Kleiner Fehler - Großer Schaden

Zuviel des Guten: Mehr Estrich = mehr Feuchte

Fußbodenkonstruktionen zählen zu den komplexesten und hochbelastesten Bauteilen - schon kleine Fehler können hier große Auswirkungen haben. Dabei hat jede Baustelle ihre eigenen Tücken. Oft zeigt sich erst anhand der Ursachenforschung im Schadensfall, worauf ein Fußbodenverleger alles achten muss. FussbodenTechnik deckt in Zusammenarbeit mit namhaften Sachverständigen anhand realer Schadensfälle mögliche Fehlerquellen auf. -Diesmal geht es um unerwünschte Mehrdicken eines Estrichs, der zu Feuchteschäden an einem PVC-Designbelag führt.

Ein Bauherr ließ beim Anbau an sein Zweifamilienhaus im ganzen Objekt eine Fußbodenheizung installieren. Dafür mussten im Altbau sämtliche vorhandene Fußböden einschließlich Estrich entfernt werden. Ein Heizungsbauer baute im Übergangsbereich der Türen zwischen Neu- und Altbau eine Dämmstoffschüttung ein, um die Höhenunterschiede auszugleichen. Auf dieser Schicht ordnete er Polystyroltrittschall- und Wärmedämmplatten einschließlich Abdeckfolie an. Auf dieser Dämmschicht wurden die Warmwasser führenden Heizrohre verlegt.

Nach Angaben des Architekten baute der Estrichleger dann vollflächig einen Calciumsulfatfließestrich mit einer mittleren Dicke von 65mm und der gewünschten Heizrohrüberdeckung von 45mm ein. Dem Bodenleger wurde vor der Belagsverlegung mitgeteilt, dass die Estrichkonstruktion ordnungsgemäß auf- und abgeheizt wurde und er mit den Feuchtigkeitsmessungen beginnen könnte.

Die ordnungsgemäß vom Bodenleger ausgefüllten Messprotokolle belegen, dass Feuchtigkeitsgehalte von 0,3 und 0,25 CM-% und somit eine trockene Estrichkonstruktion ermittelt wurde und in beiden Prüfbereichen die Estrichschichtdicke 60mm betrug. Anschließend schliff der Bodenleger den Calciumsulfatestrich an, grundierte ihn und spachtelte mit einer zementären Spachtelmasse rund 2mm dick. Es folgte die vollflächige Verklebung von 2,5mm dicken heterogenen PVC-Designbelagsplanken in Holzoptik, jeweils 186 x 940 mm groß.

Bereits 14 Tage nach Ende der Bodenbelagsarbeiten stellten die Bewohner auffällig nur im Altbau hoch stehende Kanten und Ablösungen des Bodenbelages fest. Eine gutachterliche Überprüfung wurde unerlässlich.


Schaden: Hoch stehende Kanten und Ablösungen des PVC-Designbelages

Die Prüfmaßnahmen des Sachverständigen bestätigten die hoch stehenden Kanten und vereinzelt deutliche Blasen des Designbelages in drei Räumen des Altbaus. Zusätzlich waren deutliche Beulen erkennbar. Mit Hilfe eines Hohlstellensuchgerätes, einem Teleskopstab mit Edelstahlkugel, konnte der Sachverständige in vielen Bereichen akustisch Ablösungen des Designbelages auffinden. Dagegen gab es in den Wohnräumen des Neubaus keine Belagsablösungen.

Im Rahmen elektrischer, also nur orientierender Feuchtigkeitsmessungen auf der Belagsoberfläche wurden im Neubaubereich bei 25 bis 35 Digits (Einheit bei elektrischer Feuchtemessung) keine erhöhten Feuchtigkeitsgehalte festgestellt. In den Räumen des Altbaus gab es Anzeichen eines erhöhten Feuchtigkeitspotentials bei einer Anzeige von > 60 Digits.

Der Sachverständige führte an vier Stellen tiefer gehende Prüfmaßnahmen durch. An drei Prüfbereichen im Altbau ließen sich die Belagsplanken leicht ablösen. Auch die angrenzenden Beläge wiesen keine ausreichende Arretierung zum Untergrund auf. Elektrische Feuchtigkeitsmessungen an der Estrichoberfläche zeigten deutlich erhöhte Feuchtigkeitsgehalte.

Die Oberfläche des Estrichs wies sogar eine feuchtigkeitsbedingte Verfärbung auf, die sich nach dem Abtrocknen aufhellte. Die Belagsplanken ließen sich in Form eines nahezu glatten Adhäsionsbruchs bzw. hauchdünnen Kohäsionsbruchs in der oberen Estrichzone ablösen. Das heißt an der Rückseite der Planken haftete die Spachtelmasse und darunter eine dünne Schicht der oberen Estrichzone an, die deutlich pulverisiert war. Das galt auch für die Estrichoberfläche.

Der Sachverständige entnahm an den drei Prüfbereichen des Altbaus jeweils Proben aus dem gesamten Estrichquerschnitt für gravimetrische Feuchtigkeitsmessungen und Darr-Prüfungen. Dabei kam heraus, dass der Estrich in den drei Prüfbereichen Schichtdicken von 80mm hatte, teilweise sogar bis 90mm. Die Heizrohrüberdeckungen betrugen jeweils > 60mm.

Um Rückschlüsse auf die Richtigkeit der CM-Feuchtigkeitsmessung vor der Belagsverlegung ziehen zu können, durfte der Sachverständige in einem Wohnzimmer - in der Nähe der nicht mehr genau angegebenen CM-Feuchtigkeitsprüfstelle des Bodenlegers - eine Belagsplanke vom Untergrund lösen. Unter einem deutlichen Kraftaufwand entstand ein Adhäsionsbruch von der Estrichoberfläche und eine bläuliche Grundierung kam zum Vorschein.

In diesem Bereich, in dem die elektrische Messung an der Belagoberfläche und der Estrichoberfläche keine erhöhte Feuchtigkeit anzeigte, wurde die Estrichkonstruktion ebenfalls aufgestemmt und eine Estrichgesamtschichtdicke zwischen 60 und 62mm bei einer Heizrohrüberdeckung von 43mm gemessen.

Die im Prüflabor des Gutachterbüros durchgeführte Darr-Prüfung ergab an den drei entnommenen Proben erhöhte Restfeuchtegehalte zwischen 1,0 und 1,4 Gew.-%, die deutlich über dem zulässigen Restfeuchtegehalt von 0,3 Gew.-% liegen, und an der im Neubaubereich entnommenen Probe einen Feuchtigkeitsgehalt von 0,2 Gew.-%.


Ursache: Erhöhte Restfeuche des Estrichs

Der Sachverständige kam zu dem eindeutigen Schluss, dass die erhöhte Restfeuchte des Estrichs zu den Belagsablösungen geführt hat. Der Bodenleger hat mit der nachweislich durchgeführten protokollierten Feuchtigkeitsprüfung seinen Prüfungspflichten genügt. Bei üblicher Estrichdicke konnte er davon ausgehen, dass der Estrich in allen Flächenbereichen ausreichend trocken war.

Die Prüfmaßnahmen des Sachverständigen vor Ort haben ergeben, dass der Estrichleger den Estrich im Altbaubereich großflächig 15 bis 25mm zu dick eingebaut hat. Der Estrichleger zeigte dies gegenüber dem Bauherrn nicht an und er berechnete auch keine durch die Mehrdicken entstandenen Mehrkosten. So gab es für den Bodenleger keinen Anlass, gezielt im Altbau Feuchtigkeitsmessungen durchzuführen. In der Folge bestand keine Notwendigkeit, ein längeres Belegreifheizen durchzuführen. Die protokollierte Auf- und Abheizphase des Estrichs entsprechend der Schnittstellenkoordination mit den üblichen Heizintervallen war vom Sachverständigen geprüft worden und ohne Beanstandung.

Verantwortlichkeit: Estrichleger hätte Mehrdicken anzeigen müssen

Es ist erfahrungsgemäß problematisch, wenn praxisfremde Heizungsbauer die Dämmschicht auslegen und eventuell auch Ausgleichsmaßnahmen des Untergrundes vornehmen. Vielfach wird nicht auf eine ebene gleichmäßige Dämmschichtoberfläche geachtet, die der Aufnahme eines gleichmäßig dicken Estrichs dient.

Dem Estrichleger hätte auffallen müssen, dass im Altbaubereich Mehrdicken erforderlich werden, so dass Bedenken anzumelden gewesen wären. Werden erhebliche Mehrdicken notwendig - und das kann durchaus auch nur einen Raum eines Objektes betreffen - so muss der Estrichleger den Architekten informieren. In der Folge kann beim Belegreifheizen das Heizintervall verlängert werden und gezielte Feuchtigkeitsmessungen erfolgen. Die technische Verantwortlichkeit für den Fußbodenschaden lag beim Estrichleger.

In beiden Geschossebenen des Altbaus war der Rückbau des Bodenbelages notwendig. Außerdem musste die Fußbodenheizung längerfristig bei maximaler Heizleistung betrieben werden. Nachdem durch CM-Feuchtigkeitsmessungen eine ausreichende Trockenheit festgestellt wurde, konnte mit einer neuen Untergrundvorbereitung und der Neuverlegung des Bodenbelages begonnen werden.


Der Autor


Fußboden-Gutachter Helmut Becker ist öbv. Sachverständiger für das Estrich- und Parkettlegerhandwerk sowie für Bodenbeläge.

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aus FussbodenTechnik 04/11 (Handwerk)