Preise für handgefertigte Teppiche steigen weiter an


Als Carpet XL vor einem Jahr ausführlich über die Entwicklungen in den Ursprungsländern berichtete, zeichnete sich bereits ab, dass sich die Preisspirale weiter nach oben drehen würde. Gesprächen mit Produzenten und Importeuren entnehmen wir, dass sich die Situation beinahe überall nochmals merklich verschlechtert hat. Ein Ende der negativen Entwicklung scheint nicht in Sicht zu sein. Die Gründe sind bekannt: Die eingesetzten Rohmaterialien werden immer teurer, Knüpfer, Weber und Tufter wandern in andere Branchen ab und ist fast allen Herstellerländern ist die Inflation dauerhaft auf hohem Niveau. Auf den folgenden Seiten zeigt Carpet XL die allgemeinen Entwicklungen, die alle Marktteilnehmer betreffen. Außerdem gehen wir auf länderspezifische Besonderheiten ein.

Wolle und Baumwolle

Seit Jahren gibt es bei Naturgarnen wie Wolle, Baumwolle und auch Seide nur einen Preistrend: aufwärts. Das liegt bei Wolle einerseits am deutlichen Rückgang der Schafbestände in Neuseeland, andererseits am Bestreben Chinas, Wollvorräte auf der ganzen Welt aufzukaufen. Bei einem Wolleinsatz von bis zu 8kg / m macht sich seit Jahresanfang eine Preissteigerung bei Neuseeland-Wolle von 30% deutlich bemerkbar. Tibetwolle verteuerte sich im gleichen Zeitraum um 20%. Baumwolle, in vielen Provenienzen als Grundgewebe verwendet, hat sich im gleichen Zeitraum um 50% verteuert, innerhalb der letzten zwei Jahre hat sich der Preis gar vervierfacht. Das liegt vor allem an schlechten Ernten durch Dürre beziehungsweise Überschwemmungen. Fallen die Ernten hier erneut ungünstig aus, ist mit weiteren Preissteigerungen zu rechnen. Der umgekehrte Fall könnte aber für eine leichte Erholung sorgen.

Auch Seide ist deutlich teurer geworden. Ein Einkäufer berichtete, dass der Preis für einen Container Seide aus China im April 2011 allein von einem zum anderen Tag um ganze 12% gestiegen ist.


Kunstfasern

Hohe Preise und ein geringeres Angebot bei den Naturfasern haben auch Auswirkungen auf die Preise von Kunstfasern wie Polyester und Acryl. Diese Fasern kommen vor allem bei Handtuft-Teppichen und handgefertigten Shaggies zum Einsatz. Insbesondere die Bekleidungsindustrie versucht teilweise Kunst- statt Naturfasern wie Wolle und Baumwolle einzusetzen. In diesem Bereich ist eine deutliche Nachfrage zu verzeichnen. Die Preise sind entsprechend hoch und sorgen bei Garnproduzenten für traumhafte Margen.

Acryl verteuerte sich bereits im November 2010 deutlich und legte im ersten Quartal 2011 nochmals um 30% zu. Innerhalb der letzten drei Jahre hat sich der Preis verdoppelt. Bei Polyester hat sich die Situation nach der 25 prozentigen Erhöhung im vierten Quartal 2010 seit Jahresbeginn erfreulicherweise etwas verbessert.

Arbeitskräfte

Allerorten eine identische Lage: Knüpfer, Tufter und Weber wandern in Branchen ab, in denen mehr Lohn gezahlt wird und mit dem sie die meist stark steigenden Lebenshaltungskosten bezahlen und die hohe Inflation ausgleichen können. Produzenten, die nicht bereit oder in der Lage sind, ständig den Lohn nach oben anzupassen, müssen damit rechnen, dass die von ihnen zur Verfügung gestellten Arbeitsplätze von heute auf morgen leer bleiben. Die Produktion in einigen Ländern ist dadurch unberechenbar geworden. Zudem meiden junge Menschen den Knüpfstuhl, der ihnen neben harter Arbeit wenig soziale Anerkennung bringt. Sie studieren lieber oder suchen ihr Glück in anderen Bereichen, in denen - zum Teil staatlich gefördert - höhere Löhne gezahlt werden.

China

Das Leben wird auch in China immer teurer. Produzenten, die nicht bereit, sind sofort einen Ausgleich für verteuerte Grundnahrungsmittel zu zahlen, stehen mitunter von einem auf den anderen Tag in menschenleeren Produktionshallen. Die Arbeiter sind in einer starken Position, vor allem weil trotz der rund 1,3 Mrd. Einwohner in allen Bereichen Arbeitskräftemangel herrscht. Besser bezahlte Arbeiten als beispielsweise das Tuften von Teppichen gibt es quasi überall im Land. Durch die Einführung von Sozialversicherungsleistungen steigen außerdem die Lohnnebenkosten erheblich. China ist kein Land mehr, in dem ausnahmslos billig produziert werden kann; das gilt vor allem für Handtuft-Acryl-Ware und Polyester-Shaggys.

Indien

Die Produktionskosten sind in Indien innerhalb eines Jahres um ca. 40% gestiegen. Verantwortlich dafür sind auch hier Mehrkosten für Rohmaterialien (+29% bei Wolle, +100% bei Baumwolle) sowie die Lohn- beziehungsweise Knüpfersituation. Die indische Regierung hat mit dem NAREGA (National Rural Employment Guarantee Act) ein Programm aufgelegt, dass den Arbeitern einen festen Lohn für 100 Tage im Jahr garantiert. Gefördert werden vor allem Arbeiten im Baugewerbe und bei staatlich gesteuerten Projekten. Die Teppichbranche profitiert nicht davon, denn die Arbeiter wanden in die besser bezahlten Bereiche ab. Möchten Produzenten verhindern, dass ihre Arbeiter gehen, müssen sie ihnen mehr Geld als die Regierung zahlen und für zusätzliche Anreize, wie gesundheitliche Absicherung, Schulen, etc. sorgen. Nur auf diese Art und Weise, also durch die Aussicht auf einen besseren Lebensstandard könnte zukünftig dem Nachwuchs die Arbeit in der Teppichbranche schmackhaft gemacht werden.
Im Handknüpfbereich kommt es bereits zu Lieferengpässen. Handgewebte und getuftete Ware wird derzeit aber noch zuverlässig produziert. Je nach Wollanteil und Wollart hat sich die Ware im Vergleich zu 2010 allein wegen der höheren Materialkosten um 15% bis 30% verteuert.

Iran

Weniger Knüpfer, ein damit einhergehender starker Rückgang der Produktion, der Wegfall von Subventionen und der hoch gehaltene Rial-Kurs setzen dem iranischen Teppich stark zu. Um Knüpfer zu halten, zahlen viele Produzenten bereits etwas mehr als die üblichen umgerechnet rund 200 EUR / Monat. In anderen Branchen erhalten sie 500 EUR / Monat für weniger körperlich anstrengende Arbeiten.

Der höhere Lohn wird allerdings auch dringend benötigt, seit dem vor einigen Monaten staatliche Subventionen für Lebensmittel und Energie weggefallen sind. Seit März hat sich der Gaspreis verzehnfacht, der Liter Benzin hat sich seit Anfang 2011 von 40 EUR-Cent auf 70 EUR-Cent fast verdoppelt. Das bleibt auch für die Logistikkosten im Land nicht ohne Folgen. Dem Wegfall der Subventionen steht die Einführung einer Art Staatshilfe entgegen: jeder Erwerbstätige erhält monatlich umgerechnet 40 US-Dollar von der Regierung. Menschen, die als Bauern oder Nomaden auf dem Land leben und deshalb weniger Kosten für Energie und Lebensmittel haben, nehmen die Staatshilfe an und hören mit dem Knüpfen auf. Dank großer Familien und Selbstversorgung haben sie trotz höherer Lebenshaltungskosten seit dem Wegfall der Subventionen häufig mehr Geld zur Verfügung.

Eine Aussage, wie sich die Preise für die einzelnen Provenienzen entwickelt haben, lässt sich nur schwer treffen, Angebot und Nachfrage variieren stark. Bei gebrauchter Ware spielt zudem die Entwicklung der Rohmaterialienpreise keine Rolle. Wenn man alle Provenienzen betrachtet, liegt die Steigerung von Januar bis April 2011 zwischen 15% und 25%. Durch den Wertverlust des Rial gegenüber dem Euro wurde die Verteuerung um ca. 10% reduziert.

Marokko

Schon seit einigen Jahren werden Knüpfer in Marokko ordentlich bezahlt und genießen die Annehmlichkeiten von Sozial- und Krankenversicherungen. An vermeintlich schlechten Löhnen liegt die aktuelle Abwanderung von Teppicharbeiterinnen nicht, eher an dem niedrigen sozialen Status. So sind Arbeiten als Näherin in Textilfabriken besser angesehen und die Arbeitsbedingungen gelten als angenehmer. Bei hochwertigen Qualitäten macht sich der Mangel an Fachkräften langsam bemerkbar, einige Anbieter haben ihre Produktion in diesem Bereich zurückgefahren oder ganz aufgegeben.

Produzenten, die für vorteilhaftere Rahmenbedingen sorgen können, dürften weiterhin eine Produktion von Berberteppichen und handgewebter Ware garantieren können, zudem gilt das Land als politisch stabiler als seine Nachbarn.

Die Preise für Teppiche aus Marokko waren im Jahr 2010 um moderate 10% gestiegen, in diesem Jahr werden es wohl weitere ca. 10% Anstieg sein.

Nepal

Mit sehr kompliziert ist die Lage in Nepal wohl noch positiv umschrieben. Durch die Einflüsse der Maoisten und der Gewerkschaften wurden viele Produktionen aufgegeben, zudem mangelt es an Knüpfern. Viele Arbeiter wandern in die Arabischen Emirate aus, vor dem Emigrationsbüro bilden sich kilometerlange Schlangen. Wer noch bereit ist zu knüpfen, fordert mehr Lohn. Wird der nicht gezahlt, wird nicht weitergeknüpft. Talentierte Knüpfer, die in der Lage sind, Knüpfeinstellungen ab 80 Knots aufwärts zu fertigen, lassen sich ihre Arbeit sehr gut bezahlen. Auch liefern sie ihre Arbeiten meist termingerecht ab. Das ist bei Knüpfern der unteren und mittleren Qualitäten zum Leidwesen der Importeure häufig nicht der Fall. Wird die georderte Ware deutlich später oder gar nicht geliefert, sorgt das natürlich im Handel für Ärger mit den Endverbrauchern. Derzeit profitieren die Anbieter, die über ein Lager verfügen. Wer vor allem vom Vorordergeschäft lebt, hat immense Probleme und überlegt ernsthaft, die Produktion in andere Länder zu verlegen.

Ware mit hohem Wollanteil ist wegen der Wollpreisentwicklung um rund 30% teurer geworden, feine und damit Knüpfungen mit niedrigerem Flor (auch mit Seidenanteil) dafür nur um ca. 10-15%.

Pakistan / Afghanistan

Die Nachfrage nach Ware aus den beiden südasiatischen Staaten ist in den letzten 12 Monaten deutlich gestiegen. Allerdings kommt die Produktion nicht hinterher, da in den vergangenen Jahren Kapazitäten abgebaut wurden. Zusätzlich hat die Flut in Pakistan die Knüpfstühle sowie wollverarbeitende Betriebe deutlich reduziert. Inflation und der Zwang zu höheren Löhnen gehen auch hier Hand in Hand. Die Bereitschaft in diesem Bereich (wieder) arbeiten zu wollen, scheint ausgeprägter als in anderen Ursprungsländern. An der Problematik gestiegener Rohmaterialpreise kommt allerdings auch hier niemand vorbei.
aus Carpet Magazin 03/11 (Teppiche)