Wild Teppich- & Textilkunst, Berlin

Antike Teppiche für junge Kunden


Es ist immer wieder ein tolles Gefühl, wenn Teppiche aus meinem Geschäft die Wohnungen meiner Kunden verwandeln, ihnen eine Seele und Wärme geben", schwärmt Thomas Wild. Seine Faszination und Leidenschaft für den Teppich schwingen in jedem Satz mit - was nicht gekünstelt, nicht aufgesetzt wirkt, sondern absolut ehrlich.

Unterstützt wird diese Glaubwürdigkeit, die bei seinen Kunden gut ankommt, durch seine Vita: Anfang der 90er-Jahre Studienabbruch, um Teppiche zu verkaufen - als fliegender Teppichhändler, also einer, der mit einem mit Teppichen vollgepackten Pkw durchs ganze Land fährt und Teppichgeschäften seine Ware an der Ladentür verkauft. Bereits 1998 eröffnet er ein Teppichgeschäft, seit zehn Jahren liegt sein Geschäft "Wild Teppich- und Textilkunst" in der Gipsstraße 12, zentral in Berlin-Mitte.

Eine seiner vielen Rücksackreisen führte ihn als jungen Mann nach Tibet, wo er in einem Buch tibetische Teppiche mit Schachbrettmuster entdeckte. "Mir wurde sofort klar, dass sie zu jedem Bauhausmöbel passen. Ich hatte dann die einmalige Chance, vor Ort alte tibetische Teppiche zu kaufen", berichtet Wild. Er nutzte die Chance und verkaufte einige Teppiche gleich wieder mit ordentlichem Gewinn in Deutschland. "Offensichtlich hatte ich ein gewisses Talent als Teppichverkäufer", stellt Wild fest. Statt sein Studium zu beenden, entschied er sich, Teppichhändler zu werden. "Und das in einer Zeit, als Teppichhändler als Gangster galten, die stets überteuerte Ware verkaufen. Ich würde diesen Schritt immer wieder gehen."

Da seine Teppichliebe in Tibet geweckt wurde, ist es nicht verwunderlich, dass ein Sortimentsschwerpunkt auf tibetischen Teppichen liegt. Speziell antike Teppiche mit Schachbrettmuster oder Drachenmotiv, aber auch Gebrauchstextilien wie Sitz- und Sattelteppiche führt Wild in seinem 120 m großen Ladengeschäft. Vor einigen Jahren dann entdeckte der heute 46-jährige auf der Domotex marokkanische Teppiche. Sie gefielen ihm nicht nur persönlich, sondern er war sich auf Anhieb sicher, dass er sie vor allem an seine Generation, an jüngere Menschen, verkaufen könne. Und wirklich entwickelten sich Boucherouite und Berberteppiche zu Bestsellern: "Vor allem der weiße Marokkaner kommt bei meinen Kunden gut an, denn er strahlt eine Wärme aus, die nicht mit anderen Einrichtungsgegenständen konkurriert."

Klassische Orientteppiche und Flachgewebe aller Provenienzen runden das Sortiment ab. Auch dabei handelt es sich überwiegend um antike Ware, "denn sie erzählt eine Geschichte, die weitergegeben werden muss." Bei neuer Ware sei das eher nicht der Fall, sie sei häufig nur ein Modeartikel. Allerdings ist Wild immer auch Geschäftsmann und besorgt seinen Kunden auf Wunsch neue Ware.

Seine Kunden kommen überwiegend aus der direkten Umgebung. Sie sind regelmäßige Gäste in den umliegenden Cafés oder haben ihre Grafik-, Medien-, Verlags oder Architekturbüros, Kunstgalerien oder Boutiquen in den Sophie-Gips-Höfen oder drum herum. Dieses Viertel in Berlin-Mitte ist für ihre Kunst- und Kreativszene bekannt. Viele von ihnen laufen über Jahre an seinem Teppichgeschäft vorbei. Wenn sie sich beispielsweise dank eines nächsten Karriereschritts eine eigene Wohnung kaufen können, kaufen sie wie selbstverständlich einen Teppich bei Wild. Dessen Ladengeschäft haben sie über Jahre wahrgenommen, konnten sich seine Ware allerdings nicht gleich leisten oder konnten sich bis noch nicht dafür begeistern. Dank der Wildschen Leidenschaft für Teppiche gibt es einige Teppichverrückte mehr in Berlin, darunter Szenegurus, DJs und Verleger. Der Großteil seiner Kunden ist zwischen 30 und 50 Jahre alt, der "klassische Kunde für Orientteppiche, also deutlichälter als 50, ist bei mir eher die Ausnahme". Besonders hilfreich sei für seine Kunden die ehrliche Sicht auf die Einrichtung, auf das Gesamtbild der Wohnung, sie lassen sich gerne beraten und nehmen die Gestaltungstipps gerne an. Für die stellt Wild auf Wunsch komplette Sammlungen zusammen, kauft die in Teppichbüchern publizierten Exponate überall auf der Welt ein. Und das auch, wenn es sich um Teppiche fernab von Tibet und Marokko handelt, für die sein Herz überwiegend schlägt - da ist Wild ganz pragmatisch. Neben Wild kümmert sich eine Angestellte um das Geschäft, Wilds Frau hat sich vor Kurzem als Teppichrestauratorin selbstständig gemacht - nicht im Laden ihres Mannes, sondern mit einer eigenen Werkstatt.

Der typische Berlin-Tourist findet laut Wild nicht den Weg in sein Geschäft vorbei, obwohl Alexanderplatz und Museumsinsel nur zehn Gehminuten entfernt liegen. "Es sind eher italienische Architekturtouristen, die in mein Teppichgeschäft kommen und auch mal ein Stück kaufen", berichtet Wild.

Dank der vielen Laufkunden und der guten Mund-zu-Mund-Propaganda und dem daraus resultierenden Erfolg wirbt Wild nicht in der lokalen Presse. Lediglich einmal jährlich schaltet er eine Anzeige in einem internationalen Sammlermagazin. Ein bis zwei Mal jährlich organisiert Wild Ausstellungen, zum Beispiel zu alten tibetischen Bildteppichen oder zu Textilkunst der letzten vier Jahrhunderte. So bleibt er im Gespräch und bindet Kunden an sein Geschäft. Über seine Lieblingsprovenienz Tibet schreibt Wild auch Fachartikel und berichtet unter anderem über seine Arbeit in tibetischen Klöstern, deren Kunst- und Kulturschätze er inventarisiert.

Bei der Preisgestaltung verfolgt Wild eine klare Linie: "Die Teppiche dürfen teuer und exklusiv sein, aber die Preise müssen auch gerechtfertigt sein. Streichpreise gibt es bei mir nicht, denn damit würde ich an Glaubwürdigkeit verlieren." Diese ist, neben dem Fachwissen, den Reiseerlebnissen, die er weitergibt, dem Blick fürs schöne Einrichten, den sein abgebrochenes Fotografiestudium schärfte, sein wohl wichtigstes Kapital. Alles zusammengenommen, macht den Erfolg seines Geschäfts aus.
aus Carpet Magazin 04/11 (Handel)