Vertriebskonzepte
Verkaufen im Internet-Zeitalter
Das Käuferverhalten hat sich durch Internet & Co. verändert. Und es wird sich weiter ändern. Folglich verändern sich auch die Anforderungen an die Verkäufer und ihre Vorgesetzten. "Der Siegeszug des Internet hat das Käuferverhalten verändert", sagt Uwe Reusche. Als Beleg verweist der Geschäftsführer des ifsm Institut für Salesmanagement, Urbar, auf das Unternehmen Amazon, das den Buchmarkt revolutionierte. Und auf Webportale wie gebrauchtwagen.de, die dazu führten, dass heute der Verkauf von Gebrauchtwagen anders als vor zehn Jahren funktioniert. "Und das Käuferverhalten wird sich weiter ändern", konstatiert Reusche.
Davon ist auch Christian Herlan überzeugt. Der Geschäftsführer des Beratungsunternehmens Dr. Kraus & Partner, Bruchsal, hat den Eindruck: Das Käuferverhalten ändert sich so schnell, dass den Unternehmen kaum Zeit bleibt zu reflektieren: Was bedeutet das für uns? Inwieweit müssen wir unsere Vertriebskonzepte überdenken? "Und noch weniger Zeit bleibt ihnen, ihren Verkäufern zu vermitteln, welches Verhalten sie fortan zeigen müssen." Die Folge: Die etablierten Anbieter geraten in die Defensive, während neue Player die Spielregeln im Markt bestimmen. Als Beispiel verweist Herlan auf den Erfolg solcher Portale wie holidaycheck.de, die für das Vermarkten von Reisen inzwischen eine zentrale Bedeutung haben - unter anderem weil sich die potenziellen Kunden bei ihren Kaufentscheidungen zunehmend von den dort abgegebenen Bewertungen leiten lassen.
Fakt ist bereits heute: Die Kunden können sich einfacher als früher über die Angebote im Markt informieren. Eine Google-Suchabfrage genügt, und schon wissen sie, welche Unternehmen die gewünschten Produkte anbieten - und zu welchem Preis. Aufgrund der im Netz veröffentlichten Testberichte und Kundenbewertungen wissen sie zudem, worauf sie beim Kauf achten sollten. Eine Folge hiervon ist laut Vertriebsberater Walter Kaltenbach, Böbingen: "Die Kunden sind oft besser als die Verkäufer über den Markt informiert." Entsprechend schnell geraten schlecht geschulte Verkäufer in die Defensive - insbesondere wenn es ums Thema Preise geht. Wie hilflos manche Unternehmen auf die veränderte Marksituation reagieren, davon kann man sich zum Beispiel beim Besuch eines Möbelmarktes überzeugen. "Deren offizielle Preise nimmt niemand mehr ernst", spottet Christian Herlan. "Denn jeder weiß, 20 bis 30 Prozent Rabatt sind, wenn ich eine Couchgarnitur kaufen möchte, locker drin." Und was noch schlimmer ist: Die Verkäufer nehmen die Preise selbst nicht mehr ernst. Entsprechend schnell sind sie zu Preisnachlässen bereit.
"Viele Verkäufer beherrschen ihr Handwerk nicht", konstatiert Walter Kaltenbach. Der auf den technischen Handel spezialisierte Berater registriert zum Beispiel, dass auf den Schreibtischen der Verkäufer immer mehr unqualifizierte Kundenanfragen landen. Warum? Die potenziellen Kunden informieren sich zum Beispiel im Internet: Wer bietet Rollläden oder Fenster an? Und dann senden sie an alle Anbieter mal schnell eine Mail "Bitte senden Sie mir ein Angebot". Und die Verkäufer? Sie arbeiten brav der Reihe nach alle Anfragen ab - ohne zu prüfen: Haben wir bei der Anfrage überhaupt eine Chance auf einen Auftrag? Ähnliche Erfahrungen sammelt Peter Schreiber. Der Inhaber des auf die Investitionsgüterindustrie spezialisierten Beratungsunternehmens Peter Schreiber & Partner, Ilsfeld, stellt immer wieder fest: Viele Verkäufer reagieren nur auf Anfragen "statt aktiv definierte Zielkunden zu bearbeiten, die zum Beispiel aufgrund ihrer Umsatzpotenziale attraktiv sind". Die Ursache hierfür sieht er aber eher bei den Führungskräften im Vertrieb. Denn ihre Aufgabe sei es, ihren Mitarbeitern zu vermitteln, wer die Zielkunden des Unternehmens sind.
Ebenso sieht dies Christan Herlan. Er fordert speziell für Verkäufer im B-to-B-Bereich und ihre Vorgesetzten eine systematischere Aus- und Weiterbildung und kritisiert: "In jedem Großunternehmen gibt es heute ein Führungskräfte-Entwicklungsprogramm." Entsprechende Förderprogramme für Key-Accounter gebe es jedoch nicht - obwohl diese oft für viele Millionen Umsatz verantwortlich seien. Dabei wäre ein systematischer Ausbau ihrer Kompetenz nötig, da sonst viele Verkäufer mit dem veränderten Kundenverhalten überfordert sind - speziell im B-to-B-Bereich. Unter anderem, weil für viele Anbieter von Industriegütern gilt: Ihre Kunden interessieren sich immer weniger für ihre Produkte. Sie wollen Problemlösungen haben, die es ihnen zum Beispiel ermöglichen, kostengünstiger zu produzieren.
Theoretisch begriffen haben dies viele Hersteller von Investitionsgütern. Das zeigt sich darin, dass sie sich in ihren Hochglanzbroschüren gern als "Problemlösepartner" ihrer Kunden präsentieren; des Weiteren darin, dass viele produzierende Unternehmen ihren Kunden immer mehr Dienstleistungen rund um ihre Produkte offerieren. Das Ziel hierbei: Ihre Verkäufer sollen den Kunden "Rundum-sorglos-Pakete" anbieten können. Dabei bleibt das Ermitteln, wo den Kunden "der Schuh" drückt, aber weiterhin eine typische Verkäuferaufgabe.
Entsprechend überzeugend muss der Verkäufer sein - auch als Person. Sonst verrät ihm der (Ziel-)Kunde weder, wo ihn der Schuh drückt, noch kann er bei ihm das Gefühl erzeugen "Mit diesem Unternehmen würde ich gerne zusammenarbeiten, ...". Darauf weist der Vertriebstrainer Ingo Vogel, Esslingen, hin. Für den "Experten für emotionales Verkaufen" gewinnt in Zeiten von Internet & Co., in denen die Produkte und Preise zunehmend vergleichbar sind, die Persönlichkeit des Verkäufers an Bedeutung. Denn er schlägt "die emotionale Brücke" zwischen dem Kunden und dem Unternehmen.
aus
Haustex 02/12
(Handel)