Achtung, gefälscht!
Falschgeld, wirkungslose nachgeahmte Medikamente, gefälschte Elektroteile - der Markt mit nachgemachten und gleichzeitig meist wirkungs- bzw. funktionslosen Teilen boomt. Auch antike Teppiche werden gefälscht. Zum Teil sind die Fälschungen so gut gelungen, dass selbst Sachverständige und Fachleute von Auktionshäusern und Museen auf sie reinfallen. Dr. Atilla Dagdeviren Erden aus der Türkei beschäftigt sich seit Jahren mit dem Erkennen gefälschter Teppichen. Im folgenden Artikel gibt er einen Einblick in die Vorgehensweise der Fälscher und erläutert, welche Indizien einen Teppich als Fälschung entlarven.von Dr. Atilla Dagdeviren ErdenIn den 1980er Jahren erlebte die Teppichreparatur in der Türkei eine Renaissance und die Restauratoren zeigten großes Geschick bei der Entwicklung von Techniken, mit denen die Farben und die Wollqualität bei der Reparatur alter Teppiche angepasst wurden. Die Knoten wurden entweder von einem Teil des Teppichs entnommen und in einem anderen verwendet oder von einem anderen alten Teppich, der über ausreichend langen Flor verfügte, für einen anderen entnommen.
Doch die Teppiche wurden nicht einfach nur restauriert. Manchmal wurden sie sogar verbessert und auf älter getrimmt, als ihre Originalfarben vermuten ließen. Wenn in einem Teppich eine begrenzte Menge synthetischer Farbe vorhanden war, konnte diese vollständig durch natürliche Farben ersetzt werden. Sobald die problematischen Farben entfernt waren, konnte man den Teppich als älter verkaufen und damit noch mehr Geld verdienen.
Die hohen Preise, die einige dieser restaurierten und verbesserten Teppiche auf dem Markt erzielten,
inspirierten Restauratoren dazu, Methoden zu ersinnen, mit denen sie "alte" Teppiche von Grund auf neu weben konnten. Jedoch mussten einige technische Probleme gelöst werden. So haben alte Teppiche ein anderes Erscheinungsbild und eine andere Textur als neue Teppiche, die aus neuer Wolle gewebt wurden. Im Laufe der Zeit werden durch die Einwirkung von Licht und Luft die Farben weicher, der Glanz stärker und die Faser öffnet sich, was der alten Wolle das Aussehen und die Textur von Alter und Gebrauch verleiht.
Für die alte Wolle nahmen Restauratoren alte Kelims aus Anatolien und dem Kaukasus. Diese waren relativ kostengünstig, weil sie beschädigt waren, sehr einfache Designs aufwiesen oder ursprünglich ungefärbt waren. Der Preis für diese Arten von Kelims verzeichnete parallel zur erhöhten Nachfrage von Restauratoren einen Anstieg. Durch das Auftrennen dieser Kelims erhält man eine gute Ausbeute an Garnen in einer Vielzahl von Farben.
Teppichrestauratoren finden immer einen Weg, wie sich ein Problem lösen lässt: Sie kochen die Wolle in Kesseln mit heißem Wasser. Dadurch soll die Wolle nachgiebiger werden, sich aufdrehen und dadurch für die Verwendung in einer geknüpften Florfaser geeignet sein.
Die wirkungsvollste Methode, das Grundgewebe auf alt zu trimmen, war die Verwendung eines alten Originals. Ein anatolischer Yastik mit ausgewaschenen chemischen Farben hatte in der Regel kein besonders aufregendes oder gut ausgeführtes Design. Er kann jedoch als altes Grundgewebe für die Herstellung eines neuen gefälschten Teppichs verwendet werden.
Das Abreiben des Flors mit einem weichen Bimsstein ist viel effektiver als das Abschneiden der schwarzen und braunen Fäden mit einer Schere. Nach dem Abschneiden weist die Wolle kleine, scharf geschnittene Enden auf. Durch das Abreiben mit einem Bimsstein sehen die Fasern ganz natürlich abgenutzt aus, selbst wenn man sie mithilfe einer Lupe untersucht.
Schafscheren werden benutzt, um den Flor an einigen Stellen kürzer zu schneiden; auch das ist eine wirksame Methode. Der Flor kann mit einer starken Flamme abgebrannt und dann abgerieben und abgeschnitten werden, damit die unterschiedlichen Farben eine leicht unterschiedliche Florhöhe aufweisen. Dies ist eine weitere Technik, mit der die natürliche Abnutzung und Alterung simuliert wird.
Um den Staub aus alten Teppichen zu entfernen, kommen sie für eine Weile in den Wäschetrockner, bevor sie gewaschen werden. Wenn man einen neuen Teppich lange genug im Wäschetrockner lässt, wird er geschmeidiger und an den Kanten und Enden treten leichte Verschleißspuren auf, ein bisschen wie bei einem alten Teppich. Die starke Sommersonne Anatoliens ist ebenfalls perfekt geeignet, um Teppiche altern zu lassen. Sie werden wochenlang in die Sonne gelegt, damit die Farben weicher werden. Häufig sogar auf ein Hausdach, damit maximale Sonneneinstrahlung gewährleistet ist.
Doch wie kann man erkennen, ob ein Teppich gefälscht ist? Wir müssen uns selbst schulen - und das ist besonders schwierig, da Wolle eine lebendiges Material ist. Es ist nicht einfach, das Lanolin - die wachsartige Substanz aus den Wollfasern - zu zerstören. Es gibt nicht nur unterschiedliche Arten von Lanolin, sondern die Arten unterscheiden sich auch, je nachdem, von welchem Teil der Tierhaut es stammt. Es ist nicht so schwierig, die Unterschiede in der Wolle bei einer genauen Untersuchung sowie dem Fühlen mit der Handfläche und ganz leicht mit den Fingerspitzen zu erkennen. Man trainiert die Hände und Handflächen, indem man jedes Stück berührt. Nach einer Weile entwickelt man ein Gefühl dafür. Zudem ist es wichtig, die eigenen Teppiche mit der Lupe zu untersuchen; so kann man erkennen, wie echte Wollfasern bei natürlicher Abnutzung aussehen. Außerdem sollte man sich auf seinen Instinkt und Geschmack verlassen. Fälscher machen häufig ästhetische Fehler. Manchmal fügen sie falsche Reparaturen in die gewebten Enden ein. Man entdeckt die falsche Reparatur und erkennt nicht, dass der ganze Teppich neu gewebt worden ist.
Das Hauptproblem beim Entdecken einer Fälschung ist, dass man kaum echte Beweise finden kann. Wenn wir auf unsere Instinkte und Vorurteile hören, können wir Fehler machen. Manche Händler durchstreifen die Ausstellungsräume von Auktionshäusern in der Überzeugung, dass sie Fälschungen entdecken können. Sie machen sogar manchmal lautstark auf solche aufmerksam. Doch leider sind einige absolut echte Teppiche ungerechtfertigt in Verdacht geraten. Man muss sich bewusst machen, dass eine ganze Generation von Experten der Ansicht war, dass es sich bei einer kompletten Gruppe klassischer Perserteppiche aus dem 16. Jahrhundert um Fälschungen aus der Zeit Anfang des 20. Jahrhunderts handelte. Das sind die Salting-Teppiche, die wir heute als echt anerkennen.
Das Fälschen alter Teppiche ist kein Phänomen, das auf Anatolien beschränkt ist. Viele andere Webgebiete folgten dem türkischen Vorbild. Überzeugende Kopien alter Gabbeh-Teppiche kamen ebenso wie falsche Shahsevan-Flachgewebe aus dem Iran. Das Fälschen entwickelte sich zu einer grenzüberschreitenden Branche. Iranische Händler beschäftigten turkmenische Weber in Afghanistan, damit sie turkmenische Teppiche kopierten, während anatolische Händler das Fälschen kaukasischer Teppiche im Kaukasus und von Kaitag-Stickereien in Daghestan finanzierten. Selbst in Indien gerät manch einer auf die schiefe Bahn mit dem berühmten Muhgal-Design und lokalen Stickereimustern.
aus
Carpet Magazin 02/12
(Teppiche)