Wer CE sagt, muss in Deutschland auch abZ und Ü sagen

Erst gab es erhebliche Unwissenheit in der Branche über die Notwendigkeit der allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassung (abZ) von textilen, elastischen und Laminatböden in Deutschland. Jetzt hat die Europäische Kommission gegen eben diese zusätzliche Zertifizierung geklagt. Und hierzulande regt sich inzwischen ebenfalls erheblicher Unmut über Zulassungs- und Überwachungsverfahren deutscher Behörden. Auf den folgenden Seiten erklärt BTH Heimtex die rechtlichen Rahmenbedingungen, lässt Betroffene wie Markus Dünkelmann, Geschäftsführender Gesellschafter bei Project Floors, in einem Leserbrief sowie Experten zu Wort kommen und zeigt in einer Tabelle, welche Kollektionen aus dem Designbelags-Spezial in der BTH Heimtex Ausgabe 5/2011 über die allgemeine bauaufsichtliche Zulassung sowie das Übereinstimmungszeichen (Ü-Zeichen) verfügen.

Das CE-Kennzeichen ziert bereits seit Jahren die Verpackungen von Verbraucherprodukten in der EU - natürlich auch bei Bodenbelägen. Mit der Kennzeichnungspflicht soll sichergestellt werden, dass die in Europa in den Verkehr gebrachten Produkte für die Verbraucher keine Gefahr darstellen. Ein geregeltes Produkt darf in der EU nur mit diesem Kennzeichen vertrieben werden. Mit ihm erklärt der Hersteller (oder bei außerhalb der EU ansässigen Produzenten auch deren Bevollmächtigte oder Importeure), dass sein Produkt mit den Anforderungen der durch die Produktgruppe jeweils betroffenen EU-Richtlinien übereinstimmt und die darin festgelegten wesentlichen Anforderungen eingehalten werden. Im Falle von textilen, elastischen und Laminatböden ist die DIN EN 14041 maßgeblich.

Soweit der Bodenbelag in einem Aufenthaltsraum verlegt werden soll, bedarf es für den deutschen Markt neben der generell erforderlichen CE-Kennzeichnung seit Mitte 2010 noch einer allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassung (abZ). Unter dem Begriff Aufenthaltsraum im Sinne der Bauregelliste sind Räume zu verstehen, die dem auch nur vorübergehenden Aufenthalt von Menschen dienen; unabhängig davon, ob er privat oder gewerblich genutzt wird.

Die Zulassungspflicht für textile und elastische sowie Laminatbodenbeläge ergibt sich nach Aussage des Deutschen Instituts für Bautechnik (DIBt) in Berlin aus der von ihm herausgegebenen Bauregelliste (Bauregelliste B Teil 1, lfd. Nr. 1.18.1) in Verbindung mit der jeweiligen Landesbauordnung. Wesentliche Voraussetzungen für eine abZ sind, dass die Bodenbeläge keine Schadstoffe enthalten und keine gesundheitsgefährdenden Komponenten freisetzen. Wie auch bei der CE-Kennzeichnung ist der Leitgedanke der bauaufsichtlichen Zulassung der Schutz der Nutzer.

Auch nach ihrer Markteinführung müssen Bodenbeläge durch eine externe und unabhängige Prüf-, Überwachungs- und Zertifizierungsstelle in regelmäßigen Abständen auf die Einhaltung der Anforderungen überprüft werden. Dies wird dadurch sichergestellt, dass der Hersteller des Bodenbelages mit der Prüf-, Überwachungs- und Zertifizierungsstelle einen Überwachungsvertrag schließen muss.

Erst wenn diese Voraussetzungen erfüllt sind, erhält der Hersteller die Berechtigung, das Übereinstimmungszeichen "Ü" an dem Produkt, der Verpackung oder einem Begleitdokument anzubringen. Neben der individuellen Nummer der bauaufsichtlichen Zulassung weist es auch den Hersteller und den Herstellungsort sowie die Bezeichnung der Prüf-, Überwachungs- und Zertifizierungsstelle aus.

Ohne Kennzeichnung drohen rechtliche Folgen

Bei Nichteinhaltung der Kennzeichnungspflicht drohen zivilrechtliche, ordnungsrechtliche und strafrechtliche Konsequenzen - und zwar sowohl dem Hersteller als auch dem Handel und dem verarbeitenden Handwerker.

Zivilrechtliche Konsequenzen: Soweit bei Bodenbelägen mit Kennzeichnungspflicht CE nach EN 14041 (textile, elastische und Laminatbodenbeläge) oder Ü bei Verwendung in Deutschland in Aufenthaltsräumen die Kennzeichnung oder/und die Konformität fehlen, darf dieses Produkt zwar vertrieben, jedoch nicht verwendet werden. Das bedeutet, dass der jeweils gelieferte Bodenbelag spätestens dann mit einem Mangel behaftet ist, wenn er an den Letztverwender übergeben wird. Das ist wiederum mit den entsprechenden zivilrechtlichen Haftungsfolgen verbunden. Von Bedeutung kann das Fehlen der Kennzeichnung aber auch bereits zu einem früheren Zeitpunkt sein.

Ist ein Bodenbelag zwar ordnungsgemäß gekennzeichnet, erfüllt er jedoch nicht die entsprechenden Anforderungen, dürfte dies in erster Linie für den Hersteller problematisch sein, soweit es sich bei der beanstandeten Ware nicht um einen Ausreißer handelt, bei dem es trotz entsprechender Sicherungsmaßnahmen zu spezifischen Abweichungen gekommen ist.

Fehlt hingegen die CE- bzw. die Ü-Kennzeichnung zum Zeitpunkt des Inverkehrbringens, können auch Groß- und Einzelhändler sowie Bodenleger haften.

Ordnungsrechtliche Konsequenzen: In dem Fall, dass ein zu kennzeichnendes Produkt ohne Kennzeichnung in den Verkehr gebracht wurde, kann im Wege einer aufsichtsbehördlichen Verfügung angeordnet werden, dass das Produkt aus dem Markt genommen wird. Ebenso kann der Verstoß gegen die jeweilige Landesbauordnung unter bestimmten Voraussetzungen mit einem Bußgeld geahndet werden.

Strafrechtliche Konsequenzen: Möglich ist auch die Erfüllung von Straftatbeständen, wenn zum Beispiel ein Bodenbelag in ein Objekt geliefert wird, in dem später bei einem Brand Personen zu Schaden kommen. Ergeben anschließend brandermittlungstechnische Untersuchungen, dass der Bodenbelag die rasche Ausbreitung des Feuers begünstigt hat und erfüllt dieser aufgrund fahrlässigen Verhaltens nicht die Anforderungen der Richtlinie in Bezug auf die Brandverhaltensklasse, sind gegebenenfalls die Straftatbestände der fahrlässigen Körperverletzung beziehungsweise fahrlässigen Tötung erfüllt.


Europäische Kommission fordert Änderung bei Ü-Zeichen


Aktuell fordert die EU-Kommission Deutschland auf, Handelshemmnisse für Bauprodukte zu beseitigen und einen freien Warenverkehr zu gewährleisten. Hier die Pressemitteilung vom 16. Juni 2011 auszugsweise im Wortlaut:

"Die Europäische Kommission hat Deutschland aufgefordert, seine für Bauprodukte geltenden Vorschriften und Verfahren (konkret: die Bauregellisten) zu ändern, mit denen derzeit Zusatzanforderungen an Produkte aufgestellt werden, die von harmonisierten europäischen Normen erfasst sind und eine CE-Kennzeichnung tragen. Solche Zusatzanforderungen verstoßen gegen die Vorschriften des europäischen Binnenmarktes.

Diese Aufforderung durch die Kommission erging in Form einer erneuten mit Gründen versehenen Stellungnahme im Rahmen eines Vertragsverletzungsverfahrens und bezweckt die Erleichterung des freien Warenverkehrs für Bauprodukte im EU-Binnenmarkt.

Die deutschen Behörden verlangen häufig für Bauprodukte, die aufgrund der CE-Kennzeichnung nachweislich bereits alle geltenden Anforderungen erfüllen, noch eine Vorabgenehmigung und weitere Zusatzzertifizierungen, wie z. B. das deutsche Ü-Zeichen. Dies führt dazu, dass aus anderen Mitgliedstaaten stammenden Bauprodukten mit CE-Kennzeichnung häufig der Zugang zum deutschen Markt verwehrt wird. Zudem werden die betreffenden deutschen Vorschriften zu selten aktualisiert, als dass sie den Herstellern hinreichende Rechtssicherheit in Bezug auf die für Bauprodukte geltenden Anforderungen bieten könnten." (Quelle: www.europa.eu/press_room)


Handel und Handwerk müssen abZ verlangen


Leserbrief von Markus Dünkelmann, Geschäftsführender Gesellschafter Project Floors

Zunächst möchte ich Ihnen mitteilen, dass ich die Berichterstattung zum Thema Designbeläge (BTH Heimtex, Ausgabe 5/2011, Seiten 27-75) insgesamt gelungen, informativ und gut gestaltet finde. Mit Bedauern und Verwunderung habe ich allerdings zur Kenntnis nehmen müssen, dass ein entsprechender Hinweis zur abZ (allgemeine bauaufsichtliche Zulassung) fehlt. Diese ist bereits seit dem Jahr 2010 zwingend notwendig, wenn Bodenbeläge verbaut werden. Das entsprechende Zertifikat erteilt das DIBt (Deutsches Institut für Bautechnik). In sämtlichen Medien wird über Nachhaltigkeit und Umweltschutz gesprochen und geschrieben, teilweise in einem fast inflationären Ausmaß. Ich bin sicher, dass die Verarbeiter und Händler der deutschen Bodenbelagsbranche wissen möchten, welche Bodenbeläge über die notwendigen Zulassungen verfügen und welche nicht. In Ihrem tabellarischen Überblick der Belagsanbieter sind 24 Unternehmen genannt, von denen 12 (also die Hälfte) zum Zeitpunkt der Veröffentlichung nicht über die oben genannte, zwingend notwendige Zulassung verfügen. Einige weitere Hersteller/Anbieter haben das Zertifikat nur für einen Teil ihres Produktportfolios. Eine tagesaktuelle Übersicht kann man sich unter www.dibt.de in der Rubrik "Service" verschaffen.

Warum schreibe ich diesen Leserbrief? Weil es mich ärgert, dass diese Anbieter auch noch eine Plattform geboten bekommen, um ihre Produkte einer breiten Öffentlichkeit zu präsentieren. In der Regel sind es auch diese Unternehmen, die offenbar völlig orientierungslos und ohne wirkliches Konzept ihre Beläge zu Preisen anbieten, die bei mir die Assoziation "Resterampe" wecken. Das ist natürlich nicht gut für mein Unternehmen, aber ganz sicher auch nicht gut für unsere Branche.

Ich möchte an Handel und Handwerk appellieren: Schützen Sie sich selbst und verlangen Sie von Ihrem Lieferanten das Zertifikat der abZ - schriftlich -, denn alles andere ("beantragt") zählt vor Gericht nicht. Markus Dünkelmann

BTH Heimtex ist dieser Bitte nachgekommen: Eine Übersicht zeigt, welche Designbelags-Kollektionen über die abZ sowie das Ü-Zeichen verfügen. Aus dieser ergibt sich, dass von den 24 befragten Anbietern, lediglich 9 sowohl über die abZ als auch das Ü-Zeichen für alle ihre LVT-Kollektionen verfügen. 4 weitere Unternehmen können lediglich für eine ihrer Kollektionen beide Zertifikate nicht vorweisen. Nach Angaben der Firmen werden ihre Anträge auf abZ momentan noch vom DIBt bearbeitet. Mit diesem Zustand haben weitere 7 Anbieter von Designbelägen zu kämpfen. Die Bearbeitung der Anträge für alle ihre Kollektionen zieht sich teilweise bereits über länger als ein Jahr hin. Die übrigen Anbieter machten keine Angaben.


In der Branche droht der Aufstand der Redlichen


Kommentar von VDHI-Geschäftsführer Martin Auerbach

Die Idee, die Sicherheit für die Nutzer von Bodenbelägen nach DIN EN 14041 (elastische, textile und Laminatbodenbeläge) dadurch zu erhöhen, dass im Rahmen einer bauaufsichtlichen Zulassung Emissionsprüfungen durchgeführt werden müssen, ist an sich nachvollziehbar und sinnvoll. Das Zulassungsverfahren beim Deutschen Institut für Bautechnik (DIBt) in Berlin und die erforderlichen Produktüberwachungen durch ein zugelassenes Institut sind jedoch mit hohen Kosten und Personalaufwand verbunden.

Es verwundert nicht, dass diejenigen Unternehmen, die die Tortur (und nur so kann man ein Zulassungsverfahren bezeichnen, das mit einer durchschnittlichen Verfahrensdauer von über einem Jahr zu Buche schlägt) auf sich nehmen und die damit verbundenen Qualen über sich ergehen lassen, auch ein enormes Interesse daran haben, dass sich alle Marktteilnehmer an die gesetzlichen Vorgaben halten.

Allerdings enttäuscht das System auch hier, denn offensichtlich trauen die zuständigen Behörden sich selbst nicht über den Weg. In einem konkreten Fall, in dem in einem Objekt textiler Bodenbelag aus dem nichteuropäischen Ausland verarbeitet worden war, der weder das CE-Kennzeichen trug, noch eine bauaufsichtliche Zulassung hatte, schieben sich seit Monaten das Bauordnungsamt (untere Bauaufsichtsbehörde) und das Ministerium (oberste Bauaufsichtsbehörde) fleißig den Ball hin und her - und dies ohne, dass dem vermeintlich baurechtswidrigen Zustand des Bauobjektes bis heute auch nur ansatzweise abgeholfen worden wäre.

Die vom deutschen Bürokratismus geplagte, qualitätsorientierte, deutsche Bodenbelagsindustrie hat sich lange geärgert, aber nicht in der Lage gesehen, gegen die vielen Fußangeln, Unsinnigkeiten und Undurchsichtigkeiten vorzugehen.

Das könnte sich nun zu ändern, denn es scheint großes Interesse an der Bildung einer breiten produktübergreifenden Arbeitsgruppe zu bestehen, die hinter die bauaufsichtliche Zulassung ein großes Fragezeichen stellen könnte. Dabei wäre die Stoßrichtung wohl eine andere als beim aktuellen Verletzungsverfahren der EU gegen die Bundesrepublik Deutschland, bei dem die Einschränkung eines freien Warenverkehrs innerhalb der EU im Fokus steht. Der Frust sitzt jedenfalls so tief, dass nun mit heftiger Gegenwehr aus der Branche zu rechnen ist.
aus BTH Heimtex 09/11 (Bodenbeläge)