Kleiner Fehler - Großer Schaden
Falsche Dämmschicht lässt Boden schwingen
Fußbodenkonstruktionen zählen zu den komplexesten und hochbelastesten Bauteilen - schon kleine Fehler können hier große Auswirkungen haben. Dabei hat jede Baustelle ihre eigenen Tücken. Oft zeigt sich erst anhand der Ursachenforschung im Schadensfall, worauf ein Fußbodenverleger alles achten muss. FussbodenTechnik deckt in Zusammenarbeit mit namhaften Sachverständigen anhand realer Schadensfälle mögliche Fehlerquellen auf. Diesmal geht es um eine Fußbodenkonstruktion mit einer zu nachgiebigen Dämmschicht.Im Neubau eines Wohnhauses verlegte der Fußbodenheizungsbauer auf der Betondecke eine bis zu 50 mm dicke Perlite-Trockenschüttung als Höhenausgleich und zog diese ab. Auf diese Weise glich er den vorgefundenen Untergrund mit Kabeln und wasserführenden Leitungen aus. Auf dieser Schicht verlegte er 30 mm dicke Trittschalldämmplatten aus Holzwolle, gefolgt von 45 mm dicken Polystyrolhartschaumplatten der Fußbodenheizung - man kennt sie auch als Noppenplatten mit Aluleitblechen.
Die Oberfläche der Dämmschicht einschließlich Fußbodenheizung wurde mit einer Schrenzlage abgedeckt, auf der ein Trockenbauer mineralische Fertigteilestrichplatten (33 x 33 cm x 20 mm) verlegte. Die versetzten Stoßfugen klebte er im Kantenbereich mit Hilfe des mitgelieferten Reaktionsharzklebers. Unmittelbar auf der Oberfläche des Fertigteilestrichs verklebte ein Fliesenleger keramische Fliesen (60 cm x 30 cm x 10 cm) und verfugte diese.
Laut den zu Protokoll gegebenen Angaben waren auf der etwa 145m großen Fläche keinerlei Bewegungsfugen angeordnet worden. Allerdings führte der Fliesenleger in allen Türdurchgängen etwa 5 mm breite, elastische Fugen aus. Die Beteiligten konnten keine Angaben darüber machen, ob und inwieweit ein notwendiges Funktionsheizen oder auch eine Auf- und Abheizphase erfolgte.
Schon mit Bezug der Wohnung stellen die Bauherren erhebliche Nachgiebigkeiten sowie Absenkungen der Fußbodenkonstruktion fest - insbesondere in den Rand- und Eckbereichen. Als erstmals die Fußbodenheizung angeschaltet wurde, gab es deutliche Randabsenkungen, d. h. Abrisse der elastischen Verfugung im Übergangsbereich zwischen Sockelleisten und Fliesen. Außerdem traten zahlreiche Ausbrüche und Risse der Verfugung auf. Als das Ausmaß der Ausbrüche deutlich zunahm, wurden die Fußbodenarbeiten gerügt.
Schaden: Konstruktion senkte sich bis zu 10 mm abDie vom Sachverständigen durchgeführte Überprüfung der Fliesenfläche bestätigte die deutlichen Abrisse der elastischen Verfugung. Die Absenkungen der Fußbodenkonstruktion reichten bis zu 5 mm, bei Belastung sogar bis 10 mm. Der Einsatz eines langen Richtscheits offenbarte in der Mitte der Fläche geringfügige konvexe Wölbungen bis zu 5 mm. Beim Begehen des Bodens klirrte teilweise in den Schränken das Porzellan. Beim Aufstampfen mit den Füßen waren sogar deutliche Schwingungen des gesamten Bodens festzustellen.
Risse waren jeweils nur über kurze Strecken überwiegend an den Rändern oder Ecken vorhanden - mit deutlichen Absplitterungen der Rissflanken. Die Kontrolle der Fläche mit einem speziellen Hohlstellensuchgerät zeigte, dass die Fliesen eine gute Arretierung zum Untergrund aufwiesen. Der Belag lag nahezu hohlstellenfrei vor.
In mehreren Randbereichen durfte der Sachverständige die Sockelfliesen entfernen, um die Randfugen zu überprüfen. Das Ergebnis: Der Fertigteilestrich stand teilweise hart am Wandputz an. Eine Untersuchung der elastisch verfugten Bewegungsfugen in den Türlaibungen ergab, dass sich der Fugenspachtel nur 11 bis 12 mm einstechen ließ. Im Fertigteilestrich darunter war keine Fuge vorhanden.
An zwei Stellen konnte man einzelne keramische Fliesen herausnehmen und feststellen, dass die Risse in den Fliesen deckungsgleich mit den Fertigteilestrichplatten waren. Die geklebten Stöße der herausgenommenen Elemente zeigten einen guten Verbund, d. h. die Risse in den Platten waren in Verbindung mit Formveränderungen entstanden.
Unterhalb der 20 mm dicken Fertigteilestrichplatten lag die mit einer Schrenzlage abgedeckte Fußbodenheizung mit den in der Dämmschicht befindlichen Rohren. In den Randbereichen genügte der einfache Druck mit den Händen, um eine deutliche Nachgiebigkeit des Dämmsystems festzustellen. Die gesamte Dämmschichtdicke erreichte eine Höhe von rund 120 mm. Darauf waren als Lastverteilungsplatten die 20mm dicken Fertigteilestrichplatten und die 10 mm dicken Fliesen verlegt worden.
Prüfmaßnahmen der Biegezugfestigkeit an drei noch unverlegten Fertigteilestrichplatten unter Berücksichtigung der DIN 18560 Teil 2 "Estriche im Bauwesen - Estriche und Heizestriche auf Dämmschichten (schwimmende Estriche)" ergaben Biegezugfestigkeiten zwischen 4,5 und 5 N. Ein ausreichender Wert, der einer Festigkeitsklasse weit über "CT F5" entspricht.
Ursache: Zu dicker Dämmschicht-Mix - zu dünne Lastverteilungsschicht In dem Gutachten machte der Sachverständige auf irreparable Fußbodenschäden aufmerksam, die einen vollständigen Rückbau der Fertigteilestrichkonstruktion erforderten. Er nannte als Hauptursache einen nicht dem BEB-Merkblatt "Fertigteilestriche auf Calciumsulfat- und Zementbasis" und auch nicht dem Stand der Technik entsprechenden Konstruktionsaufbau mit drei unterschiedlichen Dämmschichten und den nur 20 mm dicken Fertigteilestrichplatten. Ohne eine genaue Analyse hinsichtlich Durchbiegungen und Messungen der Nachgiebigkeiten war im Bauvorhaben beim einfachen Begehen bereits festzustellen, dass die Fußbodenfläche nicht standfest war und eher einem Schwingboden als einer schwimmenden Estrichkonstruktion entsprach.
Die mit nahezu 50 mm überproportional dicke Perlite-Trockenschüttung stellte keine fachgerechte gebundene Schüttung dar, weil sie nicht lagestabil war und bei Belastung unterhalb der Dämmschichten regelrecht "wandern" konnte. Dies entspricht nicht dem Stand der Technik und auch nicht den Verlegeanleitungen des Estrichherstellers. Die darüber angeordnete Trittschalldämmplatte ist als Einzelschicht unter Fertigteilestrichen geeignet, jedoch nicht bei dem hohen Dämmschichtaufbau mit einer 45 mm dicken Polystyrolhartschaumdämmschicht und schon gar nicht in Verbindung mit der darunter liegenden ungebundenen Schüttung.
Obwohl die Trittschalldämmplatte und die Polystyrolplatte jeweils für sich unter Fertigteilestrichen geeignet sind, ist jedoch der hergestellte Dämmschicht-Mix mit einer Gesamtdicke von rund 120mm bei einer nur 20 mm dicken Fertigteilestrichplatte auch bei üblichen Verkehrslasten im Wohnbau kritisch. Erschwerend hinzu kommt, dass die 20 mm dicke Lastverteilungsschicht nicht die bei einer Fußbodenheizung unbedingt erforderlichen Bewegungsfugen in den Türdurchgängen aufwies. Das direkte Anstehen der Fertigteilestrichplatten an der Wand führte aufgrund von thermischen Längenänderungen zu Zwängungen, Verformungen und Brüchen.
Verantwortlichkeit: Verarbeiter haften für ungeeigneten AufbauDer vom Fußbodenheizungsbauer nach eigenem Gutdünken gewählte Konstruktionsaufbau war ungeeignet. Auch wenn kein Architekt beteiligt war, hätte der Verarbeiter entsprechende Informationen bei den Herstellern der Dämmschichten und des Fertigteilestrich einholen können. Außerdem hätte er beim Begehen der Konstruktion bereits feststellen müssen, dass der Untergrund für die Aufnahme der 20 mm dicken Fertigteilestrichschicht ungenügend standfest war.
Im Rahmen seiner Prüfungspflichten musste der Fliesenleger erkennen, dass die Funktionalität der Randfugen nicht überall ausreichend war und das Bewegungsfugen fehlten.
Für den Neuaufbau der Konstruktion wurde als unterste Schicht eine gebundene Schüttung empfohlen, die ausreichend abtrocknen muss. Die Dämmstoffschichten sind um 20 mm Dicke zu reduzieren, und die Lastverteilungsschicht ist als zweilagige Konstruktion herzustellen, bevor neue Fliesen verlegt werden.
Außerdem müssen Konstruktionen mit Fertigteilestrichen - auch wenn diese trocken sind - bei Fußbodenheizungen mindestens einem Funktionsheizen unterzogen werden. Auf diese Weise hätten Zwängungen und Formveränderungen aufgrund fehlender Bewegungsfugen oder geschlossener Randfugen erkannt werden können.
Im Ergebnis haben sich Heizungsbauer, Fertigteilestrichverarbeiter und Fliesenleger den Schaden geteilt.
Wenn der Handwerker schon als "Fachplaner" bei schwierigen Sonderkonstruktionen auftritt, muss er sich mit den Materiallieferanten abstimmen. Wenn möglich sollte man sich Aufbauempfehlungen in schriftlicher Form geben lassen. Daneben sind gültige Normen, Richtlinien und Merkblätter zu berücksichtigen.
Der Autor
Fußboden-Gutachter Helmut Becker ist öbv. Sachverständiger für das Estrich- und Parkettlegerhandwerk sowie für Bodenbeläge.
Professor-Lübeck-Straße 8
36088 Hünfeld
Tel.: 06652/2309
Fax: 06652/748778
Internet: www.gutachter-becker.de
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FussbodenTechnik 03/11
(Handwerk)