Berufsgenossenschaft Bauwirtschaft:
Warum eine neue Gefahrstoffverordnung?
Am 1. Januar 2005 ist eine neue Gefahrstoffverordnung in Kraft getreten. Die alte Gefahrstoffverordnung, die 1986 die damalige Arbeitsstoffverordnung ersetzte und mehrfach aktualisiert wurde, wurde durch eine grundlegend neue Verordnung abgelöst. Dies war notwendig, da zum einen zahlreiche EU-Richtlinien und ILO-Übereinkommen (die ILO ist die Internationale Arbeitsagentur in Genf, eine Unterorganisation der UNO) in nationales Recht umgesetzt werden mussten.
Eine neue Verordnung war auch notwendig geworden, da die bisherigen Regelungen nicht zu einem deutlichen Rückgang der durch Gefahrstoffe verursachten Erkrankungen geführt hatten. Die geringen Kenntnisse über problematische Eigenschaften von Stoffen führen im Verbund mit den häufig unzureichenden Angaben der Hersteller über die Gefahren zu einem nicht ausreichend geschützten Umgang mit Gefahrstoffen. So führt der frühere ungeschützte Umgang mit Asbest und Teer zu Zeiten, als deren Eigenschaften noch nicht allgemein bekannt waren, heute zu vielen Krebserkrankungen, nicht selten mit Todesfolge.
Jetzt besteht die Möglichkeit, sich an Expositionsbeschreibungen - in der Verordnung "verfahrens- und stoffspezifische Kriterien" genannt - zu orientieren statt Messungen an jedem Arbeitsplatz durchzuführen: "Werden Tätigkeiten entsprechend eines vom Ausschuss für Gefahrstoffe ermittelten und vom Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit veröffentlichten verfahrens- und stoffspezifischen Kriteriums durchgeführt, kann der Arbeitgeber von einer Einhaltung der Arbeitsplatzgrenzwerte ausgehen" (§ 9(4)).
Ein zentrales Schlagwort bei den Diskussionen zur neuen Gefahrstoffverordnung ist das Schutzstufenkonzept. Dieses Wort taucht zwar in der Verordnung nicht auf und selbst der Begriff Schutzstufe existiert nur in den Überschriften einiger Paragraphen. Trotzdem ist für viele das Schutzstufenkonzept das zentrale Thema. Hintergrund hierfür ist die Hoffnung, dass die Gefährdungen in vier Stufen eingeteilt werden können, die dann durch Maßnahmen der entsprechenden Schutzstufen minimiert werden. Dabei wird jedoch vergessen, dass sich die Schutzstufen ausschließlich auf die toxischen (für den Menschen gefährlichen) Eigenschaften der Chemikalien beziehen, die bei einer Aufnahme über die Atemwege wirken. Die Belastung der Haut, die in der Bauwirtschaft alltäglich ist, wird vom Schutzstufenkonzept ebenso wenig erfasst wie Brand- und Explosionsgefahren.
Neu ist auch der Begriff der Wirksamkeitsprüfung. Gemeint ist damit, dass sich der Arbeitgeber nicht damit zufrieden geben kann, wenn er die Gefährdungsbeurteilung vorgenommen und die Schutzmaßnahmen festgelegt hat, sondern, dass er prüfen muss, ob diese Schutzmaßnahmen ausreichend wirksam sind. Wie diese Wirksamkeitsprüfung erfolgen soll, wenn ein Beurteilungsmaßstab fehlt.
Diese Aufzählung von neuen Begriffen und z.T. neuen Regelungen sollen die Boden- und Parkettleger aber nicht verwirren. Denn die neue Gefahrstoffverordnung lässt dem Unternehmer bei dem Erreichen des Schutzzieles viele Freiheiten. So sieht §7 Abs. 7 vor, dass der Anwender von Chemikalien, also der Boden- und Parkettleger, sich an Informationen, die der Hersteller liefert, orientieren kann. Wenn entsprechend dieser Informationen gearbeitet wird, ist davon auszugehen, dass seine Beschäftigten ausreichend sicher arbeiten und die Vorgaben der Gefahrstoffverordnung eingehalten werden. Hier zahlt sich die Investition in GISBAU aus.
GISBAU hat mit der TKB den GISCODE für Voranstriche und Klebstoffe für den Bodenbereich entwickelt. Ähnliches wurde u.a. auch für die Parkettsiegel und andere Oberflächenbehandlungsmittel geschaffen. Die GISCODE-Angaben auf Gebinde, im Sicherheitsdatenblatt sowie im Technischen Merkblatt ergeben zusammen mit den WINGIS-Informationen genau die Hilfe, auf die §7(7) der neuen Gefahrstoffverordnung verweist.
Kurz gesagt: Wenn der Boden- und Parkettleger entsprechend WINGIS vorgeht, arbeitet er sicher und erfüllt die Vorgaben der Gefahrstoffverordnung. Er muss selbst weder eine Gefährdungsermittlung, also auch keine Arbeitsplatzmessung, noch eine Gefährdungsbeurteilung oder eine Wirksamkeitsprüfung durchführen. Er muss lediglich darauf achten, dass entsprechend der WINGIS-Informationen gearbeitet wird.
Ende der 80er Jahre hatten sich die Berufsgenossenschaften der Bauwirtschaft entschlossen, das Gefahrstoff-Informationssystem GISBAU aufzubauen. Ziel war, die für Betriebe und Beschäftigte der Bauwirtschaft vielfach unverständlichen Informationen über Bau-Chemikalien und Reinigungsmittel zu sammeln, auszuwerten und in eine verständliche Sprache zu überführen. Entwickelt hat sich daraus vor allem WINGIS, die Software mit Informationen über nahezu alle in der Bauwirtschaft und im Reinigungsgewerbe eingesetzten Chemikalien. Hier finden sich Informationen zu Gefahrstoffkonzentrationen am Arbeitsplatz, Schutzmaßnahmen, Vorsorgeuntersuchungen und vielen anderen Aspekten, die wichtig sind beim Umgang mit Chemikalien.
Um die Vielzahl der Produkte für diesen Bereich in den Griff zu bekommen, wurde das Konzept des GISCODEs entwickelt, der Produkte verschiedener Hersteller aber gleicher Gefährdung in Gruppen zusammenfasst. Die Hersteller geben den GISCODE auf den Gebinden und im Sicherheitsdatenblatt an, in WINGIS sind die - in verständlicher Sprache formulierten - Informationen für einen sicheren Umgang aufgeführt.
In den WINGIS-Informationen wird konkret angegeben, welche Stoffkonzentrationen am Arbeitsplatz vorliegen und wie man sich ausreichend schützt. Für die Mehrzahl der Produkte, die mit einem GISCODE versehen sind, sind die Konzentrationen in der Luft am Arbeitsplatz bekannt (und meist auch für Stoffe ohne Grenzwert abzuschätzen), sodass die Schutzmaßnahmen entsprechend angepasst wurden.
Die WINGIS-Informationen enthalten auch einen Absatz zu Ersatzstoffen. Damit wird die für viele Betriebe sehr schwierige Frage beantwortet, ob ein Ersatzstoff verfügbar ist, ob dieser verwendet werden muss oder aus welchen Gründen dies nicht möglich ist.
Die Veränderungen, die die neue Gefahrstoffverordnung bringt, werden für die Boden- und Parkettleger weitgehend durch die Arbeiten der Spezialisten bei den Berufsgenossenschaften der Bauwirtschaft aufgefangen. Die neue Gefahrstoffverordnung fördert ausdrücklich Vorgehensweisen, bei denen für Tätigkeiten, die in vielen Betrieben in gleicher Weise durchgeführt werden, branchenbezogen von Fachleuten die Gefährdungsermittlung und -beurteilung durchgeführt wird. Daher sollte weiter entsprechend der WINGIS-Informationen gearbeitet werden, damit auch in Zukunft sicher mit Gefahrstoffen umgegangen wird.
aus
FussbodenTechnik 03/07
(Handwerk)