Fachhändler des Jahres

Inspiration

Wer nicht wagt, der nicht gewinnt, heißt es auch im Fachhandel. Nur wer auf der Höhe der Zeit ist und seine geschäftlichen Aktivitäten hinterfragt, kann auf die Dauer erfolgreich sein. Der SN-Verlag, in dem auch BTHHeimtex erscheint, würdigt dieses Engagement seit einiger Zeit mit einem Preis und kürt in verschiedenen Segmenten den Fachhändler des Jahres. An dieser Stelle sollen noch einmal einige erfolgreiche Ideen der Preisträger vorgestellt werden. Nicht, um sie einfach zu kopieren, sondern um sich inspirieren zu lassen und selbst aktiv zu werden.

Gute Geschäftsideen sind das Salz in der Suppe des Fachhandels. Sie eröffnen ihm die Chance, sich von der Konkurrenz abzuheben, vorhandene Kunden enger an sich zu binden und sich neue Märkte zu erschließen - kurz: erfolgreich(er) zu sein. BTH Heimtex und ihre Schwesterzeitschriften aus dem SN-Verlag - Haustex und ParkettMagazin - küren seit einiger Zeit Fachhändler, die dies mit unternehmerischem Mut, Ideenreichtum und Durchhaltevermögen tun. Wer den Heimtex-Star, den Haustex-Star oder den Parkett-Star verliehen bekommt, hat vorher eine Expertenjury aus Vertretern der Redaktion, von Handelskooperationen und aus der Industrie mit seinem Konzept und Engagement überzeugt: von einer Service-Idee oder der Nutzung moderner Medien, vielleicht sogar von einer völlig neuen Geschäftskonzeptionen.

Die Branche spielt dabei nur bedingt eine Rolle. Ein spektakuläres Kundenevent, mit dem ein Parketthändler in Hamburg die Menschen zum Besuch seines Geschäftes animierte, kann ein Heimtexfachhändler in Süddeutschland ebenso erfolgreich durchführen - natürlich zugeschnitten auf Sortiment und die spezifischen Gegebenheiten vor Ort. Auf Geschäftsideen dieser Art gibt es in der Regel keine Patente.

Was es auch nicht gibt, ist eine Überlebensgarantie für Handelsfirmen. Produkte, Kundenwünsche und Einkaufsgewohnheiten ändern sich. Auf diese Herausforderung muss jeder Einzelhändler eine, seine Antwort finden. BTH Heimtex stellt deshalb noch einmal einige der prämierten Konzepte vor. Man kann sie nachahmen oder zumindest als Anregung nutzen, um selbst ein Modell für den eigenen Laden zu entwickeln, um auf der Höhe der Zeit oder dieser vielleicht sogar etwas voraus zu sein.

Erleben Kaufen

Der Hamburger Bodenbelagshändler Carl Jensen will seine Kunden Materialien mit allen Sinnen erleben lassen. Sie laufen in seinem Geschäft nicht nur einfach über Linoleum- oder Parkettböden - sie testen sie auch. Die Musterflächen sind teils schwimmend verlegt, teils volllflächig geklebt. So lässt sich der Tritt- und Raumschall beider Verlegearten vergleichen. Auf gekennzeichneten Flächen darf Wein verschüttet oder sogar mit einer Drahtbürste auf dem Holz gekratzt werden. "Eine gute Präsentation muss Kunden in die Lage versetzen, alles ausprobieren zu können", sagt Geschäftsführer Sven Meyer. Ein eigener Test überzeuge mehr als die Argumente Dritter.

Auf den Erlebnisfaktor beim Einkauf setzen auch Thorsten Helmholz und Karsten Krause von Raum & Color - das Wohnhaus im brandenburgischen Werder. In ihrem Geschäft für Raumausstattung und Inneneinrichtung in einem ehemaligen Brauhaus dürfen die Kunden die Produkte zwar nicht auf ihre Beständigkeit gegenüber Weinflecken prüfen. Dafür ermöglichen ihnen die beiden Geschäftsführer aber ein sinnliches Einkaufserlebnis mit Riechen, Sehen, Hören und Anfassen. Schon beim Betreten des Ladens sorgt ein Raumbedufter dafür, dass dem Kunden ein angenehmer Duft in die Nase steigt. Mal strömt der Geruch Toscana durch den Laden - eine Mischung aus Vanille und Lavendel -, mal riecht es zur Weihnachtszeit nach Zimt. Zusammen mit dezenter klassischer Musik entsteht so eine Wohlfühlstimmung. Das Einkaufen mit allen Sinnen setzt sich über dekorativ gestaltete Interieurs für die Augen und viel Ware zum Anfassen fort, also das haptische Erleben.

Selbst etwas tun, können auch die Kunden, wenn sie bei Lueb & Wolters in Borken ein neues Parkett kaufen möchten. Allerdings vertraut man hier lieber auf modernste Technik als auf Drahtbürsten oder Weinflaschen. Auf zwei Multitouch-Displays kommt die Kundschaft auf spielerische Weise und ganz ohne Computerkenntnisse in drei einfachen Schritten zum Wunschboden. Das Programm wurde von der hauseigenen EDV-Abteilung entwickelt.

Ein weiteres Highlight ist eine Tageslichtsimulation in der Parkettausstellung. Derartige Systeme werden zum Beispiel im medizinischen Bereich eingesetzt, um einen Tagesablauf über verschiedene Lichtfarbstufen zu simulieren. Bei Lueb & Wolters kann man damit das Parkett unter verschiedenen Lichtverhältnissen in Augenschein nehmen. Der Lichtzyklus erstreckt sich über einen variablen Zeitraum von 60 bis 240 Sekunden. Die Kunden sehen dabei, wie sich das Parkett je nach Lichteinfall optisch verändert.

Um visuelle Eindrücke geht es auch bei Beamagic. Mit Hilfe des virtuellen Designstudios aus dem Hause Active Online führt Fußboden Bauer in Motten realistisch wirkende Bodenbelagsvarianten vor. In einem rund 4 m großen, leicht abgedunkelten Raum werfen zwei Beamer die Bilder unterschiedlichster Beläge auf den Boden und tauchen die Wände in dazu passende Farben. Dank der realitätsnahen Simulation bleibt den Kunden die Enttäuschung erspart, dass der gewünschte Belag in den heimischen vier Wänden auf einmal ganz anders wirkt als auf den Mustertafeln im Geschäft.

Zusammenarbeit lohnt sich

Wer in seinem Geschäft freie Flächen hat, sollte sich Firmen ins Haus holen, deren Produkte und Leistungen seine Angebotspalette ergänzen. So werden Synergie-Effekte geschaffen. Das ist das Konzept von Birgitt Witter-Wirsam, Geschäftsführerin von Holzland Hasselbach in Göttingen. Sie vermietet in ihrem Bau-Fach-Kompetenzzentrum eine gut 1.000 m große Fläche an einen Mäx-Fachmarkt mit den Sortimenten Bodenbeläge, Tapeten, Gardinen und Farben. Auf etwas kleinerer Fläche ist ein Markt für Baubeschläge und Werkzeuge untergebracht. Eine Tischlerei, eine Feinbäckerei und die Volksbank ergänzen das Konglomerat, welches sich gegenseitig befruchtet. Man spielt sich die Kunden zu. Alle profitieren vom gewerkübergreifenden Bedarf.

Das gilt auch für den Salone No4 in Lindau am Bodensee. Die 5.000 m Gewerbefläche waren allerdings von vorn herein für die Kooperation über Gewerkegrenzen hinweg konzipiert. Wenn sie es denn wollen, können Besucher dort fast ihre gesamte Immobilie ausstatten: vom Wohnbereich über die Küche bis zum Bad. Das Raumausstatter-Ehepaar Karl und Ilka Schnaible nutzte die Gelegenheit und präsentiert dort sein Angebot. Das besondere Ambiente sorgt auch dafür, dass sich Kunden hier für ganz andere Produkte begeistern lassen als im Stammhaus der Schnaibles im wenig entfernten Leutkirch, einem klassischen Raumausstattergeschäft.

Eine dritte Variante ist die Kooperation mit einem eigenen Geschäft anderer Ausrichtung. Martin und Benjamin Weber kombinieren in der Bettenwelt Soest ihr beratungsintensives Bettenfachgeschäft mit einem Baby-Fachmarkt. Dessen Besucherfrequenz liegt sogar über der des Bettenhandels. Kunden des einen nutzen ihren Besuch nicht selten zum Kennenlernen des anderen Geschäftes. "Wir leben Synergien", erklärt Benjamin Weber.

Selbst zur Marke werden

Die Bedeutung von Marken wächst derzeit beständig. Eine in diesem Zusammenhang häufig an Handel und Handwerk erhobene Forderung lautet, bei den Kunden doch selbst zur Marke zu werden, sprich: zum Synonym für eine bestimmte Leistung. Der Raumausstatter Ewald Hamburg aus Hamburg hat die Idee allerdings wörtlich genommen und bietet ein gutes Beispiel für eine gelungene Markenpolitik auf Fachhandelsebene.

Zwar führt Hamburg die Top-Labels bekannter Hersteller. Doch er will kein "Hersteller-Laden" sein, weil nach seiner Erfahrung zu viele Marken störend wirken können. Nur einer Marke räumt er daher eine exponierte Position ein: der eigenen. Sie nennt sich "Hamburgs Farbe" und bietet immerhin ein Spektrum aus 40 Farbtönen. Ein kräftiges Rot heißt Eppendorf Lipstick, es gibt Othmarschen Sepia, Hafencity Gletscher oder St. Georg Velvet. Alle diese Namen sind an Hamburger Stadtteile angelehnt.

Die Farben werden teilweise schon seit Generationen für den speziellen Geschmack der Kundschaft aus Hamburg gemischt, basierend auf Qualitätsware von Brillux. Konsequenter Weise gibt es dazu auch "Hamburgs Edition", eine Auswahl exklusiver Stoffe und Wandbeläge, komplettiert von eigenen Möbeln und Bodenbelägen.
aus BTH Heimtex 06/12 (Handel)