Reinhold Rühl und Klaus Kersting, BG BAU, Frankfurt

Stark lösemittelhaltige Klebstoffe endgültig überflüssig

Vertreter des Zentralverbandes Parkett und Fußbodentechnik, der Klebstoffhersteller, des Verbandes der Parkettindustrie sowie Arbeitsschützer haben 2010 die TRGS 610 überarbeitet und sind darin zum Schluss gekommen "Die Verwendung von stark lösemittelhaltigen Vorstrichen und Klebstoffen für den Bodenbereich ist grundsätzlich nicht mehr notwendig". Die TRGS 610 ist im November 2010 vom Ausschuss für Gefahrstoffe verabschiedet und mit Erscheinen im Gemeinsamen Ministerialblatt (GMBl) 2011, Nr. 8, S. 163 - 165 in Kraft gesetzt worden.

In den 90er Jahren ereigneten sich beim Einsatz stark lösemittelhaltiger Bodenbelagsklebstoffe regelmäßig Explosionen. Stark lösemittelhaltige Klebstoffe enthalten über 40 % Lösemittel, die beim Verarbeiten frei werden und sich nicht nur in dem Raum, in dem die Arbeiten durchgeführt werden, sondern über weitere Räume und darunter liegende Etagen verbreiten. Das Anspringen einer Heizung, das Ein- und Ausschalten von Licht oder auch nur das Klingeln an der Haustür reicht aus, um eine Explosion zu verursachen. Neben erheblichen Gebäudeschäden waren schwerste Verletzungen die Folge. Oft waren die Verletzungen tödlich, da die Lösemitteldämpfe in der Kleidung der Beschäftigten diese wie eine Fackel brennen ließen.

Bei Bodenbelagsarbeiten sind diese Klebstoffe schon lange überflüssig, bei Parkettverlegearbeiten gibt es Rahmenbedingungen, nach denen Lösemittel-Kunstharz-Parkettklebstoffe von einigen Parkettlegern noch lange für notwendig gehalten wurden. Selbst wenn es nicht zu einer Explosion kommt, bringen die hohen Lösemittelkonzentrationen weitere Gesundheitsgefahren für die Boden- und Parkettleger mit sich.
Parkettleger, Hersteller der Klebstoffe und die Berufsgenossenschaften der Bauwirtschaft haben deshalb den GISCODE geschaffen, durch zahlreiche Messungen die Lösemittelexpositionen der Beschäftigten ermittelt und die TRGS 610 "Ersatzstoffe und Ersatzverfahren für stark lösemittelhaltige Bodenbelagsklebstoffe" erarbeitet.

Boden- und Parkettlegen ohne Lösemittel

Beim Verlegen von Bodenbelägen werden inzwischen fast ausschließlich D1-Kleber verwendet. Stark lösemittelhaltige Klebstoffe spielen keine Rolle mehr. Im Laufe der Zeit waren immer mehr Experten des Zentralverbandes Parkett und Fußbodentechnik der Meinung, dass auch jegliches Parkett mit D1-Klebstoffen verklebt werden kann. Diese wurden aber häufig nicht eingesetzt, weil Bauherren nicht bereit waren, entsprechende Mehrkosten (z. B. für Spachtelarbeiten) zu tragen bzw. etwas längere Wartezeiten zu akzeptieren. Auch haben einige Parkettleger die enormen Gefahren beim Einsatz der Lösemittel-Kunstharz-Parkettklebstoffe regelmäßig ignoriert oder wollten die nach ihrer Meinung bestehenden technischen Risiken beim Einsatz von Dispersionsklebstoffen bei bestimmten Rahmenbedingungen nicht eingehen. Daher wurden von den Herstellern alternative Klebstoffe entwickelt. Inzwischen werden beim Kleben von Parkett überwiegend D1-Klebstoffe, Polyurethanklebstoffe (GISCODE RU0,5 und RU1) und Silanklebstoffe (GISCODE RS10) eingesetzt.

Gefahrstoffbelastungen beim Einsatz von modernen Parkettklebstoffen

In Zusammenarbeit mit Parkettlegern und Klebstoffherstellern hat die Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft mögliche Belastungen der Beschäftigten beim Einsatz von RS10-, RU0,5- und RU1-Klebstoffe untersucht.

Bei Parkettlegearbeiten kommt es immer wieder zu Hautkontakt mit dem Klebstoff. Insbesondere beim Verlegen von Stabparkett können die Fingerkuppen beim Festdrücken der einzelnen Parkettstäbe den Klebstoff berühren. Das Tragen von Schutzhandschuhen ist hier zumindest schwierig, da die Chemikalienschutzhandschuhe beim Drücken auf die Kante der Parkettstäbe erheblichen mechanischen Belastungen ausgesetzt sind. Zudem hängen die Spitzen der Schutzhandschuhe dann im Kleberbett, der Klebstoff auf den Handschuhen verteilt sich auf die Stäbe und muss wieder entfernt werden (mit Lösemitteln!). Eine typische Folge des Hautkontaktes sind die "Schwarzen Finger". Sie kommen durch den Klebstoff an den Fingerkuppen und den sich im Laufe des Arbeitstages darauf ansammelnden Staub zustande.

Wegen des üblichen Hautkontaktes wurden nicht nur die Konzentrationen von Gefahrstoffen in der Luft betrachtet, sondern auch durch "Biomonitoring" die gesamte Belastung der Parkettleger ermittelt. Dazu wurde Urin auf mögliche Gefahrstoffe untersucht.

Die Ergebnisse haben gezeigt, dass beim Einsatz von SMP- bzw. RS10-Klebstoffen beim Verlegen von Parkett der Arbeitsplatzgrenzwert von Methanol eingehalten wird und diese Arbeiten nicht zu einer Belastung der Beschäftigten führt.

RS10-Klebstoffe sind damit wie D1-Klebstoffe vollwertige Ersatzstoffe für stark lösemittelhaltige Bodenbelagsklebstoffe.

Um mögliche Belastungen durch PU-Parkettklebstoffe abschätzen zu können, wurde auch bei Parkettlegern, die mit diesen Klebstoffen arbeiten, der Urin untersucht. Es ergab sich keine bzw. eine sehr geringe Belastung durch Isocyanate beim Einsatz von PU-Parkettklebstoffen. Um diese doch überraschenden Ergebnisse hinsichtlich der Belastungen durch Isocyanate bei Parkettlegearbeiten abzusichern bzw. um zu klären, ob Belastungsmöglichkeiten übersehen wurden, wurden alle zwischen 1998 und 2007 bei der BG BAU bestätigten isocyanatbedingten Asthmaerkrankungen überprüft (34 Fälle), sowie alle zwischen 1998 und 2007 bei der BG BAU bestätigten Hauterkrankungen und Atemwegserkrankungen bei Fußboden- und Fliesenlegern sowie Raumausstattern (48 Fälle). Diese Überprüfung erbrachte nicht einen gesicherten Fall eines Isocyanat-Asthmas oder einer isocyanatbedingten Hauterkrankung durch PU-Parkettklebstoffe. Da Parkettleger auch bei der Holz-Berufsgenossenschaft versichert sein können, wurde auch dort eine entsprechende Überprüfung durchgeführt; mit demselben Ergebnis wie bei der BG BAU. Es gibt daher keine Hinweise auf eine Belastung oder gar Erkrankung durch Isocyanate beim Einsatz von PU-Parkettklebstoffen.

Alle lösemittelfreien PU-Klebstoffe führen bei bestimmungsgemäßem Umgang nicht zu einer Belastung der Beschäftigten und sind daher stark lösemittelhaltigen Parkettklebstoffen vorzuziehen.

TRGS 610 aktualisiert

1998 erfolgte die letzte Aktualisierung der TRGS 610 "Ersatzstoffe und Ersatzverfahren für stark lösemittelhaltige Vorstriche und Klebstoffe für den Bodenbereich". Seither gab es regelmäßig Treffen des entsprechenden Arbeitskreises mit Vertretern des Zentralverbandes Parkett und Fußbodentechnik, der Klebstoffhersteller, des Verbandes der Parkettindustrie sowie Arbeitsschützer der BG BAU, der Holz- und der Leder-Berufsgenossenschaft sowie der staatlichen Arbeitsschutzbehörden. Ergebnis ist die neue TRGS 610, die im November 2010 vom Ausschuss für Gefahrstoffe (AGS) verabschiedet wurde.

Im Vorfeld hatten die genannten Untersuchungen gezeigt, dass es beim Einsatz der RS10-, RU0,5- und RU1-Klebstoffe ebenso wie bei den D1-Produkten zu keinen Belastungen bei den Beschäftigten kommt. Die Parkett-Fachleute im Arbeitskreis zur TRGS 610 konnten auf Grund ihrer Erfahrung feststellen, dass die Verwendung von stark lösemittelhaltigen Vorstrichen und Klebstoffen für den Bodenbereich - auch der Neoprene- bzw. Kontaktklebstoffe - grundsätzlich nicht mehr notwendig ist. Die aufgeführten Klebstoffgruppen sind technisch ausgereifte Alternativen für alle Parkettarten und Unterböden.

Selbstverständlich weist die TRGS 610 auch darauf hin, dass soweit möglich, ohne Klebstoffeinsatz gearbeitet werden sollte. In Abhängigkeit vom Untergrund und der Beanspruchung können spezielle Bodenbeläge lose verlegt oder verspannt werden. Auch können einige Parkett- und Holzbodenarten schwimmend verlegt, genagelt oder verschraubt werden.

Weiterhin berücksichtigt die TRGS 610 die Akzeptanz des GISCODE bei Parkett- und Bodenlegern. Es ist im Prinzip nicht möglich, einen Klebstoff erfolgreich auf dem Markt zu platzieren, der nicht einer GISCODE-Gruppe angehört. Daher nimmt die TRGS 610 jetzt noch deutlicher Bezug auf den GISCODE.

Lösemitteleinsatz ist mit hohen Kosten verbunden

Für diejenigen, die trotzdem weiterhin glauben, entgegen dem Stand der Technik stark lösemittelhaltige Vorstriche und Klebstoffe (GISCODE S1 - S6, also auch die Neoprene- bzw. Kontaktklebstoffe) einsetzen zu müssen, sei auf die damit verbundenen Maßnahmen verwiesen. Es müssen Atemschutzgeräte verwendet werden. Da oft Aceton, Methanol oder Methylacetat enthalten sind, bieten Atemschutzfilter keinen Schutz. Es sind umgebungsluftunabhängige Atemschutzgeräte zu verwenden. Das ist sehr teuer. Zudem darf das Tragen von belastendem Atemschutz keine ständige Maßnahme sein.

Daher ist vor Aufnahme solcher Arbeiten eine Ausnahmegenehmigung von den Anforderungen des § 7(5) der Gefahrstoffverordnung bei der zuständigen Behörde zu beantragen. Das alles ist teuer und zeitaufwendig, aber nur so könnte legal mit den stark lösemittelhaltigen S-Klebstoffen gearbeitet werden. Da ist es doch einfacher, die Ersatzstoffe nach TRGS 610 zu verwenden.

Fazit

Die TRGS 610 empfiehlt aus technischen sowie aus Gründen des Arbeitsschutzes auf allen Unterböden alle Bodenbeläge, Parkettarten und andere Holzfußböden mit D1-, RS10-, RU0,5- oder RU1-Klebstoffen zu verkleben.

S0,5-Klebstoffe sind stark lösemittelhaltigen Klebstoffen vorzuziehen, stellen jedoch keine Alternative für D1-, RS10-, RU0,5- oder RU1-Klebstoffe dar. Auch aus Gründen des Umweltschutzes und mit Blick auf Innenraumbelastungen durch die enthaltenen Lösemittel sind die Parkettleger gut beraten, ohne die S0,5-Klebstoffe auszukommen.


Klebstoffe gemäß GISCODE S0,5


Klebstoffe auf Aceton-/Ethanolbasis (GISCODE S0,5) sind stark lösemittelhaltig, da sie ein Lösemittelgehalt über 10 % haben. Mit etwa 15 % Lösemittel ist jedoch der Lösemittelanteil deutlich niedriger als bei den klassischen Lösemittel-Kunstharz-Parkettklebstoffen (bis ca. 26 % Lösemittel). Beim Einsatz der S0,5 Klebstoffe werden die Arbeitsplatzgrenzwerte eingehalten. Diese S0,5 Klebstoffe können statt klassischer Lösemittel-Kunstharz-Parkettklebstoffen verwendet werden, allerdings nur, wenn der Parkettleger keine Möglichkeit sieht, D1-, RS10- RU0,5 oder RU1-Klebstoffe einzusetzen.

Da aber davon auszugehen ist, dass aus Gründen des Umweltschutzes und mit Blick auf Innenraumbelastungen diese Klebstoffe bald vom Markt genommen werden müssen, sind die Parkettleger gut beraten, schon jetzt ohne diese Klebstoffe auszukommen.
aus Parkett Magazin 04/11 (Klebstoffe)