Leserbrief zum Artikel Leistungswettbewerb der Parkett-/Bodenleger in Neustadt/Aisch, FT 1/2012

Wer soll in Zukunft die Häuser bauen?


Sehr geehrte Damen und Herren, oben genannten Artikel habe ich mit Interesse gelesen. Nun bestätigt sich, was ich bereits vor zirka 15 Jahren vorausgesagt habe. Damals gab es noch Handwerker im Überfluss, heute sind sie Mangelware. Jedenfalls die, die etwas können und morgen wird es in einigen Branchen gar keine mehr geben

Ich arbeite seit 25 Jahren als Boden- und Parkettleger und habe vor kurzem dem nun mittlerweile zweiten Lehrling nahe gelegt, sein Lehrverhältnis in meiner Firma zu beenden. Ich frage mich nur, wer in ein paar Jahren die Häuser bauen soll, da es in anderen Berufen ähnlich düster aussieht. An diesem Dilemma ist nach meiner Meinung einzig und allein der Staat schuld. Kindern wird in den Medien vorgemacht, dass nur derjenige etwas zählt, der Superstar, Schauspieler oder Profi-sportler ist. Wie soll es auch anders sein? In einer Gesellschaft, in der es außer Geld keinerlei Werte gibt.

Ich habe 1979 die Schule beendet. Zu der Zeit haben viele Jugendliche, die einen Notendurchschnitt zwischen zwei und drei hatten, einen Handwerksberuf gelernt. Von dieser Gruppe lernt heute so gut wie niemand mehr ein Handwerk, warum auch? Schlechter Verdienst, Knochenarbeit, Schmutz, Lärm, viel Ärger, schlechte Zahlungsmoral, zu viel oder zu wenig Arbeit, in den Ferien Hochkonjunktur - weswegen meist kein eigener Urlaub möglich ist. Wahrlich tolle Anreize, das tut sich natürlich keiner mehr an. Die meisten der Jugendlichen wollen heute selbst mit einem Notendurchschnitt unter drei studieren - und das möglichst bis zu einem Alter von über 30 Jahren. Ihr Ziel ist es, mit wenig Arbeit und Ärger möglichst viel zu verdienen. Schulabgänger mit Noten zwischen vier und fünf sind nicht zu gebrauchen, nicht einmal als Hilfsarbeiter.

Ändern kann man diesen Zustand nur, indem man diejenigen, die mit ihrer Hände Arbeit die Werte im Lande schaffen, endlich ordentlich entlohnt. Das geht natürlich nicht, wenn der billigste Anbieter den Auftrag bekommt. Die jetzigen Löhne im Handwerk kann man nur als Almosen bezeichnen. Solange das so ist, besteht auch kein Anreiz für Jugendliche, einen Handwerksberuf zu erlernen. Und Computer bauen nun einmal keine Häuser.


Sylvio Patzelt, Geschäftsführer Fussboden S. Patzelt, Dippoldiswalde
aus FussbodenTechnik 02/12 (Handwerk)