Was sind eigentlich ... Lösemittel?
Für manche ist es das 'böse L-Wort", andere schwören darauf. Lösemittel sind in Zusammenhang mit Parkettklebstoffen und Produkten zur Oberflächenbehandlung seit Jahren in aller Munde. Handwerk und Industrie schieben sich gerne gegenseitig den Schwarzen Peter zu, wenn es um die anhaltend hohe Einsatzquote lösemittelhaltiger Kleber geht. Doch wer weiß wirklich, was sich hinter Lösemitteln verbirgt? Wie funktionieren sie und warum gelten sie als gesundheitsschädlich?
Grundsätzlich sind Lösemittel Substanzen, die dazu verwendet werden, andere Stoffe zu lösen oder zu verdünnen, ohne sie chemisch zu verändern. Damit gehören Wasser oder Öle zu dieser Stoffgruppe, aber eben auch Aceton oder Benzol. Um letztere, die so genannten organischen Substanzen, geht es in der Lösemittel-Diskussion der Parkettbranche. Deswegen sind Lösemittel im Sinne der TRGS 610 ausschließlich "flüchtige organische Stoffe sowie deren Mischungen mit einem Siedepunkt <200 C, die bei Normalbedingungen (20 C und 1013 mbar) flüssig sind."
In einkomponentigen Klebstoffen sorgen Lösemittel dafür, dass die klebenden Inhaltsstoffe - im Wesentlichen synthetische oder natürliche Harze - als pastöse Masse verarbeitungsfähig sind. Erst nach Verdunsten der Lösemittel klebt der Boden auf dem Untergrund. Physikalisch abbindende Klebstoffe enthalten deswegen grundsätzlich Lösemittel - entweder Wasser oder organische Lösemittel. Allgemein werden Klebstoffe, die keine oder weniger als 5% organische Lösemittel enthalten, als "lösemittelfrei" bezeichnet.
Die verschiedenen Lösemittel wie Alkohole, aromatische Kohlenwasserstoffe, Ester und Ketone können unterschiedliche Gesundheitsschäden hervorrufen. In der Regel werden Lösemittelgemische verwendet. Generell wirken Lösemitteldämpfe wie Narkosemittel und können süchtig machen. Die Schäden reichen von leichter Benommenheit, Reizung der Augen- und Nasenschleimhäute, Kopfschmerzen und Schläfrigkeit bei kurzzeitigem Kontakt bis zu Gleichgewichtsstörungen und Verwirrtheit bei längerer Einwirkzeit. Am Bedenklichsten sind aromatische Lösemittel (u.a. Xylol und Toluol), die u.U. Krebs hervorrufen können.
Für Aceton, Methanol, Methylacetat, Toluol, Xylol und viele andere Lösemittel gibt es deswegen Arbeitsplatzgrenzwerte (AGW) und biologische Grenzwerte (BGW), die nicht überschritten werden dürfen. Die Bau-Berufsgenossenschaft hat hierzu u.a. gemeinsam mit dem Industrieverband Klebstoffe und dem Zentralverband Parkett und Fußbodentechnik die TRGS 610 "Ersatzstoffe und Ersatzverfahren für stark lösemittelhaltige Vorstriche und Bodenbelagsklebstoffe für den Bodenbereich" herausgegeben. Danach dürfen stark lösemittelhaltige Kleber, auch wegen der Explosionsgefahr, nur noch in wenigen Ausnahmefällen wie bei Treppen eingesetzt werden. Die TRGS 610 empfiehlt zudem, solche Kleber nur noch im gewerblichen Bereich, in den genannten Ausnahmefällen und mit den entsprechenden persönlichen Schutzmaßnahmen einzusetzen. Auch für stark lösemittelhaltige Produkte zur Oberflächenbehandlung gibt es mit der TRGS 617 eine entsprechende Ersatzstoff-Verordnung.
Während bei Lacken, Ölen und Grundierungen für Parkett die lösemittelhaltigen Systeme nur noch eine untergeordnete Rolle spielen, sieht die Situation bei Klebstoffen noch immer ganz anders aus. Trotz der jahrelangen Diskussion wird der Anteil der Lösemittel-Kunstharzklebstoffe zum Kleben von Parkett noch immer auf 40 bis 50% geschätzt. Bei knapp der Hälfte aller Verlegungen sind die Boden- und Parkettleger somit den gesundheitsschädlichen Lösemitteldämpfen ausgesetzt. Gleichwohl hat sich hier in den letzten zwei Jahren Einiges getan. 2005 wurde der Anteil an Lösemittel-Klebstoffen noch mit knapp unter 70% beziffert.
aus
Parkett Magazin 02/07
(Handwerk)