Neuromarketing: Raffiniertes Spiel mit Emotionen
Kauflust erzeugen und Zielgruppen binden
Neuromarketing heißt der Fachbegriff, mit dem moderne Werbestrategen Produkte an den Verbraucher bringen wollen. Dahinter steckt das clevere Spiel mit unbewussten, menschlichen Emotionen. Das ist keine Manipulation, sondern eine Umsetzung der wissenschaftlichen Erkenntnis, dass Menschen, stärker als sie selbst ahnen, von Gefühlen geleitet werden. Auch Fußbodenhersteller bedienen sich dieser Methoden. Das ParkettMagazin hat bedeutende Produzenten eingeladen, ihre Strategien kurz zu erläutern.Marketing fängt früh an, nämlich dort, wo ein Hersteller den Markt erkundet, bevor er ein neues Produkt herausbringt oder sich mit einer gängigen Ware in den Wettbewerb wirft. Eine entscheidende Aufgabe kommt dem Produktmanagement zu. Vom Design über die Verpackung bis zum Zielgruppen gerechten Preis muss das Produkt in all seinen Aspekten so gestaltet sein, dass mit einer guten Akzeptanz im Markt gerechnet werden kann.
Was der Endkunde nicht benötigt, braucht man nicht zu produzieren. Dieser Grundsatz klingt gut, aber er stimmt nur bedingt. Werbung und Marketing können mehr, als ein Produkt auf dem Weg in die Öffentlichkeit zu begleiten und zu stützen. Sie können beim Verbraucher ein Bedürfnis wecken. Das geht nur über die Sinne. Mit der praktischen Ansage "Du brauchst einen Belag, der 5 mm Nutzschichtdicke hat" lässt sich ein Wohnungseigentümer, der bisher nicht an einen neuen Boden gedacht hat, kaum von einer Renovierung überzeugen. Aber mit einem großflächigen Bild, das die Schönheit eines Raumes zeigt, oder mit einer großzügig verlegten Testfläche im Fachgeschäft werden Begehrlichkeiten geweckt. Da sind wir mittendrin im emotionalen Marketing.
In handwerklich gestützten Branchen, wie bei Holz- und Laminatfußböden, ist die Produktvermarktung über Gefühle ein vergleichsweise junger Ansatz. Andere Branchen dagegen spielten schon immer mit den Gefühlen der Menschen, sei es in der Waschmittelwerbung, wo der Hausfrau das Gefühl weißer Reinheit vermittelt wurde oder in der frühen Zigarettenwerbung, als es galt, die Sehnsucht des Mannes nach Freiheit und Abenteuer zu befriedigen.
Seine Bestätigung erhält emotionales Marketing aus der Gehirnforschung. Bevor ein Mensch ein bestimmtes Kaufprodukt wählt, hat das Gehirn bereits einen unbewussten Bewertungsprozess absolviert. Der größte Teil der Entscheidung ist längst gefallen. Wie groß dieser unbewusste Anteil ist, darüber streiten sich die Experten. Von 70 bis 95 % reichen die Angaben. In jedem Fall ist der Effekt so bedeutsam, dass erfolgreiche Produktvermarktung ohne emotionalen Charakter nicht auskommt.
Viele der angebotenen Produkte braucht man nicht zum Leben - und kauft sie trotzdem. Andere Produkte braucht man unbedingt, aber weil es verschiedene Angebote gibt, entscheiden letztlich Gefühle darüber, welches wählt. Einen Fußboden braucht der Konsument nur im Neubau. Hier dürfte sein Wunsch nach Atmosphäre, Schönheit, Status und Individualität den Ausschlag geben. Im Altbau existiert bereits ein Boden. Zur Renovierung kommt es nur, wenn dem Verbraucher das Gefühl vermittelt wird, ihn nicht mehr vorzeigen zu können.
Das eigene Heim ist die Visitenkarte seiner Bewohner. Soziale Aspekte spielen eine große Rolle. Damit hält die Fußbodenbranche einen starken Trumpf in der Hand. Und wenn dazu noch mythische Geschichten und der Bezug zu Mutter Natur kommen, dann ist der Kunde schon gewonnen. Genau diese beiden Faktoren sind es nämlich, die zum Beispiel den aktuellen Trend zu rustikalen, alt wirkenden Dielenoberflächen tragen.
Natürlich haben nicht alle Menschen die gleichen Wünsche. Welche Empfindungen ein Bild eine Geschichte oder ein Dekor auslöst, hängt von der Erziehung, den Lebensumständen und Erfahrungen ab. Das ist von Land zu Land unterschiedlich und variiert auch von Zielgruppe zu Zielgruppe. Ein Marketing, das kostengünstig bleiben und sich nicht verzetteln will, muss den größten gemeinsamen Nenner all seiner Kunden finden.
Wie der Preis Gefühle befriedigt und wie man ohne ihn auskommt!
Der Preis soll beim Parkettverkauf in den Hintergrund gedrängt werden. So lautet der Wunsch der Branche. Deshalb sollten emotionale Inhalte in der Produktpräsentation und im Verkaufsgespräch im Vordergrund stehen. Dabei wird oft übersehen, dass auch der Preis beim Konsumenten Gefühle aktiviert.
In jedem Menschen steckt ein Schnäppchenjäger. Auch das bestätigt die Gehirnforschung. Sparangebote und vermeintlich niedrige Preise stimulieren jenen Teil des Gehirns, der Glück und Zufriedenheit vermittelt. Der Grund liegt auf der Hand: Haben wir solch ein Angebot ergattert, fühlen wir uns als Gewinner. Das erzeugt ein gutes Gefühl. Auch die Preisgestaltung operiert daher mit emotionalen Mitteln. Und wir fallen denen zum Opfer. Unser logisches Denken setzt aus. Beispiele gibt es genug. Durchgestrichene und heruntergesetzte Preise wollen einen überaus günstigen "Deal" suggerieren. "Nimm 3, bezahl 2" ist ein typischer Slogan, der den Kunden dazu verführt, mehr zu kaufen, als er eigentlich braucht.
Soll der Handel sich diesem Diktat unterwerfen oder gibt es eine Alternative? Die Antwort liegt in der Erkenntnis, dass der Verbraucher sich zwar gern als Gewinner sieht, jedoch stärker noch eine Verlust-angst hegt. Mit anderen Worten: Er steckt mehr Energie in Gedanken und Aktionen, die ihn davor bewahren sollen, etwas zu verlieren. Ein guter Verkäufer weiß, darauf einzugehen und seinem Kunden zu vermitteln, dass jener beim Parkettkauf in diesem Geschäft keinen Fehler machen kann. Hier hat das Versprechen einer Garantie mehr Wirkung als ein Sparpreis, sagen Verkaufsexperten. Das Gefühl, den richtigen Anbieter gewählt und den richtigen Partner zu haben, der ehrlich und offen Vor- und Nachteile verschiedener Produkte erläutert, der sich in die Vorstellung und Wünsche des Verbrauchers einfühlen kann - das ist der Schlüssel zum Herzen des Kunden.
Eine derartige Vorgehensweise umschließt sowohl die emotionalen als auch die rationalen, logischen Verhaltensmuster beim Konsumenten. Voraussetzung ist, dass der Verkäufer sich interessiert mit seinem Kunden auseinandersetzt. Dann wird er als authentisch und ehrlich wahrgenommen. Das ist Gold wert in einer Zeit, die - vom Arztbesuch bis zum Supermarkt - von schneller Abfertigung gekennzeichnet ist.
aus
Parkett Magazin 05/11
(Handel)