Kleiner Fehler - großer Schaden
Noppenbelag oder Reaktionsharzbeschichtung?
Fußbodenkonstruktionen zählen zu den komplexesten und hochbelastesten Bauteilen - schon kleine Fehler können hier große Auswirkungen haben. Dabei hat jede Baustelle ihre eigenen Tücken. Oft zeigt sich erst anhand der Ursachenforschung im Schadensfall, worauf ein Fußbodenverleger alles achten muss. FussbodenTechnik deckt in Zusammenarbeit mit namhaften Sachverständigen anhand realer Schadensfälle mögliche Fehlerquellen auf. Diesmal geht es um eine starke Blasenbildung einer Reaktionsharzbeschichtung in der Produktionsanlage eines Automobilzulieferers.
In dem rund 5.000 qm großen Neubau der Produktionsanlage eines Automobilzulieferers lag ein Walzbeton mit Verbundzementestrich vor. Auf dem Estrich sollte eine Reaktionsharzbeschichtung auf Epoxidharzbasis eingebaut werden. Das ausführende Beschichtungsunternehmen überprüfte den Zementestrich mit einem CM-Gerät und stellte Feuchtigkeitswerte zwischen 5,6 bis 7 CM-% fest. Als die Beschichtungsarbeiten trotz der hohen Feuchtigkeitswerte begannen, war der Walzbeton bereits 5 Monate alt.
Die letzten Flächen des Verbundzementestrichs waren aber erst rund 14 Tage vor den Beschichtungsarbeiten fertig gestellt worden. Das Beschichtungssystem bestand aus einer schwarzen Grundierung (1. Lage) und aus der eigentlichen Beschichtung (2. Lage). Durch Dachundichtigkeiten soll es noch vor Beginn der Beschichtungsarbeiten zu einem Wassereintritt auf der Estrichoberfläche gekommen sein, so dass hier Trocknungsmaßnahmen durchgeführt wurden. In anderen Teilflächenbereichen sollen großflächig Geräte und Baumaterialien auf einer Folie auf dem Untergrund abgestellt worden sein. Wie so häufig stand das Bauvorhaben unter massivem Zeitdruck.
Schadensbild: Beschichtung mit massiven Beulen und Blasen
Die Reaktionsharzbeschichtung wies Beulen- und Blasenbildungen in gravierendem Umfang auf. Das Schadensbild lag nahezu flächendeckend mit Blasendurchmessern von ca. 1 bis 3 cm vor. In einem Raum waren die Beulen und Blasen so gleichmäßig in Größe und Abstand zueinander angeordnet, dass man den Eindruck gewinnen konnte, dass ein Noppenbelag verlegt worden war. In weiteren Teilflächenbereichen löste sich die Beschichtung flächig ab und wies Fehlstellen von 1 bis 2 qm Größe auf. Eine Vielzahl der Blasen war durch die Nutzung bereits beschädigt und geöffnet. Hier war eine bräunliche Blasenflüssigkeit ausgetreten, die die Oberfläche der Beschichtung extrem verschmutzt hatte.
Wie sich später herausstellte, war die Bildung der Blasen zu diesem Zeitpunkt der Untersuchung noch nicht abgeschlossen. Im Rahmen der verschiedenen Gutachtertermine stellte man noch eine deutliche Zunahme dieser Beulen- und Blasenbildung in der Reaktionsharzbeschichtung fest.
Die Untersuchung an verschiedenen Prüfstellen kam zu dem Ergebnis, dass sich in allen Blasen eine bräunliche Flüssigkeit befand, die eine hohe Alkalität mit einem pH-Wert von >11 aufwies. Es konnte Blasenflüssigkeit in großer Menge für zusätzliche externe chemisch analytische Untersuchungen entnommen werden. Diese ergaben, dass in der Blasenflüssigkeit nahezu keine organischen Bestandteile/Verbindungen vorlagen, sondern im Wesentlichen anorganische Bestandteile, die aus dem mineralischen Untergrund stammten.
Der Sachverständige stellte fest, dass das Beschichtungssystem einen glatten Adhäsionsbruch aufwies. Mit über die Grundrissfläche verteilten Stempelhaftzugprüfungen bei Einzelwerten von 1,99 bis 3 N/mm
2 wurde nachgewiesen, dass die Reaktionsharzbeschichtung sowohl in sich selbst aber auch zum Untergrund hin einen guten bis optimalen Verbund aufwies.
Ursache: Osmose führte zu Blasen
Auf Grund der Feststellung vor Ort sowie der externen Prüfmaßnahmen war eindeutig nachweisbar, dass die Formveränderungen in der Oberfläche der Reaktionsharzbeschichtung auf osmotische Blasenbildungen zurückzuführen waren. Hinweise für die osmotische Blasenbildung boten zum einen der gravierende Umfang der Blasenbildung, zum anderen dass die Blasen Flüssigkeit mit hoher Alkalität aufwiesen. Grundsätzlich sind für die Entstehung von osmotischen Blasenbildungen folgende, gemeinsam vorliegende Rahmenbedingungen erforderlich:
1. Wasser in ungebundener Form und ausreichender Menge
2. eine semipermeable Membran
3. eine flüssigkeits- und druckdichte Beschichtung
4. und ein Konzentrationsgefälle zwischen Betonoberfläche und Innern des Betons durch osmosefähige Verbindungen
Es konnte ausgeschlossen werden, dass Problemstellungen in der Herstellung bzw. beim Mischen des Materials oder grundsätzliche Verlegefehler ursächlich für den Schaden waren. In der Vorbereitung hätte das Verlegeunternehmen aber auf gar keinen Fall mit dem Beschichten beginnen dürfen, da die gemessene Feuchtigkeit mit bis zu 7 CM-% als deutlich zu hoch zu erkennen war. Die Belegereife lag zum Zeitpunkt der Beschichtung nicht vor - unabhängig davon, ob dies durch Dachundichtigkeiten begünstigt worden war.
Verantwortung: Beschichter haftet in vollem Umfang
Auf Grund der extremen Beulen- und Blasenbildung in der Reaktionsharzbeschichtung einhergehend mit kleinflächigen Ablösungen und Beschädigungen der Beschichtung war eine komplette Erneuerung unumgänglich. Auch der Austritt der Blasenflüssigkeit, der zu erheblichen Verschmutzungen an der Oberfläche geführt hatte, bekräftigte diese Bewertung. In der Folge musste die Beschichtung komplett bis zur Oberfläche des Verbundzementestrichs abgefräst werden.
Im Hinblick auf die in erheblichem Umfang vorliegende Blasenflüssigkeit und nicht näher bekannte Untergrundbedingungen - sowohl für die Tragschicht als auch den gewachsenen Untergrund und dessen hydrogeologischen Situation - wurde empfohlen, eine wasserdampfdiffusionsoffene Beschichtung einzubauen. Obwohl durch das Beschichtungsunternehmen der Untergrund geprüft und sehr hohe Feuchtigkeitsgehalte mit bis zu 7 CM-% gemessen wurden, hatte das Fachunternehmen die Beschichtung aufgebracht.
Der Untergrund lag nicht belegreif vor und hätte nicht beschichtet werden dürfen. Demzufolge war die Verantwortung für den Schadenseintritt bei dem Beschichtungsunternehmer anzusiedeln.
Der AutorDipl.-Ing. Ralf Gagewi ist öbv. Sachverständiger für Industriefußböden.
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FussbodenTechnik 02/07
(Handwerk)