Neiriz, Non European Art, Berlin
Leidenschaft für besondere Teppiche
Hamid Sadighi, dessen Künstlername Neiriz der Galerie seinen Namen gibt, ist nicht in erster Linie Verkäufer. Er ist Künstler, Fotograf, Archäologe und vor allem Fachmann für asiatische, islamische und prä-kolumbianische antike Textilien und Kunst. "Non European Art" eben. Moderne Teppiche gibt es in diesem Ladengeschäft in unmittelbarer Nähe zum Berliner Kurfürstendamm ebenso wenig wie Exponate, die ihm selbst nicht gefallen oder die er nicht für sammelwürdig hält. Er gönnt den Mitbewerbern den Erfolg, den sie mit moderner Ware haben. Würde der Schöngeist es ihnen gleich tun, "wäre das nicht authentisch." Wer Sadighi kennenlernt, spürt diese Authentizität, diese Leidenschaft für das Besondere. Mittelmäßigkeit ist ihm ein Gräuel.
Und so gibt es hier unter anderem Gaschgai-Kelims mit Schachbrettmuster, mit fantastisch leuchtenden Farben oder - extrem selten - in Schwarz. Das Teppichsortiment besteht ausserdem aus unzähligen Kelims und Jajims, Stücken von den Bachtiaren, aus dem anatolischen Karapinalgebiet oder Uzbekistan. Er hat ausserdem ungefähr 200 frühe Gabbeh aus dem 18. und 19. Jahrhundert. Sie sind mit ihren frischen, lebendigen Farben zum Teil so außergewöhnlich gut erhalten, dass sie für Neuware gehalten werden könnten.
Antike Teppiche und Kelims bildet allerdings nur eine von acht Themenwelten bei Neiriz, immerhin ca. 30% werden hierdurch zum Umsatz beigesteuert. Der Großteil wird generiert durch den Verkauf japanischer Farbholzschnitte, islamische, buddhistische, afrikanische und ozeanische Kunst, archäologische Funde aus China, Persien und Alt-Amerika und chinesischer Möbel. Viele Exponate sind mehrere hundert, manche auch mehrere tausend Jahre alt. Besonders erwähnenswert ist ein äußerst seltenes prä-kolumbianisches Grabtuch aus dem 6. Jahrhundert.
Die 28 m lange Schaufensterfront der Galerie regelmäßig zu putzen,bedeutet eine Menge Aufwand. Diese Mühe macht sich jedoch bezahlt, denn durch die Auslagen werden die Kunden ins Geschäft gelockt. Hamid Sadighi beherrscht die Kunst, seine Ware so zu präsentieren, dass Neugierde und Entdeckergeist geweckt und die Sinne angesprochen werden. Das mag auch an der Farbgestaltung der einzelnen Schaufenster liegen, denn seine sechs Fenster sind in drei Haupt- und drei Komplementärfarben gehalten. Der Betrachter erkennt auf einen Blick die Kleinode und Raritäten dieses Geschäfts.
Laufkundschaft wird magisch angezogen, das Geschäft in der Nähe des Kurfürstendamms zu betreten. Gewiss: Bis vor zwei Jahren waren es deutlich mehr, nahezu 100 Besucher am Tag. Doch da war die Galerie noch im Haus Cumberland, also direkt auf dem Kudamm. Der bekannten Flaniermeile hatte die Galerie im Laufe der Jahrzehnte stets die Treue gehalten, mehrfach zog die Galerie um - doch beim letzten Mal fanden sich einfach keine adäquaten Räumlichkeiten. Das 1.200 m große Ladengeschäft auf dem Kudamm tauschten Sadighi und seine drei Mitarbeiter gegen 250 m in der Knesebeckstraße. Die Reduktion war eine echte Herausforderung für die Gestaltung der Verkaufsfläche. Eine geschickt umgesetzte Raumaufteilung und die Deckenhöhe von 4,20 m lassen die Fläche deutlich großzügiger erscheinen. Aus einem einzigen großen Raum wurden zehn kleine Räume abgetrennt, die alle mit perfekt in Szene gesetzten Teppichen und Kunstgegenständen dekoriert sind. Letztlich kommt es eben nicht auf die allgemeine Größe an, sondern darauf, was und wie präsentiert wird.
Gezielt wird das Ladengeschäft vor allem von Stammkunden und Sammlern angesteuert, von Menschen, die auf der Suche nach einem besonderen Teppich sind. Oder sie werden zu den vierteljährlichen Galerie-Ausstellungen eingeladen, die Titel wie "Neue Funde", "Frühe anatolische Kelims" oder "Antike chinesische Möbel" trugen.
Im Iran kauft Sadighi übrigens schon seit zehn Jahren nicht mehr ein, zu viele Fälschungen würden dort angeboten, "auch auf den Bazaren". Dabei war er über Jahrzehnte im Land unterwegs, "mindestens die Hälfte des Jahres", und kaufte dort vor allem antike nomadische Teppiche und Flachgewebe und andere gewebte Produkte. Bevor 1978 die Liebe für Kelims entflammte, sammelte Sadighi mit großer Begeisterung frühislamische Keramik. 1980 gründete er zusammen mit Karin und Robin Hawkes die Galerie Neiriz. Während Hawkes in Berlin die Stellung hielten, reiste Sadighi umher und sorgte für Nachschub.
Zwar sind die Reisen heute weniger geworden und neue Exponate werden vor allem von Sammlern und auf Messen und Konferenzen wie der ICOC eingekauft, doch nach wie vor brennt Sadighis Leidenschaft für "Non European Art " heiß und sein Feuer überträgt sich auf die Kunden.
aus
Carpet Magazin 03/11
(Handel)