Interview
Hardselling ist weder "in" noch "out"
Viele Verkäufer zögern in Verkaufsgesprächen, wenn der Abschluss naht. Eine Ursache hierfür ist laut Verkaufstrainer Ingo Vogel: Die Verkäufer haben Angst vor einem möglichen "Nein" des Kunden. Und: Sie setzen ein Verhalten, das den Abschluss aktiv herbeiführt, mit einem Hardselling gleich, das den Kunden zum Kauf nötigt. Im Gespräch mit der Haustex erläutert der Verkaufstrainer, wie man gut und erfolgreich agieren kann.Haustex: Herr Vogel, Sie kennen gewiss den alten Vertriebler-Spruch "Den Kunden anhauen, umhauen und dann abhauen". Ist ein solches Verkäuferverhalten heute noch angebracht?
Vogel: In gewissen Verkaufssituationen tendenziell ja. Nehmen Sie als Extrembeispiel einen Jahrmarktverkäufer, der alle paar Tage seinen Stand in einer anderen Stadt aufbaut. Wenn der nicht schnell auf den Punkt kommt, macht er nie einen Abschluss. In vergleichbare Situationen, in denen sie sozusagen nur eine Chance zum Abschluss haben, geraten Verkäufer immer wieder. Dann sollten sie die Kunden zwar nicht "umhauen", aber den unmittelbaren Abschluss anstreben. Ganz anders ist dies selbstverständlich bei allen Verkäufern, deren Unternehmen letztlich von ihren Kundenbeziehungen leben. Sie müssen zwar auch sehr ziel-, das heißt abschlussorientiert agieren, aber zugleich alles vermeiden, was beim Kunden das Gefühl erzeugt: Hier setzt mich jemand unter Druck. Denn dies belastet die Kundenbeziehung.
Haustex: Dessen ungeachtet ist aus Ihrer Warte ein gewisses Hardselling im Vertriebsalltag opportun.
Vogel: Ja, wenn man Hardselling so interpretiert, dass Verkäufer stets den Abschluss anstreben müssen - und zwar ohne unnötig Zeit zu verschwenden. Was dies konkret für ihr Verhalten heißt, das müssen Verkäufer abhängig vom Produkt und der Kundenbeziehung stets neu definieren. Denn Standardrezepte gibt es im Verkauf nicht. Das schlimmste ist, wenn Verkäufer stets nach Schema F agieren und im Kundenkontakt kein flexibles Verhalten zeigen.
Haustex: Sie kritisieren, dass Vertriebsleiter und Geschäftsführer zu oft solche Floskeln gebrauchen wie "Unsere Verkäufer sollen unsere Kunden ganzheitlich ..." oder "... individuell beraten". Warum?
Vogel: Weil dahinter oft die Annahme steckt: Wenn unsere Mitarbeiter die Kunden "gut" beraten, dann fallen ihnen die Abschlüsse sozusagen automatisch in den Schoß. Entsprechend sind die Verkaufstrainings der Unternehmen konzipiert. Sie zielen oft primär darauf ab, die Beratungskompetenz der Verkäufer zu erhöhen. Dabei haben die meisten Verkäufer gar kein Beratungs-, sondern ein Abschlussproblem.
Haustex: Aber ist eine gute, also kundenorientierte Beratung nicht die Voraussetzung für einen Abschluss?
Vogel: Eine Voraussetzung ja - gerade bei erklärungsbedürftigen Gütern. Aber in der Tasche hat der Verkäufer den Vertrag deshalb noch lange nicht. Es ist und bleibt eine Verkäuferaufgabe, die Kaufentscheidung des Kunden aktiv herbeizuführen. Das fällt vielen Verkäufern schwer.
Haustex: Was veranlasst Sie zu dieser Einschätzung?
Vogel: Wenn man Verkäufer bei ihrer Arbeit begleitet, stellt man immer wieder fest: Im Beraten sind sie spitze. Doch kaum nähert sich der Zeitpunkt, an dem sie zum Beispiel den Kaufvertrag zücken müssten, fangen sie an zu zaudern. Ihr gesamter Elan, den sie beim Beraten zeigten, erlahmt. Und statt den Knoten endlich durchzuhacken, erläutern sie dem Kunden zum Beispiel nochmals die Vorzüge des Produkts, obwohl der Kunde diese längst erkannt hat. Entsprechend verwaschen wird oft auch ihre Sprache, wenn es gilt, den Verkaufsabschluss herbeizuführen.
Haustex: Inwiefern?
Vogel: Schilderten sie in der Beratungsphase des Verkaufsgesprächs noch ganz selbstbewusst die Vorzüge des Produkts, so ist ihre Sprache plötzlich gespickt mit unverbindlichen Konjunktiven: "Was würden Sie davon halten, wenn ..." , "Könnten Sie sich vorstellen, dass ... ". Und vielfach vertagen sie sogar selbst den Abschluss, obwohl der Kunde hierfür reif ist - zum Beispiel mit den Worten "Lassen Sie sich die Sache noch mal durch den Kopf gehen ...".
Haustex: Wie sollten sich Verkäufer stattdessen verhalten?
Vogel: Damit aus gelungenen Beratungsgesprächen die erhofften Abschlüsse resultieren, ist dreierlei nötig. Erstens: eine positive Einstellung zum Verkaufen. Zweitens: eine Körpersprache, die Entschlossenheit signalisiert. Und drittens: eine verbindliche Sprache.
Haustex: Aber die meisten Verkäufer haben doch eine positive Einstellung zum Verkaufen. Sonst wären sie nicht Verkäufer?
Vogel: Jein. Viele Verkäufer setzen aktiv Verkaufen unbewusst damit gleich, anderen Leuten etwas aufzuschwatzen. Die Folge: Sie haben Abschluss verhindernde Glaubenssätze verinnerlicht, die nach ihrer Überzeugung auf Erfahrung basieren.
Haustex: Welche zum Beispiel?
Vogel: Zum Beispiel: "Wenn der Kunde zum Kauf bereit ist, dann sagt er das schon." Nein! Häufig signalisiert er dies dem Verkäufer nur indirekt. Ein weiterer typischer Glaubensatz gerade bei komplexeren Produkten ist: "Im Erstgespräch kann man keinen Abschluss erzielen." Warum nicht, wenn der Kunde klar Interesse signalisiert? Doch genau hier liegt ein zentrales Problem vieler Verkäufer. Weil sie Glaubensätze wie die obigen verinnerlicht haben, nehmen sie Kaufsignale der Kunden nicht bewusst wahr.
Haustex: Welche Kaufsignale sind das zum Beispiel?
Vogel: Ein Kaufsignal ist: Der Kunde sucht den Blickkontakt oder rückt körperlich näher - ähnlich wie bei einem Flirt. Oder er stellt interessiert Detailnachfragen oder Fragen, die in die Zukunft weisen. Zum Beispiel: "Wie würde sich unsere Zusammenarbeit im Alltag gestalten?" Oder er zieht den Prospekt zu sich, den der Verkäufer auf den Tisch legte. All dies sind eindeutige Kaufsignale des Kunden; Signale also, die den Verkäufern zeigen: Jetzt sollte ich damit beginnen, den Vertrags- oder Verkaufsabschluss herbei zu führen.
Haustex: Wie kann der Verkäufer die Abschlussphase einläuten?
Vogel: Unter anderem, indem er dem Kunden durch seine Köpersprache signalisiert: Jetzt beginnt eine andere Phase des Verkaufsgesprächs.
Haustex: Wie geht das?
Vogel: Zum Beispiel, indem er erkennbar seine Körperspannung erhöht. Sei es, indem er sich gezielt streckt, wenn der Kunde ihm gegenüber steht, oder indem er seine bequeme Sitzhaltung aufgibt und sich nach vorne beugt, wenn der Kunde ihm gegenüber sitzt. Außerdem sollte er festen Blickkontakt suchen. Denn auch dies signalisiert dem Kunden: Jetzt beginnt eine neue Gesprächsphase. Ein solches Verhalten strahlt zudem Selbstsicherheit und Verbindlichkeit aus. Diese beiden Faktoren sollten sich auch in der Sprache des Verkäufers dokumentieren. Das ist häufig nicht der Fall.
Haustex: Inwiefern?
Vogel: Viele Verkäufer benutzen in der Abschlussphase sehr oft den Konjunktiv, der nur eine Möglichkeit offeriert. Sie sagen also zum Beispiel "Ich könnte Ihnen ein Angebot unterbreiten, das ..." statt "Ich unterbreite Ihnen folgendes Angebot: ..." Sie verstecken ihre Botschaften in schwammigen Konjunktiv-Sätzen statt kurze, knackige Indikativsätze zu formulieren. Ein weiterer, häufiger Fehler ist: Die Verkäufer stellen den Kunden Fragen, die diesen alle Antwortmöglichkeiten eröffnen. Sie fragen zum Beispiel: "Finden Sie das Angebot interessant?" Mit einer solchen Frage veranlassen sie den Kunden selbst dazu, seine Kaufbereitschaft, die er bereits signalisierte, nochmals zu überdenken.
Haustex: Was sollten Verkäufer stattdessen tun?
Vogel: Ganz einfach, die positive Kaufentscheidung des Kunden voraussetzen.
Haustex: Geht das?
Vogel: Warum nicht, wenn der Kunde bereits Kaufbereitschaft signalisierte? Dann kann der Verkäufer doch zum Beispiel sagen: "Herr Maier, Ihren Aussagen entnehme ich, dass dieses Produkt für Sie das richtige ist. Wollen Sie es gleich mitnehmen oder sollen wir es Ihnen nach Hause liefern?" Oder: "Frau Huber, mit dieser Zusatzversicherung sorgen Sie optimal für Ihr Alter vor. Sollen wir die Beiträge monatlich oder vierteljährlich von Ihrem Konto abbuchen?" Gemeinsam ist diesen Formulierungen: Sie setzen die Kaufentscheidung des Kunden voraus ... und fordern ihn dazu auf, eine weiterführende Entscheidung zu treffen.
Haustex: Warum verhalten sich viele Verkäufer nicht so verkaufsaktiv?
Vogel: Weil sie befürchten, der Kunde könnte nein sagen. Und dann stehe ich dumm da. Doch diese Angst ist unbegründet. Denn was wäre verloren, wenn ein Kunde einmal erwidern würde "Stopp, ich bin noch nicht soweit"? Nichts! Eine solche Kundenreaktion würde dem Verkäufer nur signalisieren, dass er die Signale, die der Kunden ausgesendet hat, entweder nicht alle wahrgenommen oder falsch interpretiert hat. Also eröffnet ihm das "Nein" des Kunden doch die Chance, durch gezieltes Nachfragen zu erkunden, woran die Kaufentscheidung noch hängt. Hat er dann die letzten Fragen beantwortet oder Einwände behandelt, kann er erneut versuchen, den Abschluss unter Dach und Fach zu bringen.
Haustex: Stört den Kunden ein so verkaufsaktives Verhalten des Verkäufers nicht?
Vogel: Nein. Denn wenn ein Kunde sich erst einmal für den Kauf eines Produkts entschieden hat, dann möchte auch er keine weitere Zeit mehr im Gespräch mit dem Verkäufer vertrödeln. Er möchte sich vielmehr entweder anderen Aufgaben zuwenden oder sich über den Kauf seiner neuen Produkte freuen.
aus
Haustex 05/11
(Handel)