Eine kleine Warenkunde
Es ist zwar schön, wenn man auf die Frage "Sind Sie ein Orientteppich-Kenner"mit 'Ja" antworten kann. Doch alles kann niemand wissen. Vieles muss auch der versierte Fachmann nachschlagen. Mit unserem Ratespiel in diesem Heft möchten wir Ihnen Fachwissen auf eine unterhaltsame Weise vermitteln: Die ausführliche Auflösung der Fragen folgt gleich in der nächsten Ausgabe. Sie finden daher jetzt auch die Auflösung der Fragen aus der letzen Ausgabe.
BotehOrientalische Musterbezeichnung für das Paisly-Muster - Das Boteh ist ein geläufiges, orientalisches Musterdetail, das auch als Mir-i-Boteh bekannt ist wird und in Europa Paisly- oder Kaschmirmuster genannt wird. Die Form des Boteh ähnelt einem aufrecht stehenden Tropfen, der nach oben in einen rechts oder links geneigten Haken ausläuft.
Die Herkunft und genaue Bedeutung des Boteh liegt im Dunkeln. Auf Persisch bedeutet das Wort soviel wie Laubbüschel, Strauch, es gibt aber viele weitere Deutungen. Als typisches Rapportmuster lässt es sich als Musterdetail vielen Teppichen finden, wird aber auch als Primärornament eingesetzt. Bisweilen ist zusätzlich ein kleineres Boteh integriert, das sich zur entgegengesetzten Seite neigt. Diese Zusammenspiel aus Groß- und Kleinboteh bezeichnet man im Persischen auch als madar va batsche, zu Deutsch: Mutter und Baby.
Der wohl bekannteste Teppich mit Botehmuster ist der Sarough-Mir. Er ist ein, schlichter, all-over-gemusterter Teppich, der in viele Wohnsituationen passt. Sehr viel wird der Sarough-Mir in Indien in vielen Farbvaritationen und den unterschiedlichsten Formanten nachgeknüpft.
ShiraziEinfassung der Längskanten des Orientteppichs - Im persischen bezeichnet man die Einfassungen der Längskanten als Shirazi. Diese Bezeichnung für die immer sehr stabil ausgeführten Befestigungen wurde auch in die abendländlichen Sprachen übernommen. Die Shirazi kann aus Wolle, Ziegenhaar, Baumwolle oder gar Seide bestehen. In einigen Provenienzen ist sie verziehrt.
Material und Ausführung der Einfassung können bei der Provenienzeinordnung eines Teppichs weiterhelfen. So besteht beispielsweise die Shirazi der Belutsch-Teppiche immer aus dunklem Ziegenhaar.
Ein gut gearbeiteter, satt ummantelter und mit dem Grundgewebe fest verbundener Shirazi ist sehr wichtig, denn er gibt dem Teppich den seitlichen Halt an diesem stark strapazierten Außenbereich. Im Gebrauch sich lösende Shirazis müssen deshalb umgehend wieder befestigt werden.
Uthar PradeshIndische Provinz mit großer Teppichproduktion - In Uthar Pradesh schlägt das Herz der indischen Teppichindustrie. Ein Großteil der Knüpfteppiche werden in der nordindischen Provinz hergestellt. Zu den für die Teppichbranche bekanntesten Städten gehören Badohi, Varanasi, Mirzapur und das durch das Taj Mahal berühmte Agra.
Indien ist seit Jahren das volumenstärkste Ursprungsland für Orientteppiche. Im Jahr 2005 wurden aus Indien rund 5,37 Mio Quadratmeter im Wert von mehr als 113 Mio. EUR in die Europäische Union importiert.
Die Dessinierung der Teppiche ist überwiegend persisch beeinflusst, wird aber stark an den Geschmack der westlichen Märkte angepasst. Die Qualität der indischen Produktionsware ist sehr ordentlich. Gehobene Mittelqualitäten aufwärts werden mit Importgarnen geknüpft. Hauptwolllieferant ist Neuseeland.
Bei der Einteilung der Knotendichten ist der Einfluss der ehemaligen britischen Fremdherrschaft immer noch spürbar: Die sehr unterschiedlichen Qualitäten basieren nach wie vor auf englischen Maßen. Ein Teppich mit einer Knüpfdichte von 10/20 hat auf einem Quadratzoll 10 x 20 Knoten, entspricht also gut 300.000 Knoten pro Quadratmeter.
Wilton-TeppichMaschinell gewebter Teppich - Wilton-Teppiche können für den Laien wie ein klassischer Orientteppich aussehen, es handelt sich aber um maschinell hergestellte Teppiche. Ihren Namen haben diese jacquardgemusterten Teppiche von der englischen Stadt Wilton, in der sie zu erst produziert wurden.
Bei der Herstellung der Wilton-Teppiche werden die späteren Polfäden über Metallruten geführt, die durch ihre Höhe die Länge der Pole beeinflussen. Beim Herausziehen schneidet eine Klinge am Ende der Ruten die entstandene Polschlinge auf. Das Ergebnis ist ein Velours-Webteppich mit einem sehr gleichmäßigen Warenbild.
aus
Carpet Magazin 03/07
(Teppiche)