Heinz Schwarz, Sachverständiger

"Falsche" Einbaufeuchten oder "So wird die Mücke zum Elefanten"

Das Problem der Einbaufeuchte wird immer wieder Anlass für Streitereien zwischen Bauherren und Parkettlegern. Und allzu häufig werden Handwerker von Gutachtern durch Rückrechnungen auf die Einbaufeuchte zu "Sündenböcken" gemacht, obwohl Berechnungsmethoden zum Teil als fehlerhaft gelten und viele Unsicherheiten die Ergebnisse entsprechender Rückrechnungen in Frage stellen. Heinz Schwarz: Grundsätzlicher Fehler ist dabei, zulässige Maßtoleranzen unberücksichtigt zu lassen.

Im Herbst wurden in einem Objekt Dielen verlegt, verklebt auf Zementestrich. Die Eiche-Massivholzdielen mit Nut-Feder-Verbindung waren 21 mm dick, rundum gefast, mit einer angegebenen Breite von 140 mm, die Oberfläche geölt. Während der folgenden Heizperiode öffneten und vergrößerten sich dann Fugen zwischen den Dielen.

Bei einer anberaumten Ortsbesichtigung versuchte der Parkettleger dem Bauherren den Zusammenhang zwischen trockener Raumluft, Rücktrocknung des massiven Holzes und Fugenbildung zu erklären, allerdings vergeblich, denn der Bauherr vermutete als Ursache für die Fugenbildung eher zu hohe Feuchte beim Einbau der Dielen und bestand auf die Untersuchung des Falls durch einen Bausachverständigen, der beim Ortstermin diverse Strecken/Breiten am Dielenboden sowie mittels elektrischer Messungen Holzfeuchten am verlegten Boden ermittelte.

Im anschließenden Gutachten wird eine erhöhte Einbaufeuchte von 12,66 % als Schadensursache festgestellt, wie folgt errechnet:
- Messung der Strecke über 10 Dielenbreiten = 1.401 mm, geteilt durch 10 Dielen, ergibt ein durchschnittliches Dieleneinbaumaß von 140,1 mm.
- Summe der Messungen der 10 einzelnen Dielenbreiten = 1.381 mm, geteilt durch 10 Dielen ergibt eine durchschnittliche Dielenbreite zum Zeitpunkt der Ortsbesichtigung nachder Breitenänderung von 138,1 mm.
- Ursprüngliches Dieleneinbaumaß abzüglich durchschnittlicher Dielenbreite zum Zeitpunkt der Ortsbesichtigung ergibt eine durchschnittliche Breitenänderung pro Diele von 2 mm.
- Prozentuale Breitenänderung im Verhältnis zur ursprünglichen Dielenbreite: 1,42 %.
- Holzfeuchteänderung bei mittlerem differentiellen Schwindmaß von Eiche nach DIN 68100 (0,26% je 1 % Holzfeuchteänderung) 5,46 %; zuzüglich Holzfeuchte zum Zeitpunkt der Ortsbesichtigung: 7,2 %.
Errechnet: Holzfeuchte zum Zeitpunkt des Einbaues/Verlegung: 12,66 %.

Der Parkettleger ist sich sicher, die Einbaufeuchte seinerzeit mit ca. 9-10 % gemessen zu haben und kann sich das Ergebnis des Gutachtens nicht erklären. Ein nachfolgender Sachverständiger mit fachtechnischer Erfahrung kann die Berechnungen und Schlussfolgerungen einer erhöhten Einbaufeuchte widerlegen.

Eine angrenzende Fläche in diesem Objekt war mit Dielen der gleichen Charge verlegt worden, musste seinerzeit jedoch nochmals abgeschliffen werden. Nach dem Schleifen wurde der Boden (dann ohne Mikrofase) verkittet sowie geölt. An diesen Dielen waren durch den Fugenkitt die ursprünglichen Verlegetoleranzen praktisch "verewigt" worden und so der nur durch Rücktrocknung verursachte Fugenanteil erkennbar:
- Tatsächliche Rücktrocknung ca. 50%, ca. 1 mm
- Verlegetoleranzen (verkittet) ca. 50%, ca. 1 mm

Insofern war lediglich nur ungefähr die Hälfte der vom Vorgutachter ermittelten Breitenänderung rücktrocknungsbedingt.

Auf Basis einer Fertigungsbreite von ca. 139 mm ergibt sich nur eine trocknungsbedingte Breitenänderung von ca. 0,7 % und daraus eine Holzfeuchteänderung bei einem angenommen mittleren differentiellen Schwindmaß für Eiche von 0,26 % je 1 % Feuchteänderung von: ca. 3 % (ca. Hälfte des ursprünglich angenommenen Wertes) zuzüglich Holzfeuchte zum Zeitpunkt der Ortsbesichtigung von ca. 7 %.
Errechnet: Holzfeuchte zum Zeitpunkt des Einbaues/Verlegung: ca. 10 %.

Die Ergebnisse des zweiten Gutachters entlasten den Parkettleger.
- Die Holzfeuchte war zum Zeitpunkt der Verlegung nicht zu hoch.
- Eine Verlegetoleranz von ca. 1 mm ist bei der Verklebung von Massivholzdielen nach dem Stand der Technik nicht zu beanstanden.
- Fugenbreiten von ca. 2 mm sind bei sehr geringen Holzfeuchten nicht zu vermeiden und bei entsprechend breiten Massivdielen zu tolerieren.
- Der Bauherr ist für die Einhaltung des in der Pflegeanweisung aufgeführten Raumklimas verantwortlich.

Wie im vorliegenden Fall oder ähnlich werden Handwerker immer wieder von Gutachtern durch Rückrechnungen auf die Einbaufeuchte zu "Sündenböcken" gemacht, obwohl Berechnungsmethoden zum Teil fehlerhaft sind und vielfache Unsicherheiten die Ergebnisse entsprechender Rückrechnungen in Frage stellen.

Der mit Holzfußböden erfahrene Gutachter beurteilt entsprechende Fälle auf Grund seiner fachtechnischen Kenntnisse umfassend, denn
- er vermeidet praxisfremde bzw. falsche Annahmen bei Berechnungen
- er kann die Umstände des Schadens praxisgerecht einordnen und in der Regel plausibel nachvollziehen
- er verwendet Rückrechnungen auf die Einbaufeuchte lediglich orientierend zur "Verprobung" seiner Schlussfolgerungen und Ergebnisse, da er die vielfältigen Unsicherheiten von Rückrechnungen auf die Einbaufeuchte kennt.

Falsche Annahmen führen zu falschen Berechnungen


Der Hauptfehler bei Rückrechnungen auf die Einbaufeuchte liegt dabei in der Annahme einer Verlegung ohne Breiten- und Verlegetoleranzen. Während die Elementbreiten zum Zeitpunkt der Messungen grundsätzlich noch festzustellen sind, ist dieses für die tatsächlichen Ausgangs-elementbreiten in der Regel nicht mehr möglich. Hilfsweise wird dann die Strecke mehrerer verlegten Elemente am Boden ermittelt und durch die entsprechende Elementanzahl geteilt. Das Ergebnis ist die vermeintliche Ausgangselementbreite.

Da in diese Messstrecke jedoch zwangsläufig Breiten- und Verlegetoleranzen einfließen, entspricht die so ermittelte Breitendifferenz nicht der tatsächlichen Rücktrocknung. Dieser Fehler führt bei den Berechnungen in der Folge zu fehlerhaften, weil überhöhten Werten für die Einbaufeuchte.

In Gutachten wird oftmals mit Breitentoleranzen in der Größenordnung von Zehntelmillimetern gerechnet und argumentiert.

Eine angenommene Breitenänderung von nur 0,1 mm bewirkt bei Eiche mit einem angenommenes differentiellen Schwindmaß von 0,26 % bereits nachfolgende erhebliche rechnerische Holzfeuchteänderungen in %
- Massivholzdiele 140 mm breit -->0,3%
- Massivholzdiele 100 mm breit --> 0,4%
- Parkett 70 mm breit --> 0,6 %
- Parkett 50 mm breit --> 0,8 %
- Mosaikparkett --> 23 mm breit 1,7 %

Für die praxisgerechte Beurteilung von üblichen Breiten- und Verlegetoleranzen können Größenordnungen von Zehntelmillimetern nur bedingt herangezogen werden. So hat zum Beispiel ein normales Blatt Kopierpapier die Stärke von ca. 0,1 mm (500 Blatt/Pakethöhe = ca. 5 cm).

Eine Vergrößerung zeigt (im Bild oben) die Relation zur Kante eines versiegelten Holzpflasterklotzes (aus Holzpflasterboden nach der Verlegung ausgebaut). Es wird deutlich, dass entsprechende Messungen insbesondere auch an verlegten Holzfußböden ohne optische Hilfsmittel und technisch einwandfreie hochpräzise Messgeräte praktisch nicht sicher durchzuführen sind und Messergebnisse allein aus diesen Gründen ein erhebliches Fehlerrisiko beinhalten können.

Darüber hinaus gibt es eine Vielzahl von Risiken und Unsicherheiten bei Rückrechnungen auf die Einbaufeuchte. Diesbezüglich sind insbesondere anzuführen:

Plastische Verformungen des Holzes
Durch feuchtebedingte Aufquellungen können irreversible Stauchungen/Quetschungen des Holzes entstehen. Diese bleiben bei der Rücktrocknung des Holzes bestehen und ergeben so späterhin einen zusätzlichen Fugenanteil, der nicht einer klimabedingten Rücktrocknung zuzurechnen ist.

Toleranzen durch Vorquellung des Holzes
Die Wasseranteile eines Dispersionsklebstoffes bedingen ein Anquellen des Holzes unmittelbar nach dem Einlegen in das Klebstoffbett. Auch können die oftmals höheren Luftfeuchten während der Bauphase eine Aufquellung der Holzelemente bewirken, während der Klebstoff noch nicht vollständig "abgebunden" hat. Vorquellungen bilden sich zurück und bewirken zusätzliche Toleranzen, die nicht durch spätere Veränderungen des Raumklimas verursacht sind.

Toleranzen durch Feuchteausgleich im Holz
Insbesondere massive Holzfußbodenelemente weisen nach der Fertigung und vor dem Einbau noch trocknungsbedingte Holzfeuchteschwankungen auf. Beim Feuchteausgleich innerhalb eines Elements nach der Verlegung entstehen ebenfalls Toleranzen, die nicht durch spätere Veränderungen des Raumklimas verursacht sind.

Schwindungsbehinderungen des Holzes durch schubfeste Klebung
Die Werte der differentiellen Schwindmaße für Holz wurden für unbehinderte Schwindung ermittelt. Liegt eine schubfeste Verklebung vor, kann das Holz nicht frei arbeiten. In einem solchen Fall können die üblichen Werte von Schwindmaßen möglichen Berechnungen nicht undifferenziert zugrunde gelegt werden.

Breitendifferenzen bei Elementstößen
Liegen innerhalb der Messtrecke für die Ermittlung der Ausgangselementbreiten Elementstöße vor, z. B. auch bei Verlegung im engl. Verband, führen Breitentoleranzen von Elementen in diesen Bereichen nach o. a. Methodik zu Berechnungsfehlern.

Elemente mit Plus-Toleranzen vergrößern dabei die Messstrecke gegenüber dem rechnerischen Durchschnitt, während Minus-Toleranzen von Elementen als vermeintliche Rücktrocknung fehlerhaft in die Berechnungen einfließen.

Holzfeuchteermittlung annicht den Berechnungen zugrunde liegenden Elementen
Durch Lüftungen, Heizungen, Sonneneinstrahlungen, offene Übergangbereiche, Abdeckungen, Einbauten, variierende Unterböden, Feuchteeinflüsse etc. können bei größeren Räumlichkeiten in Teilflächen durchaus voneinander abweichende Holzfeuchten vorliegen. Werden Holzfeuchten in anderen Teilflächen oder an Elementen ermittelt, die den Untersuchungen bzw. Messungen nicht zugrunde liegen, resultieren hieraus entsprechende Unsicherheiten für das Rückrechnungsergebnis.

Nicht repräsentativer Querschnitt der Holzfeuchte
Die Messung der Holzfeuchte mittels elektrischer Feuchtemessgeräte erfasst lediglich den Bereich zwischen den Messelektroden, dort aufgrund der Methodik jeweils nur den feuchtesten Bereich und kann durch leitende Inhaltsstoffe etc. verfälscht werden. Grundsätzlich ist es jedoch erforderlich, den tatsächlichen Feuchtegehalt über den gesamten Elementquerschnitt zu ermitteln und dementsprechend Darrproben vorzunehmen. Wird die Ermittlung der Holzfeuchte lediglich mittels elektrischer Feuchtemessung vorgenommen, resultieren hieraus Unsicherheiten betreffend der Messergebnisse.

Abweichungen von je ca. 50% radialem und tangentialem Jahrringverlauf
Das den Berechnungen in der Regel zugrunde liegende durchschnittliche differentielle Schwindmaß ist das Mittel aus dem radialen und tangentialen Schwindmaß des Holzes. Da die jeweiligen Schwindmaße jedoch sehr unterschiedlich sind, erfordern mögliche Anteilsabweichungen entsprechende Korrekturen dieses Rechenwertes.

Zwischenzeitliche Längenveränderungen des Unterbodens
Für die Ermittlung der Strecke mehrerer Elemente darf sich der Unterboden zwischenzeitlich nicht in der Länge verändert haben. Weist der Unterboden z. B. Risse auf und hat sich in Teilflächen verschoben oder ist z. B. ein Gussasphalt plastisch verformt, ist die Grundlage für Rückrechnungen auf die Einbaufeuchte fehlerhaft.

Abweichungen von den nach DIN 68100 angegebenen Schwindmaßen
Diesbezüglich sei auf die Anmerkung in der DIN 68100 (Dezember 1984) zu 5. Maßänderungen durch Schwinden und Quellen verwiesen: "Die in den Tabellen 5 und 6 wiedergegeben Werte können nur als Anhaltswerte betrachtet werden. Die Sorptionseigenschaften sowie die Schwind- und Quellmaße von Holz und Holzwerkstoffen schwanken in gewissen Grenzen. Daher ist in Zweifelsfällen eine experimentelle Ermittlung des Sorptionsverhaltens und der Schwind- und Quellmaße erforderlich."

Oftmals werden von Gutachtern Resultate von Rückrechnungen trotz der aufgezeigten Risiken und Unsicherheiten mit zwei Stellen hinter dem Komma ausgewiesen und damit ein präzises Zutreffen der Ergebnisse und Schlussfolgerungen signalisiert. Dies ist in der Regel nicht gerechtfertigt und sollte folglich in Gutachten, insbesondere auch durch die Form der Darstellung oder auch durch entsprechende Hinweise, zum Ausdruck gebracht werden.

Fazit


Rückschlüsse auf die Einbaufeuchte sollten vorrangig auf der Basis fachtechnischer Erfahrungen unter Einbeziehung aller verfügbaren Fakten getroffen werden und möglichst plausibel nachvollziehbar sein.

Methodisch richtige Rückrechnungen können bei Gewichtung der damit verbundenen Unsicherheiten entsprechende Rückschlüsse gegebenenfalls orientierend ergänzen.

Rückrechnungen auf die Einbaufeuchte in der wie vor dargestellten Form beziehen insbesondere Verlege- und Breitentoleranzen fehlerhaft in die Berechnungen ein und führen dementsprechend zu falschen Ergebnissen.

Rückrechnungen auf die Einbaufeuchte beinhalten aufgrund einer Vielzahl von Unsicherheiten erhebliche Risiken.

Minimale Toleranzen bewirken bereits gravierende Ergebnisveränderungen.
aus Parkett Magazin 06/11 (Handwerk)