investoren eingerichtet wurden. Auch die Ghoum-ähnlichen Farbkompositionen früher Weramins lassen diesen Schluss zu. Auffällig ist, dass in Weramin überwiegend das durchgemusterte Mina-Chaneh-Dessin geknüpft wird.
MarokkoNordafrikanisches Ursprungsland für Teppiche - Die Knüpfteppichproduktion Marokkos existiert seit Jahrhunderten. Seine Teppiche des Mittleren und Hohen Atlasgebirges sind farbig-bunte und musterreiche Stücke, die früher ausschließlich im Lande selbst vermarktet wurden. Etwa 1960 begann man dann den heute bekannten hellen Berber zu produzieren und zu vermarkten. Vorwiegend einfarbig-beige, fand er von Anbeginn bedeutenden Absatz.
In letzter Zeit sind staatlicherseits Bestrebungen angelaufen, nicht nur die Produktion der hellen Berber wieder auszuweiten, sondern auch die ausschließlich im Hausfleiß entstehenden ursprünglichen marokkanischen Teppiche intensiver zu vermarkten. Eine Maßnahme, die der Landflucht der Bevölkerung vorbeugen soll.
KammgarnBesonders langstapelige Wollfasern - Kammgarn zeichnet sich durch besonders langstapelige Wollfasern aus, die mehrfach gekardet werden und dadurch besonders gleichmäßig, fest und glatt gesponnen werden können. Es ist ein hochwertiges Garn, wie es in Teppichen der gehobener Qualitäten verwendet wird. Kammgarn kann sowohl maschinell, als auch handversponnen sein. Letzteres ist durch die Handarbeit nicht ganz so ebenmäßig, für Orientteppiche jedoch besonders gut geeignet.
KabulibaffFeingeknüpfte Afghanteppiche - Wegen seiner Knotendichten mit bis zu 700.000 Knoten/qm wird der afghanische Kabulibaff der Spitzenkategorie zugerechnet. Er wird in Kabul und dem weiteren Einzugsgebiet der Landeshauptstadt geknüpft. Während des Krieges war seine Produktion nach Nord-Pakistan ausgelagert. Der Kabulibaff kommt deshalb auch als Teppich der Provenienz Peschawar in den Handel.
Kett-, Schuss- und Florgarne bestehen komplett aus Wolle oder reiner Seide oder einer Kombination aus beidem. Der rein geometrische Duktus folgt auffallend dem Stil der turkmenischen Bucharas und lehnt sich überwiegend an den Dessinstil der Hatschlous an. Die Farbgebung ist durchweg dunkel und zurückhaltend, meist in Braunrottönen. Da der Kabulibaff ein reiner Exportteppich ist, werden jedoch auch alle von den Auftraggebern gewünschten Muster und Farben realisiert.
MottenNachtaktiver Teppichschädling - Die Motte ist der bekannteste Schädling für Teppiche und andere Textilien aus Wolle. Die Larve der Motte ernährt sich von der Wolle und frisst Löcher in die Textilien. Dabei "arbeiten" sie nur an völlig dunklen, ruhigen Stellen wie beispielsweise unter schweren Polstermöbeln, Schränken etc. Einen frei im Licht liegenden Teppich greifen sie nicht an. Dunkle Bereiche schützen Sie am besten mit handelsüblichen möglichst geruchlosen und allergiefreien Mottenschutzmitteln. Nicht vergessen, die Mittel nach Ablauf der Wirkungszeit zu erneuern. Sollten Motten festgestellt werden, die Stellen umgehend dem Tageslicht, möglichst Sonnenschein aussetzten und einen Fachbetrieb einschalten.
aus
Carpet Magazin 02/07
(Teppiche)