Baumärkte setzen auf Kundennähe
Kleinflächen im Aufwind
Während die Flächen im Möbelhandel derzeit gar nicht groß genug sein können, scheint unter den deutschen Baumärkten ein genau gegensätzlicher Trend zu herrschen: Mit kleinen Märkten, gerne auch in Innenstädten oder in der Nähe von Wohngebieten, will man die Kundschaft locken.Unter Deutschlands Baumarktketten galt in den letzten Jahren: je größer, je besser. Aber mit den Großflächen scheint man nun endgültig am Limit angelangt; und sei es nur, weil es immer schwieriger wird, passende Standorte zu finden. Nüchterne Zahlen sprechen gegen ein "weiter so" auf diesem Weg; die KHK Beratung, spezialisiert auf das Consulting im Baumarktsegment, hat sie zusammengetragen. Danach gibt es Überkapazitäten bei den Verkaufsflächen von bis zu 40 %, je nach Region und vor allem in Ballungsräumen. Gleichzeitig nimmt die Bevölkerung in Deutschland stetig ab. Und die schrumpfende Kundschaft hat auch auch noch immer weniger im Portemonnaie, weil das Pro-Kopf-Einkommen seit 1991 real um 5 % gesunken ist.
Ohnehin verändert sich die Kundschaft. Zum einen wird sie immer älter und ist dann nicht mehr so mobil. Zum anderen legt sie zunehmend Wert auf Kriterien jenseits vom Preis. So sind weite Wege auf die grüne Wiese out, Nahversorgung steht stattdessen hoch im Kurs - nicht nur aus ökologischen Gründen, sondern weil man einfach besseres mit seiner Zeit anzufangen weiß, als sie im Auto auf der Fahrt zum 15 km entfernten Obi zu verbringen, um eine Handvoll Schrauben zu kaufen. Auch dass der Verbraucher sich viele Produkte inzwischen per Mausklick nach Hause liefern lassen kann, erhöht den Druck auf den stationären Baumarkt, wieder näher an seine Kunden heranzurücken - und das ist in diesem Fall sogar wörtlich gemeint.
In der Zeitschrift Baumarktmanager wurde daher schon die Rückkehr des Tante-Emma-Ladens ausgerufen. Denn die neuen Märkte bieten ihrer Kundschaft nicht nur ein Basissortiment an Heimwerkerartikeln, sondern setzen auch auf Freundlichkeit, Kundennähe, Service, Dienstleistung und Beratung, wie man sie vom klassischen Einzelhändler an der Ecke erwartet.
Nach Erhebungen des Baumarktmanagers sind derzeit unter anderem die Raiffeisengenossenschaften (Raiffeisenmärkte), die Baywa, EMV-Profi (Profi, Hobbyland), die Krämer-Gruppe, die NBB (Bauspezi) und die Zeus (Hagebau Kompaktmärkte, JRB Heimwerkermärkte, Werkmärkte) mit Kleinflächen aktiv und erfolgreich. 2.500 Märkte mit Verkaufsflächen zwischen 500 und 1.000m
2 wurden gezählt. Die Großen der Branche halten sich derzeit noch weitgehend zurück. Teilweise sicher auch, weil sie in der Vergangenheit schlechte Erfahrungen gemacht haben.
So stellte Max Bahr 2009 seinen "Max - der kleine Baumarkt" in Berlin wieder ein. Angespornt durch ähnliche Konzepte aus den europäischen Nachbarstaaten hatte die Praktiker-Tochter vier Jahre lang unter dem Motto "Max spart Geld und lange Wege" auf einen Erfolg hingearbeitet. Vergeblich. Offenbar reichte es nicht, das Sortiment von 60.000 auf 4.500 Artikel zu reduzieren und mit günstigen Preisen zu werben. Der Tagesspiegel berichtete damals, dass in den etablierten Fachgeschäften in der Umgebung ein bis zu dreimal größeres Sortiment bereit gehalten werde. Die waren nicht so aufgeräumt wie der kleine Max, hatten aber einen besseren Draht zur Stammkundschaft, die ihnen dann auch treu blieb.
Dennoch, die steigende Zahl kleiner Standorte deutet an, dass die Zeit jetzt wohl reif ist für den Baumarkt an der Ecke. Das werden schließlich auch Obi, Hornbach, Praktiker & Co. merken und ihr Engagement in diesem Bereich forcieren.
Thomas Pfnorr
aus
BTH Heimtex 10/11
(Handel)