Studie von TNS Emnid für Interlübke

Die Wohnung ist den Deutschen lieb und teuer

Eine aktuelle Studie von TNS Emnid beweist: Die Wohnung seht bei den Deutschen ganz oben auf der Prioritätenliste. Bei der Ausstattung achten sie eher auf Qualität als auf den Preis und lassen sich auch gerne im Fachhandel beraten. Für Ernüchterung sorgt die Feststellung, dass es weniger wechselnde Trends sind, die die Einrichtung bestimmen, sondern der eigene Geschmack. Immerhin: Gardinen und Teppiche scheinen im Kommen zu sein.

Geiz ist geil" gilt nicht für die Einrichtung. Ganz im Gegenteil. Beim Möbelkauf gilt Qualität. Die große Mehrheit der Deutschen legt dabei viel Wert auf Funktionalität und Langlebigkeit. Erst dann folgen die Auswahlkriterien Preis, Umweltverträglichkeit und Design. Das ist das Ergebnis der Studie "Deutschland privat - So wohnen und leben die Deutschen 2012", die der Möbelhersteller Interlübke aus Anlass seines 75-jährigen Bestehens beim Meinungsforschungsinstitut TNS Emnid in Auftrag gegeben hatte. Demnach orientieren sich die Bundesbürger weniger an Trends, sondern verlassen sich beim Einrichten vor allem auf den eigenen Geschmack - und sind mit ihren Wohnungen sehr zufrieden.

"Nichts ist den Deutschen wichtiger als Wohnen", stellte Klaus-Peter Schöppner, Geschäftsführer von TNS Emnid, bei der Vorstellung der Studie fest. Dies gelte über alle Einkommensklassen hinweg. Denn für 68 % der Bundesbürger ist die gute Wohnung von größerem Belang als Freizeit, Auto, Urlaub, Internet und Kleidung - wobei das Wohnzimmer als Wohlfühlraum Priorität vor allen anderen Zimmern hat. Allerdings ist die Bedeutung der Wohnung abhängig vom Alter: Von den 18- bis 29-Jährigen finden 61 % sie wichtig, bei den 40- bis 49-Jährigen sind es 64 % und bei den über 60-Jährigen sogar 80%. Oben angesiedelt ist bei allen Altersgruppen nach der guten Wohnung die Freizeit, während das Auto insbesondere bei jungen Menschen deutlich an Zuspruch verliert.

Qualität hat Priorität

Entsprechend des hohen Stellenwerts ihrer vier Wände achten die Deutschen bei der Wohnungsgestaltung vor allem auf Qualität. Sehr wichtig und eher wichtig ist 83 % der Befragten eine hochwertige Einrichtung. Daher dominieren beim Möbelkauf Funktionalität (96 %) und Langlebigkeit (93%), gefolgt vom Preis mit 89%. Bei geringer Verdienenden zählt die Langlebigkeit mehr als die Funktionalität, während es bei Beziehern höherer Einkommen umgekehrt ist.
Erstaunt hat die Verfasser der Studie das unterschiedliche Gewicht des Faktors Umwelt. Auffällig sei, dass fast die Hälfte der Geringverdiener auf die Umweltverträglichkeit ihrer neuen Möbel achtet, aber nur 31 % der Besserverdienenden. "Bei dieser Zielgruppe ist der Erwerb eines langlebigen Möbels häufig die erste Maßnahme zu einem umweltverträglichen Wohnen", erklärte Schöppner.

Auf die Beratung kommt es an

Als wichtigste Einkaufsquelle für Möbel sehen 80 % den Möbelfachhandel - auch wenn fast jeder Deutsche bereits einmal ein Möbelteil selbst zusammengeschraubt hat. Für 76 % ist das Einrichtungshaus der wichtigste Einkaufsort und für nur 51 % der Möbelmarkt für Mitnahmemöbel wie Ikea.

So positiv das Ergebnis für den Fachhandel auch ausfällt - Schöppner appelliert an die Verantwortlichen, ihre Verkäufer besser zu schulen. Denn: Zwei Drittel der Befragten bevorzugen das persönliche Beratungsgespräch im Geschäft. "Bei der Beratung wird es einen Qualitätsschub geben", ist sich der Emnid-Chef sicher und verwies darauf, dass die Verkäufer zunehmend auf Kunden träfen, die sich im Internet vorab informiert hätten. Hier müsse in Personal investiert werden. Wichtigste Ratgeber vor den Fachverkäufern sind Familienmitglieder und Partner (83 %) sowie Prospekte und Kataloge von Einrichtungshäusern. Eine untergeordnete Rolle spielen Inneneinrichter, Raumausstatter und Möbeltischler. Auf ihren fachlichen Rat hören nur 24 %.

Überrascht zeigte sich Schöppner darüber, dass sich 95 % der Befragten nicht nach Trends einrichten, sondern nach dem eigenen Geschmack. "So wohne ich, so bin ich", fasste der Marktforscher das Umfrageergebnis zusammen. Entsprechend sind die Deutschen mit ihrer Wohnung zufrieden und 79 % der Befragten gaben auch an, dass in ihrer Wohnung fast nichts fehle. Damit leben acht von zehn Umfrage-Teilnehmern in einer nahezu perfekten Umgebungen, in denen es höchstens an einzelnen Möbeln (7 %) oder einem neuen Teppichboden und ähnlichem (4%) mangelt.

"Ins Wohnen wird also investiert", schloss daraus der Geschäftsführer des Meinungsforschungsinstituts und verwies auf eine vergleichbare Studie von Alphons Silbermann aus dem Jahr 1989, an der Schöppner mitgewirkt hat. Damals hatten nur 59 % der Westdeutschen die Wohnung als nahezu komplett eingerichtet bezeichnet.

Der eigene Geschmack zählt

Bei der Ausstattung ihrer Wohnungen erweisen sich die Deutschen allerdings als wenig experimentierfreudig. Die von Experten prognostizierte Verschmelzung unterschiedlicher Wohnbereiche ist bisher kaum vorangekommen. Eine Ausnahme bildet einzig das Wohnzimmer, das 40 % mit einer Essecke und 9 % mit einem Arbeitsbereich kombinieren, während es 51 % als reinen Wohnraum sehen. In der Küche wird dagegen gekocht, das Schlafzimmer zum Schlafen, Lesen und Intimwerden genutzt. Gerade hier sieht Schöppner aber noch Potenzial. "Es ist die Aufgab für Architekten und Designer, das Schlafzimmer nicht länger in der Rolle eines toten Raumes zu lassen."

Ähnlich konservativ sind die Deutschen, was Farbe betrifft. Zwar hat Holz seit 1989 an Renommee verloren, möglichst weiße und helle Räume haben in der Gunst deutlich zugelegt. Doch Holz und sanfte Farben sind nach wie vor die bevorzugte Farbgestaltung, während bunte und dunkle Töne eher selten auftauchen. Farbenfrohe Räume genießen lediglich bei jungen Leuten Ansehen. Nach Dingen gefragt, die im Wohnzimmer nicht fehlen dürfen, erklärten 79 % die Sitzgarnitur im Wohnzimmer für unverzichtbar. Es folgen Fernseher und Bilder. Bei älteren Menschen muss auch eine Tapete an der Wand kleben, zugenommen hat insgesamt der Wunsch nach Gardinen und Teppichen. Dabei gibt es allerdings starke Unterschiede zwischen den Geschlechtern: 81% der befragten Frauen bevorzugen Gardinen, bei den Männern sind es 9% weniger. Ein ähnliches Bild zeigt sich bei Teppichen, die von 68% der weiblichen und nur 54% der männlichen Deutschen gewünscht werden.

Deutsche sind zufrieden mit ihrer Wohnungsituation

Das Wohnzimmer ist wie Bad, Schlafzimmer und Küche bei fast allen Befragten vorhanden. Dabei bewohnen fast 76 % kleine und mittlere Wohnungen mit drei bis sechs Zimmern (inklusive Küche und Badezimmer). Wichtige Merkmale sind nach der Befragung Lage/Wohngegend (89 %), Raumaufteilung (89 %), Nachbarn (77 %) und bauliche Ausstattung (76 %). Aber auch die altersgerechte Ausstattung spielt mit 62 % eine große Rolle. "Die Menschen wollen möglichst lange in ihrer eigenen Wohnung bleiben", erklärte Klaus-Peter Schöppner.

All diese Kriterien werden zumeist erfüllt, was sich in der Zufriedenheit mit der eigenen Wohnung widerspiegelt. Immerhin empfinden 92 % der Befragten ihre Wohnlage als angenehm, 91% ihre Raumaufteilung, 88 % die Wohnungsgröße und 85 % die Nachbarn.

Die Ergebnisse der Wohnstudie bewertete Möbel-Designer Peter Maly als ernüchternd. "Ich dachte, es würde Spektakuläreres herauskommen." Erwartet habe er mehr Bewegung in deutschen Wohnzimmern. Stattdessen werde vor allem Wert auf Langlebigkeit und Qualität gelegt, was aber auf keinen Fall negativ sei. Denn es bestätigt die Hersteller hochwertiger Wohnprodukte. Für den Designbereich zog Maly aus der Studie den Schluss, dass zwar immer neue Ideen nötig seien. Aber nicht in Form von Designrevolutionen, Weiterentwicklungen seien der richtige Weg.

"Wir leben wohl zu sehr im Elfenbeinturm", kommentierte Leo Lübke, Geschäftsführender Gesellschafter Interlübke, die geringe Orientierung der Deutschen an Trends bei der Einrichtung. Aber wie Maly folgerte er: "Qualität und Langlebigkeit sind wichtig. Das ist Wasser auf unsere Mühlen."

Für die Interlübke-Studie "Deutschland privat - so wohnen die Deutschen" befragte TNS Emnid vom 20 Februar bis 1. März telefonisch 1.000 repräsentativ ausgewählte Deutsche im Alter ab 18 Jahren.



Kommentar von Cornelia Küsel

Die Magie der kleinen Schritte

Was sich schon seit längerem in der Politik unter dem Stichwort "Raumschiff Berlin" bemerkbar macht, zeigt sich nun auch in der Einrichtungsbranche: Die Erwartungen vieler Wohnmedien, Designer, Planer und Verantwortlicher auf Herstellerseite sind weit entfernt von der Lebenswirklichkeit der Kundschaft. Die große Mehrheit der Deutschen ist nämlich viel bodenständiger als in abgehobenen Zirkeln gedacht. Ihr kommt es vor allem auf Qualität und Langlebigkeit an, nicht auf die Jagd nach immer schneller wechselnden Trends. Das ist das ernüchternde Ergebnis der von Interlübke bei TNS Emnid in Auftrag gegebenen Meinungsforschungsstudie "Deutschland privat - So wohnen die Deutschen". Es ist also höchste Zeit, vom hippen, stylishen Olymp der Kreativen heruntersteigen in die Niederungen des Durchschnittsgeschmacks.

Was hatten die klugen Orakel der Branche nicht alles an zeitgeistigen Entwicklungen prophezeit. Zum Beispiel verschmelzende Wohnbereiche statt herkömmlicher Nutzung und Raumaufteilung. Der Blick in die Studie aber offenbart: Fehlanzeige. Die Kombination von Wohn- und Esszimmer lässt auf sich warten, schlimmer noch: Vermutlich wird sie niemals kommen. Das liegt zum einen daran, dass die Deutschen ihrem Wohnstil weitgehend treu bleiben - teils aus finanziellen Gründen -, zum anderen an dem von Mietraum geprägten Wohnungsmarkt. Auch sonst hat sich in den vergangenen 20 Jahren nicht viel an der Wohnungsgestaltung verändert. Lediglich bei Farbvorlieben offenbart sich eine leichte Verschiebung von Holz zu Weiß. Die wirkliche Überraschung der Umfrage betrifft das Auto. Das einst wichtigste Statussymbol der Deutschen verliert allmählich an Bedeutung.

Die Wohnung dagegen ist den Bundesbürgern heilig, sie ist ihr behagliches Rückzugsgebiet. Das ist eine sehr positive Erkenntnis für die Einrichtungsbranche - sie muss sie nur nutzen. Nicht immer große Schritte sind gefragt, sondern kleine. Warum sollte es stets das neueste Design sein, dass alles bisher Gekannte in den Schatten stellt? Wer diese Ausrichtung wählt, begibt sich in eine gefährliche Nische. Auch die kann man besetzen. Aber die größte Nachfrage will im Bereich des ganz Normalen bedient sein. Was nicht bedeutet, dass modische Strömungen keine Chance haben. Aber eben nicht übertriebene. "Evolution statt Revolution", wie der Möbel-Designer Peter Maly folgert.

Auch wenn kreative Höhenflüge unverzichtbar sind, sollte klar sein: Die Masse erreicht man damit nicht. Der Hype wird vom Durchschnittsbürger nicht gewünscht. Ihm genügt bescheidener Wandel in Wohnen, Einrichten und Design. Trends dürfen auch mal langlebiger sein. Leo Lübke hat das klar erkannt. "Wir leben wohl zu sehr im Elfenbeinturm", merkte er selbstkritisch an. Die Studie hat ihm die Augen geöffnet - möge sie es auch bei anderen tun.
aus BTH Heimtex 06/12 (Handel)