Schadensfall aus der Praxis: Maßtoleranzen für Hochkantlamellen nicht eingehalten
Fugen an den Kopfseiten, wellenförmige Längsseiten
Im Rahmen des Umbaus eines Bankgebäudes Ende 2009 wurde in einer Teilfläche der Schalterhalle ein Hochkantlamellenparkett verlegt. In der Ausschreibung des Architekten war nur banal ausgeführt "Industrieparkett ca. 10 mm nach DIN 280/2 frei Baustelle liefern und nach DIN 18388 verlegen, schleifen und mit einer Öl/Wachs-Kombination versiegeln". Nach Auftragserteilung hat der Auftragnehmer Hochkantparkettlamellen in den Abmessungen 160 x 8 x 10 mm vollflächig im Bauvorhaben geklebt.
Noch vor Beginn des Schleifens rügten die Architekten erhebliche Passungenauigkeiten.
SchadensursacheIm Rahmen der Überprüfung vor Ort stellte der vom Architekten als Sachverständiger eingeschaltete Autor dieses Fachbeitrags fest, dass es im Bereich der Kopfstöße zwischen aneinander stoßenden Hochkantparkettlamellen deutliche Spalte gab und auch die Längsseiten der 160mm langen Hochkantparkettlamellen eine wellige Linienführung aufwiesen.
Überprüfungen durch Schnurschlag zeigten, dass es z.B. auf einer Messstrecke von ca. 8 m Abweichungen aus der Flucht der Kopfstöße bis zu 8mm gab. In diesen Kopfstoßbereichen wurden zudem vielfach Spalten bzw. regelrechte offene Löcher in Breiten bis 3,5mm festgestellt. Weitergehende Prüfungen ergaben, dass die Hochkantlamellen in solchen Bereichen schlicht und einfach zu kurz waren.
Daraufhin wurden noch im Bauvorhaben vorhandene nicht genutzte Verlegeeinheiten vermessen. Dabei zeigten sich Maßabweichungen, die deutlich über den in der DIN EN 14761 genannten Toleranzen von 0,2mm lagen. Bei mehreren Lamellen wurden die Toleranzmaße um bis zu 2mm überschritten.
Der Sachverständige konnte zudem nachvollziehen, dass die wellige Verlegung nicht im unmittelbaren Zusammenhang mit den Abmessungen der einzelnen Lamellen steht, sondern in verlegetechnischen Problemstellungen begründet ist. Man hat im Zuge der Verlegung vergeblich versucht, zu einer Seite hingehend die Lamellen dicht aneinanderzustoßen, was jedoch letztendlich aufgrund der großen Abweichungen der Abmessungen nicht gelang bzw. zu der welligen Verlegung führte.
Auffällig waren weiter auch vielfach an den Lamellenenden, d.h. in Längsrichtung deutliche, überwiegend konische Spalten/Öffnungen, teils bis zu 3mm. Überprüfungen der Breiten der Hochkantlamellen entsprechend den in der Norm angegebenen zulässigen Grenzabmaßen von 0,3mm zeigten bezogen auf die einzelnen Lamellen Abweichungen bis zu maximal 0,8mm.
SchadensbehebungUnter Berücksichtigung der relativ großen Grundrissfläche von ca. 350 m hat der Sachverständige zwecks Schadensminimierung empfohlen, Lamellen in den Bereichen auszuwechseln, in denen größere Spalten oder Löcher als 1mm festgestellt wurden.
Eine geradlinige Ausrichtung der Verlegeeinheiten war nicht möglich. Da die vom Sachverständigen hilfsweise hinzugezogenen Toleranzvorgaben nach DIN 18202 hinsichtlich der Fluchtabweichung nicht überschritten waren (diese beträgt bei einer 6 m langen Messstrecke 16 mm), die Welligkeit zudem nur dem genauen Betrachter auffiel und nach der Oberflächenbehandlung kaum noch erkennbar sein dürfte, ist nach Überzeugung des Sachverständigen das empfohlene Auswechseln einzelner Lamellen gerechtfertigt, eine vollflächige Erneuerung dagegen unverhältnismäßig.
Der Auftragnehmer hat daraufhin ca. 150 Einzellamellen, die kürzer oder schmaler waren, ausgetauscht, neu eingeklebt und dann die gesamte Fläche geschliffen, farbgleich gekittet und anschließend der gewünschten Öl-/Wachsbehandlung unterzogen.
Im Nachgang hat der Sachverständige Informationen erhalten, dass die Herstellerin bzw. der Großhändler zum einen die für das Auswechseln benötigten Hochkantlamellen (hier wurde eine große Menge angeliefert, die dann aussortiert wurde) kostenlos bereitgestellt und auch 50% der Lohnkosten übernommen habe.
FazitIn seinem Gutachten hat der Sachverständige zunächst festgestellt, dass die angelieferten und dann auch verlegten Hochkantlamellen hinsichtlich der Abmessungen nicht den Normanforderungen entsprachen. Aus diesem Grunde hätte der Auftragnehmer für Parkettarbeiten die Verlegung einstellen und das Material reklamieren müssen. Das genau machte er nicht, sondern setzte die Verlegung fort in der Hoffnung, die vielen Löcher und Spalten zukitten zu können. Versäumt hat der Auftragnehmer zudem, bei Abgabe der Ausschreibung mit einem Begleitschreiben darauf hinzuweisen, dass es zum einen seit Anfang 2006 die DIN EN 14761 "Holzfußböden - Massivparkett - Hochkantlamelle, Breitlamelle, Modulklotz" gibt und somit das Parkett genormt ist, und auch nicht klargestellt, dass die in der Ausschreibung genannte DIN 18388 nichts mit Parkett zu tun hat, sondern dass für die Parkettverlegung die DIN 18356 "Parkettarbeiten" gilt.
Der Autor
Fußboden-Gutachter Helmut Becker ist öbv. Sachverständiger für das Estrich- und Parkettlegerhandwerk sowie für Bodenbeläge.
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aus
Parkett Magazin 05/11
(Handwerk)