Europäische Laminatkonferenz: Weitere verbindliche Standards gefordert

Jeder in der Prozesskette beeinflusst das Endprodukt

Chemieunternehmen, Dekordrucker, Papierhersteller, Oberflächenbeschichter, Maschinenkonstrukteure und einige mehr leisten ihren Beitrag, damit eine Laminatoberfläche als Fußboden oder Möbelstück beim Verbraucher landet. Aber kennt jeder die Probleme des anderen? Wie steht es um die Branche, wie ist ihre Zukunft? Rund 165 Fachteilnehmer besuchten die 10. Europäische Laminatkonferenz in Hamburg.

Die gute Nachricht ist: Von den Krisenjahren 2008 und 2009 haben sich viele Unternehmen aus den Bereichen Papier, Dekordruck, Beschichtung und Laminatboden wieder erholt. Vergleichsweise schlecht steht es um Holzwerkstoffplatten. Und deren Absatz ist ein wesentlicher Indikator für den Erfolg der Laminatbranche. Dem westeuropäischen Markt prophezeit die Beratungsfirma Pöyry Management Consulting daher keine überragenden Aussichten. Der Wirtschaft insgesamt drohe eine zweite Rezessionsphase und von den klassischen Treibern - Hausbau und Möbelnachfrage - kämen keine Impulse. Zudem würden Preise für Holz und Dekorpapier steigen. Erst 2016 rechnen die Analysten mit einem Aufwärtstrend. Besser soll es in Osteuropa laufen. Zwar wird auch dort die aktuelle Nachfrage sinken, doch vermutlich in geringem Maße.

Schwierig einzuschätzen bleiben die Märkte allemal. Ein gutes Beispiel ist Russland. Dr. Leonid Barash aus St. Petersburg, ein vehementer Streiter für höhere Produktionsqualität in seinem Land, schätzt den gesamten Laminatbedarf in Russland auf 50 bis 60Mio.m. Nur 9,8Mio.m davon würden im eigenen Land hergestellt, obwohl die fünf großen russischen Hersteller insgesamt eine Kapazität von 36Mio.m hätten. Vor allem die Bedarfszahlen halten die Marktforscher von Pöyry für zu hoch gegriffen. Knapp 40Mio.m kämen der Realität näher. Einig sind sich in- und ausländische Marktbeobachter aber bezüglich der Gründe für Russlands niedrige Eigenproduktion. Schlechte Papierqualität, keine kreativen Dekore, alte Produktionsmaschinen und unzureichendes Fachwissen bewirken, dass sich russische Laminathersteller überwiegend mit billigem CPL (Continuous Pressure Laminate) befassen. Für gute Böden taugt das ebenso wenig wie für hochwertige Möbelflächen. Der kaufkräftige russische Verbraucher, so hieß es, bevorzuge anspruchsvolles Design - das sei nur über den Import erhältlich.

Titaniumdioxid - ein besonderes Rohmaterial

Was die Industrie vor allem umtreibt, sind Rohstoffe unter Kosten- und Qualitätsgesichtspunkten. Titaniumdioxid (TiO) ist solch ein Stoff. Als Pigment wird er dem Dekorpapier, mitunter auch dem Imprägnierstoff, beigefügt und beeinflusst mit seiner Lichtdurchlässigkeit optische Eigenschaften des Laminats. Nun gibt es nicht nur ein TiO-Pigment, sondern eine Vielzahl von Typen, ausgerichtet auf bestimmte Beschichtungsvorhaben. Ob das "richtige" Pigment genutzt wird, ist für manche eine Frage des Preises. Benutzt ein Dekorpapierhersteller billige Pigmente, leidet fraglos die Qualität. Speziell auf gewünschte Eigenschaften eines Produktes abgestimmte Pigmente sind zwar teurer, können aber in geringerer Dosierung deutlich bessere Ergebnisse erzielen. Das verdeutlichte auf der Laminatkonferenz Yannick Dewilde vom Chemieunternehmen Christal Global.

Einen weiteren Effekt von Titaniumdioxid rief Dr. Volker Schmitt von Kronos International ins Gedächtnis: Als Fotokatalysator kann es selbstreinigende Effekte auf der Oberfläche bewirken. Schon in vergangenen Jahren haben Fußbodenhersteller Oberflächen angeboten, die gewissermaßen die Raumluft säubern sollten. Das geschieht, indem die kristallinen Nanopartikel des TiO als Katalysator wirken, UV-Licht absorbieren und zusammen mit Sauerstoff und Wasser freie Radikale formen. Diese wiederum sind in der Lage, organische Moleküle in ihrer Umgebung - beispielsweise Formaldehyd, Zigarettengeruch oder andere Schadstoffe - in harmlose Substanzen zu zerlegen. Je mehr Licht die Oberfläche erhält, desto höher ist der Effekt. Weil Schatten die Wirkung herabsetzt, hat Kronos seine TiO-Fotokatalysatoren mit Kohlenstoff geimpft. Ihnen reicht nun einfaches Innenlicht für die Arbeit. Ein Nachteil allerdings muss noch behoben werden. Ein Oberflächendekor mit den genannten Eigenschaften erhält im Laufe der Zeit einen gewissen Gelbstich.

Technik und Emotion

Die technische Herstellung eines Produktes und seine Darstellung im Verkauf - das sind zwei Bereiche, die unterschiedlicher nicht sein können. Ingenieure und Techniker auf der einen Seite, Werbe- und Marketingfachleute auf der anderen decken diese Aspekte ab. Auch die Laminatkonferenz hatte zu beiden etwas zu sagen. Jens Fandrey von Kleiberit stellte die Hotcoating Hochglanzbeschichtung von melaminbeschichteten Holzwerkstoffplatten vor, ein Verfahren, dass auch bei Fußböden zum Einsatz kommen kann und Vorteile gegenüber Overlay oder herkömmlichem Lack bringen soll. Bevor es aber soweit ist, muss erst ein Dekor gedruckt werden. Das geschieht zum Beispiel auf einer Jupiter Druckanlage von Hymmen. Von 1,4 bis 5,7Mio.m reichen die Jahreskapazitäten verschiedener Typen. Bei Meisterwerke steht eine Anlage mit 600mm Arbeitsbreite. Um Melamin bedrucken zu können, wurde eine besondere Tinte entwickelt, die im ersten Schritt UV-getrocknet wird und dann bei Druck und 130 Grad C aushärtet. Die Druckköpfe für die Maschine kommen von Xaar. Sie sind ein technisches Wunderwerk. Was notwendig ist, damit ein einzelner Farbtropfen in der benötigten Menge auf genau dem richtigen Platz eines fotorealistischen Dekors landet, dazu bedarf es eines profunden Know-hows.

Doch all diese Feinheiten interessieren am Ende weder den Innenarchitekten noch den Verbraucher. "Diese Leute kann man nur mit einer Geschichte gewinnen", sagt Kenn Busch von Material Intelligence, der Unternehmen in der Vermarktung berät. In den USA hat er kürzlich einen Laminatboden an der Wand gesehen. "Wenn das Produkt den Geschmack trifft, wird sogar der Preis zur Nebensache." Vorreiter ist für ihn die Fliesenindustrie. Sowohl in Sachen Digitaldruck wie in der wertigen Präsentation ihrer Böden und Wände habe diese Branche die Laminatindustrie hinter sich gelassen. "Unsere Verkäufer dagegen entschuldigen sich fast dafür, dass sie nur Laminat anbieten und machen im gleichen Atemzug den Preis zu ihrem Hauptargument." Das hält Kenn Busch für fatal. Statt dessen sollte die Branche auf ihre "grünen" Vorteile als CO-Speicher verweisen, Ästhetik deutlicher betonen, Nachhaltigkeit in der Verfügbarkeit und Haltbarkeit eines Dekors sowie leichte Montage in den Vordergrund rücken. "Das alles verwoben zu einer Geschichte, die den Wert und die Vorteile des Produktes unterstreicht - dann erreicht man die Herzen der Entscheider."

Standards oder Individualität

Eine großes Thema für die Laminatbranche sind verlässliche Standards. Die einen wollen sie, um bessere Kontrolle über die gesamte Prozesskette zu erhalten, andere fürchten um ihre Individualität und vielleicht ein Alleinstellungsmerkmal zu verlieren. Standardisierung hat immer mit messbaren Eigenschaften zu tun. Man braucht festgelegte Ausgangswerte, ein Referenzprodukt und eine geeignete Messmethode.

Für Laminatfußböden wurde Anfang 2012 eine neue Norm in Kraft gesetzt - die EN 16094. Sie behandelt die Widerstandsfähigkeit gegen Mikro-Kratzer. Einen ähnlichen Testaufbau schlägt das Institut für Holztechnologie Dresden auch für HPL-Möbeloberflächen vor. Der Glanzgrad vor und nach festgelegten "Kratzrunden" mit einem Scotch Brite im Martindale-Gerät wird gemessen und könnte in fünf Klassen gegliedert werden (wie AC1-AC5 bei Laminatboden). Nicht überraschend aber erwähnenswert sind einige Nebenresultate der Untersuchung: anti-kratz-beschichtete Oberflächen (Korund) sind tatsächlich weniger anfällig, dreidimensional strukturierte Oberflächen zeigen zwar unter dem Prüfgerät Kratzer, das menschliche Auge nimmt diese aber viel weniger wahr als bei glatten Flächen. Dagegen fallen Kratzer auf dunklen, glänzenden Oberflächen im Gegenlicht deutlicher auf als bei hellen, matten Flächen.

Zurück zur Prozesskette. Hier können nachvollziehbare Standards effizientere Arbeitsweise bewirken. Weniger Produktwechsel, Maschinenreinigung und Ausfallzeiten, mehr Flexibilität sowie verringerte Entwicklungskosten und Musterverwaltung - das sind einige Aspekte, die sich Papierhersteller von festgelegten Standards erhoffen. Ein besonderer Schwerpunkt: die Einstellung und Wiederholbarkeit der Farben.

Farbe hat viel mit Gefühl zu tun. Morgens betrachtet der Mensch eine Farbe anders als nach einem Acht-Stunden-Tag. Eine objektive Beurteilung ist daher schwer. Wäre Farbe messbar, ginge vieles einfacher und schneller im Prozess des Dekordruckens. "Hyperspektrale Darstellung" soll das Problem lösen. Süddekor jedenfalls versucht es auf diese Weise. Entwickungsleiter Matthias Otting stellte das Verfahren vor. Und das geht so: Ein ACMS (Advanced Color Measuring System) Scanner der österreichischen Firma IPAC ist in der Lage, für jedes Farbpixel ein volles Farbspektrum zu erstellen. 5.000 Gigabyte Festplattenkapazität sind notwendig, die Daten zu verarbeiten. Um daraus einen prüfbaren Standard zu machen, benötigt man für jedes Dekor erstens das Ursprungsdesign, zweitens ein Referenzprodukt und drittens das zu prüfende Produktmuster. Am Ende kann ein Qualitätszertifikat erstellt werden, an dem sich die gesamte nachfolgende Produktion orientieren muss.

Süddekor ist nicht der einzige Drucker, der mit dem ACMS arbeitet. Ein Firmengeheimnis ist die Sache also nicht und könnte daher zu einem branchenweiten Standard beitragen. Allerdings gibt es auch hier Einschränkungen. Metallische Oberflächeneffekte zum Beispiel lassen sich nicht messen, die benötigten Geräte sind teuer und um die Farbmessung richtig zu nutzen, muss ein Unternehmen interne Strukturen ändern. Und schließlich ist es mit dem Dekorpapier allein nicht getan. Das Trägermaterial, die Holzwerkstoffplatte, hat mindestens ebensolchen Einfluss auf das optische Farbbild des Dekors. "Als Plattenhersteller hören wir das zwar nicht gern", sagt Claus Raschka von Pfleiderer, "es zeigt aber, dass ein Zulieferer allein die Qualität des Endproduktes nicht überschauen kann." Er rief daher alle Teilnehmer am Laminat-Herstellungsprozess auf, Maßnahmen zur Standardisierung zu unterstützen. Reaktionen aus dem Publikum bewiesen, dass hier ein Nerv getroffen wurde. "Könnte nicht ein Forum oder eine Arbeitgruppe geschaffen werden, wo Hersteller sich dieses Problems annehmen?"

Standardisierung ist so einfach nicht. Dass für fast jedes Dekor ein eigenes Dekorpapier entwickelt wird, scheint Außenstehenden zwar äußerst ineffizient, doch es gibt technische Gründe. Einigen kann man sich eher bei Basisfragen. Die Dekorpapier-Industrie ist an gleichmäßigem Farbverbrauch und einheitlichen Papiergewichten interessiert. Das soll auch einen Trend zu billigem, minderwertigem Material verhindern. "Wenn die Qualität sinkt, merkt das der Verbraucher und unser Produkt verschwindet vom Markt", so die Sorge. An einen 100% gleichen Standard in der Branche glaubt ohnehin niemand. Dazu legt der kreative Wettbewerb zu hohes Gewicht auf Differenzierung.
aus Parkett Magazin 03/12 (Bodenbeläge)