Fachinformation: Feine persische Manufakturteppiche

Geknüpfte Handwerkskunst

In der vorigen Ausgabe von Carpet XL haben wir Ihnen einen Einblick in die Faszination der ursprünglichen Nomaden- und Bauernteppiche des Iran gegeben. Mit dieser Fachinformation möchten wir Ihnen eine weitere, für den Einzelhandel sehr margenträchtige persische Teppichgruppe näher bringen: die feinen Manufakturteppiche, insbesondere Täbris, Isfahan, Nain und Ghoum.

Die feinen Manufakturteppiche des Iran sind für viele Konsumenten das Sinnbild des Orientteppichs: Fein gemustert und aus hochwertigsten Materialien in einer hohen Knotendichte geknüpft - bis zu über einer Million Knoten pro Quadratmeter. Die bedeutenden Provenienzen, allen voran Täbris, Isfahan, Nain und Ghoum sind vielen interessierten Laien ein Begriff. Aber auch in anderen Städten des Iran werden Manufakturteppiche mit herausragender Qualität geknüpft, zum Beispiel in Keschan, Mesched, Ilam oder Kirman mit der Unterprovenienz Raver.

Was sind Manufakturteppiche?

Der Begriff des Manufakturteppichs hat sich im Sprachgebrauch der Branche etabliert. Er steht für Stücke, die bei Produzenten in Auftrag gegeben wurden - im Gegensatz zu den Eigenbedarfsknüpfungen der Nomaden und Landbevölkerung. Diese Auftragsarbeiten werden arbeitsteilig gefertigt. Es gibt einen Designer, der die Muster entwirft und diese für die Knüpfvorlagen umsetzt. Er hat meist Teppichdesign studiert und ist mit den provenienztypischen Dessinierungen bestens vertraut. Die Rohware - feine Wolle oder Seide - wird von Spezialisten versponnen und gefärbt und später von hauptberuflichen Knüpfern verarbeitet. Da die Knüpfer aber nicht gemeinsam in einem großen Produktionsbetrieb sondern dezentral arbeiten, handelt es sich bei diesen Teppichen nicht um eine Manufakturarbeit im wörtlichen Sinne. Ganz korrekt müsste man von städtischen Teppichen sprechen. In jedem Falle handelt es sich um ein Kunsthandwerk, das durch die gemeinsame Arbeit vieler talentierter Fachkräfte entsteht. Auch hier wird der Gegensatz zu den Nomaden- und Bauernteppichen deutlich: Diese werden in der Regel von ein und derselben Person entworfen, geknüpft und benutzt.

Einen ersten Höhepunkt erreichte dieses Kunsthandwerk in Persien im 16. Jahrhundert. Der als sehr kunstsinnig geltende Herrscher Schah Abbas aus der Dynastie der Safawiden holte die besten Künstler und Handwerker seines Reiches in der damaligen Hauptstadt Isfahan zusammen, wie zum Beispiel Architekten, Miniaturenmaler und eben Teppichknüpfer. Es entstand eine äußerst kreative Gemeinschaft, die bedeutende Bauwerke wie die Masjid-i-Shah-Moschee - die Königsmoschee - hervorbrachte und auch den höfischen Knüpfteppich in Persien maßgeblich beeinflusste. Ein Einfluss, der bis heute in den Mustern der feinen Manufakturteppiche zu sehen ist.

Dessinierung

Die typischen Muster der Provenienzen Täbris, Isfahan, Nain und Ghoum ähneln sich auf den ersten Blick stark. Sie sind alle sehr floral, die Innenfelder sind mit geschwungenen Ranken und Arabesken gefüllt und das Medaillon ähnelt dem Inneren einer Moscheekuppel. Geprägt wurde dieser Musterduktus von den bereits erwähnten höfischen Teppichen aus dem Isfahan des 16. Jahrhunderts. Trotz dieser noch immer bestehenden Einflüsse hat sich der iranische Manufakturteppich permanent weiter entwickelt. Die Designer der renommierten Hersteller waren schon immer offen für Neuerungen. Schon alleine die Tatsache, dass Auftragsarbeiten umgesetzt werden, hat eine Anpassung an den jeweiligen Zeitgeschmack zur Folge - schließlich will der Auftragsgeber die Teppiche meist weiterverkaufen. Besonders deutlich zeigen die eingesetzten Farben, wie schnell neue Trends umgesetzt werden. Als Beispiel sei hier die Provenienz Isfahan genannt. Noch vor 10 Jahren war der typische Isfahan kontrastreich mit einem großzügigen Einsatz von kräftigen Rot- und Blautönen gehalten. Die Teppiche wurden nach und nach dezenter gefärbt, zum Beispiel das Innenfeld fast nur noch in weichen Beigetönen. Die Verwendung von Rot und Blau nahm stark ab. Heute sind Isfahan häufig komplett in Beige- und hellen Brauntönen gehalten, mit einem Mittelblau nur noch für feine Details. Das ein Isfahan von 2011, genauso wie sein 10 oder 50 Jahre alter Verwandter trotzdem leicht als solcher zu erkennen ist, liegt an der Treue der Designer zu der provenienztypischen Mustersprache.

Signaturen

Leicht zuzuordnen - zumindest für Menschen, die die persische Schrift lesen können - sind die Teppiche der renommierten Hersteller aller Provenienzen anhand ihrer Signaturen. Sie sind entweder in die Bordüre oder die Kelimkante geknüpft und geben Aufschluss sowohl über den Designer oder Hersteller als auch oft über den Herstellungsort. Bei besonders wertvollen Stücken finden sich zum Teil sogar Siegel oder Plomben in die Signatur geknüpft. Häufig ist auch das Herstellungsjahr mit angegeben. Hier ist zu beachten, dass Jahreszahlen des iranischen Kalenders genannt sind. Er beginnt im Jahr der Flucht Mohammads aus Mekka, also 622 nach Christus. Zur angegebenen Jahreszahl muss also 622 addiert werden, um auf das Herstellungsjahr christlicher Zeitrechnung zu kommen. Ein Teppich, der 1387 als Jahreszahl trägt, wurde also 2009 hergestellt.

Teppiche mit einer Signatur gelten auch deshalb als besonders hochwertig, weil der Hersteller mit seinem Namen für die Qualität und die Gestaltung steht. Zu den berühmtesten Designern zählen Haghighi oder Seyrafian in Isfahan, Habibian in Nain, Jamshidi in Ghoum oder Faradji in Täbris.

Qualitätskriterien

Aber auch von feinen Manufakturteppichen, die keine Signatur tragen, kann der Kunde höchste Qualität erwarten. Ein Abrasch, so sehr er für das lebendige Erscheinungsbild eines Nomadenteppichs verantwortlich ist, stellt in einem Täbris oder Nain ein nicht zu akzeptierendes Manko dar. Die Symmetrie des Musters muss perfekt stimmen, ein Medaillon, das nicht exakt in der Mitte des Innenfeldes sitzt, macht einen Teppich schwer verkäuflich. Als Rohstoffe werden sehr feine, hochwertige Wollen - wie die sagenumwobene Korkwolle - und häufig auch Seide eingesetzt. Um den Begriff der Korkwolle ranken sich zahlreiche, meist sehr phantasievolle Geschichten, auf die wir an dieser Stelle nicht eingehen wollen. Sicher ist aber, dass mit Korkwolle immer eine besonders feine und weiche Wolle gemeint ist.

Die durchgehend hohen Ansprüche, die die allesamt sehr feinen Teppiche erfüllen müssen, haben natürlich ihren Preis. Die Knüpfdichten fangen bei einem 50 Radj Täbris bei gut 500.000 Knoten / m an und gehen bei Seiden-Ghoum bis zu 1,3Mio.Knoten / m. Die Produktion ist sehr zeit- und damit kapitalintensiv. Hohe Löhne müssen an erfahrene Knüpfer und studierte Designer gezahlt werden. Die Preissituation hat sich besonders in den letzten Jahren verschärft. Die galoppierende Inflation im Land zusammen mit den guten Verdienstmöglichkeiten in anderen Branchen haben die Preise für feine Knüpfteppiche überproportional ansteigen lassen. Ihr Übriges tut die hohe Nachfrage im Herstellerland selber.

Die Provenienzen

Für den europäischen Markt haben vor allem vier Provenienzen eine Bedeutung auf die wir hier näher eingehen wollen: Täbris im Nordwesten des Iran, Isfahan und Nain im Zentraliran und das gut 100km südlich von Teheran liegende Ghoum. Noch von gewisser Bedeutung hinsichtlich feiner Manufakturteppiche sind heute sonst noch Keschan, Kirman / Raver, Mesched und die aufstrebende Teppichprovenienz Ilam.
Täbris

Die größte Mustervielfalt im Vergleich zu den anderen drei Provenienzen hat sicherlich Täbris. Geknüpft werden hier mehrere typische Muster, Bilderteppiche sowie eine Vielzahl von Dessins die in kein Raster passen. Bei den floralen Täbris sind zwei Varianten besonders häufig: Zum Ersten das "Benam-Muster", das mit zentralem Medaillon versehen und in lieblichen Farben - mit viel Rosatönen - gehalten ist. Und zweitens das "Faradji-Muster", das ein florales Alloverdessin in hellen Beigetönen bezeichnet. Der Moscheekuppel-Täbris hat im gesamten Innenfeld das Abbild des Inneren einer Moscheekuppel. Ein gefragter Dauerbrenner ist der Mahi-Täbris. Sein Innenfeld wird von dem auch in Bidjar verbreiteten Herati- oder Mahi-to-hos-(Fische im Teich) Muster gebildet. Viele Mahi-Tabis ziert ein zentrales Medaillon, es sind aber auch durchgemusterte Stücke am Markt.

Die beliebten 50 Radj feinen Täbris werden mit Wolle auf einem Baumwollgrundgewebe geknüpft, Details können in Seide herausgearbeitet werden. Die Knüpfdichte wird in Täbris grundsätzlich in Radj angegeben. Angegeben werden dabei die Knoten in Schuss- und Kettrichtung je Gireh (ca. 7 cm). Ein 50 Radj-Täbris hat demnach ca. 510.000 Knoten / m. Ab 70 Radj (ca. eineMio.Knoten / m) wird auf einer Seidenkette gearbeitet, die feinsten Täbris erreichen 80 Radj (ca. 1,3Mio.Knoten / m).

Isfahan

Die Designer aus Isfahan gelten ebenfalls als ausserordentlich kreativ. Ein Muster ist aber besonders typisch für diese Provenienz: das von feinen Arabesken durchzogene sehr florale Innenfeld mit einem detailreich ausgearbeiteten Medaillon. Es gibt zudem unzählige Dessins, die in kein Schema passen. Ihnen allen gemein ist die enge Anlehnung an die Architektur und Ornamentik des safawidischen Isfahans. Vereinzelt kommen Bildteppiche auf den Markt.

Geknüpft wird in der Regel mit besonders feiner Wolle auf einer Seidenkette. Teppiche aus Isfahan zählen zu den feinsten Wollteppichen überhaupt und erreichen Dichten von über 1Mio.Knoten / m. Die Seidenkette unterscheidet sie zuverlässig von den ähnlich gemusterten Teppichen aus Nain, die auf Baumwolle geknüpft werden. Ein auffälliges Merkmal der Isfahan ist der sogenannte Cheft. Damit bezeichnet man eine farbige Markierung in der Kette bzw. der Kelimkante des Teppichs. Sie gibt Ausschluss über die Knüpfdichte, da die Anzahl der Kettfäden zwischen zwei Cheft festgelegt ist. Zu Beachten ist allerdings, dass es auch in Nain - wenn auch nur sehr selten und nur bei besonders feinen Stücken - die Cheft-Einteilung gibt.

Nain

Die Provenienz Nain ist der direkte Nachbar von Isfahan. So gering, wie die räumliche Entfernung sind auch die Unterschiede im Erscheinungsbild der Teppiche. Ein Nain ähnelt dem typischen Isfahan sehr stark, Verwechslungen sind bei ungeübtem Auge leicht möglich. Der Grund für die Ähnlichkeiten liegen in der Geschichte des Nain, die noch nicht einmal 100 Jahre alt ist; in alten Werken der Teppichliteratur wird Nain deshalb kaum erwähnt. Die Stadt war in der Historie für seine begabten Tuchmacher berühmt. Mit dem Siegeszug westlicher Kleidung im Iran brach die Nachfrage nach traditionellen Stoffen stark ein. Angespornt von dem Erfolg der Teppiche aus Isfahan wurden immer mehr - stark vom Vorbild inspirierte Muster - Teppiche in Nain geknüpft. Der Musterduktus ist noch heute sehr ähnlich. Nur in den Farben unterscheiden sich die beiden Provenienzen deutlicher. Der typische Nain hat ein helles Kolorit mit viel Beige und blauen Konturen. Spielformen sind Nain mit dunkelblauem, rotem oder grünem Fond.

Eine Eigenart, die es wirklich nur in Nain gibt, ist die Angabe der Knüpfdichte in Lah. Die Bezeichnung gibt an, aus wie viel Einzelfäden der Kettfaden verzwirnt ist. Dabei gilt, dass eine größere Zahl für einen groberen Teppich steht. Üblich sind die Einteilungen 12-Lah (auch Tabas- oder Kashmar-Nain), 9-Lah (no-lah), 6-Lah (schisch-lah) und 4-Lah (tschahar-lah). Zu den feinen Teppichen zählen die 6-Lah und die sehr seltenen 4-Lah Nain, die 9-Lah Nain sind gefragte Mittelklasseteppiche, die 12-Lah Nain decken Einstiegspreislagen ab. Geknüpft wird in Wolle auf Baumwolle. Musterdetails werden bei den feinen Stücken in Seide herausgearbeitet.

Ghoum

Die Teppiche aus Ghoum sind das Synonym für den iranischen Seidenteppich. Kamen in der Vergangenheit auch eine stattliche Zahl an Wollteppichen aus dieser Provenienz, sind es heute nur noch Teppiche, die aus 100% Seide bestehen. Der Flor ist für einen Seidenteppich sehr dick und dicht, was für einen sehr angenehmen, "fleischigen" Griff sorgt. Grund dafür sind der üppige Materialeinsatz und die sehr hochwertige Seide. Die Qualität der Ghoum-Teppiche ist herausragend und gehört zum Besten und Hochpreisigsten, was derzeit im Iran geknüpft wird.

Ebenso wie Nain, ist auch Ghoum eine verhältnismäßig junge Teppichprovenienz. Geknüpft wird hier erst seit den 1920er / 1930er Jahren. Es konnte sich daher auch kein eigener Stil entwickeln. Besonders häufig geknüpft werden florale Medaillon-Teppiche, Jagdteppiche und Feldermuster. Die Kolorierung ist meistens sehr intensiv und kontrastreich, was durch den edlen Glanz der Seide noch verstärkt wird. Auf Grund der hohen Quadratmeterpreise kommen vor allem kleine Formate auf den Markt.

Bedeutung für den Einzelhandel

Die iranischen Manufakturteppiche fallen klar in das oberste Preissegment der klassisch gemusterten Knüpfteppiche. Die permanent steigenden Beschaffungs- und damit verbundenen Verkaufspreise machen die Produktgruppe sehr beratungsintensiv. Dafür bieten diese Teppiche dem Handel eine gute Möglichkeit, sich von seinem Wettbewerb abzuheben. Denn auch wenn sich eine ausgewogenen Preisstruktur durch das Sortiment des gut sortierten Teppichhandels ziehen sollte, bietet heute kaum eine Einzelhandelsform eine gute Auswahl wirklich hochwertiger Orientteppiche. Dabei können Täbris, Isfahan, Nain, Ghoum und Co. für hohe Deckungsbeiträge sorgen.
aus Carpet Magazin 03/11 (Teppiche)