Kleiner Fehler - Großer Schaden

Feucht + Weich: Wenn der Estrich nicht trocknet

Fußbodenkonstruktionen zählen zu den komplexesten und am höchsten belasteten Bauteilen - schon kleine Fehler können hier große Auswirkungen haben. Dabei hat jede Baustelle ihre eigenen Tücken. Oft zeigt sich erst anhand der Ursachenforschung im Schadensfall, worauf ein Fußbodenverleger alles achten muss. FussbodenTechnik deckt in Zusammenarbeit mit namhaften Sachverständigen anhand realer Schadensfälle mögliche Fehlerquellen auf. Diesmal geht um einen Estrich, der trotz Estrichbeschleuniger nach 15 Wochen immer noch nicht belegreif war.


In den Gymnastik- und Kraftsporträumen neben einer Sporthalle baute ein Estrichleger 400 m Zementestrich der Festigkeitsklasse F5 (früher ZE 30 genannt) auf einer vorhandenen Betonsohle ein. Der Untergrund war fachgerecht mit einer Bitumenschweißbahn gegen Bodenfeuchtigkeit abgedichtet und mit einer Polyurethandämmschicht inklusive Folienabdeckung versehen. Bei den erwarteten Nutzlasten von 5 kN wurde ein 75mm dicker Zementestrich eingebaut - das entsprach 10mm mehr als die Normanforderung.

Laut Leistungsverzeichnis musste dem Estrich ein Estrichbeschleuniger mit Faserbewehrung beigemischt werden. In der Rechnung des Estrichlegers wurde eine Dispersion als Estrichbeschleuniger aufgeführt. In dem Produktdatenblatt des Herstellers wird eine Festigkeitssteigerung und eine Reduzierung des Anmachwassers versprochen. Angaben zum vorzeitigen Erreichen der Belegreife werden nicht gemacht.

Neun Wochen nach dem Estricheinbau sollten großformatige Kautschukplatten verlegt werden. Der Bodenleger führte zwei CM-Messungen durch und stellte eine Restfeuchte von 3,5 CM-% fest. Daraufhin meldete er Bedenken an. Als der Estrichleger selbst Feuchtigkeitsmessungen durchführte und diese mit < 2,0CM-% angab, wurde der Sachverständige mit der unabhängigen Überprüfung der Restfeuchte beauftragt.


Schaden: Hohe Feuchte, niedrige Festigkeit

Orientierende elektrische Feuchtigkeitsmessungen mit einer Kugelkopfelektrode bestätigten eine erhöhte Feuchtigkeit. Die Anzeige lag im erhöhten Bereich von 80 bis 90 Digits. Die zusätzlich durchgeführten CM-Feuchtigkeitsmessungen bestätigten den ersten Eindruck. Das über den gesamten Estrichquerschnitt entnommene Mischgut ergab 3,0 und 3,2 CM%. Die zweite Prüfung musste abgebrochen werden, weil der maximale Manometerdruck des CM-Gerätes erreicht war.

Schließlich wurde vereinbart, über einen Zeitraum von 14 Tagen Zwangstrocknungsmaßnahmen mit Kondensattrocknern durchzuführen. Fast 15 Wochen nach dem Estricheinbau führte der Sachverständige weitere CM-Messungen durch, die nur eine unbedeutende Rücktrocknung ergaben: Die Feuchtigkeitsgehalte lagen immer noch zwischen zu hohen 2,8 und 3,0 CM-%.

Neben dem Feuchtigkeitsproblem hatte der Estrich zusätzlich ein Festigkeitsproblem: Schon bei den ersten Feuchtigkeitsmessungen fiel die bräunliche Färbung im unteren Bereich auf, die sich beim zweiten Termin bestätigte. Partiell stellte der Sachverständige in der unteren Estrichschicht eine Haufwerksporigkeit (Hohlräume) und eine ungenügende Verdichtung fest.

Beim Aufstemmen des Estrichs waren die oberen 2 bis 3cm sehr fest, hingegen die unteren 4cm sehr weich. Da es in der Fläche zahlreiche geradlinige Risse gab, empfahl der Sachverständige dem Bauherrn, eine Bestätigungsprüfung des Estrichs in Bezug auf die ausreichende Tragfähigkeit durchführen zu lassen, schließlich sollten darauf später die Geräte eines Kraftsportraumes stehen.

Die Probenentnahme des Estrichs bestätigte eine stark variierende Verdichtung. In der unteren Estrichzone gab es Ausbrüche und der Estrich zeigte teils lehmig-braune Feinstteile. Bei der durchgeführten Bestätigungsprüfung des Estrichs nach DIN 18560 Teil 2 wurden ungenügende Festigkeitswerte an allen drei Probeplatten ermittelt. Sie entsprachen nicht der angestrebten Festigkeitsklasse F 5, teilweise noch nicht einmal der Festigkeitsklasse F 4 (ZE 20).

Deutliche Ausreißer gab es auch bei den Biegezugfestigkeitswerten. Die 60mm breiten Estrichstreifen ergaben Werte zwischen 1,8 N/mm und 3,3 N/mm; mit dem Estrichgefüge stimmte etwas nicht. Weitere Prüfmaßnahme ergaben: Eine ungleichmäßige Verdichtung, einen nicht homogenen Querschnitt, eine Estrichdicke von überwiegend 80 mm, einen deutlich zu geringen Anteil des Größtkorns von 8mm und einen viel zu hohen Anteil an organischen Bestandteilen.

Zudem wurden noch deutliche Bestandteile von Glimmer und Grauwacke festgestellt, die man als so genannte Wassersäufer bezeichnet. Kurz: Der Zuschlag war für die Herstellung eines Estrichs nicht geeignet.


Ursache: Verunreinigter Zuschlag

Die gutachterliche Prüfung der Belegreife ergab, dass der Zementestrich auch 15 Wochen nach dem Einbau ein unübliches, hohes Feuchtigkeitspotential von deutlich über 3,0 CM-% aufwies. Grund hierfür war ein ungeeignetes Zuschlagmaterial, insbesondere ein verunreinigtes Kiesgemisch. Bestandteile wie Glimmer und Grauwacke sorgten für eine erhebliche Verlängerung der Estrichtrocknung.

Da jedoch die Estrichkonstruktion auch nicht die erforderliche Tragfähigkeit aufwies, spielte die längere Trocknungsphase des Estrichs für den Schadensfall eine untergeordnete Rolle. Die nicht erreichte Festigkeit machte sowieso den Rückbau des Estrichs erforderlich. Ein zementärer Schnellestrich sorgte dafür, dass das Bauvorhaben noch einigermaßen fristgerecht fertiggestellt werden konnte.


Verantwortlichkeit: Estrichleger haftet

Die Aussage des Gutachters war eindeutig: Der Estrichleger konnte die Belegreife des Estrichs in 14 bis 16 Tagen mit der Beimischung einer Polymerdispersion nie und nimmer erreichen. Dies sollte auch mit Trocknungsbeschleunigern bei einer Estrichdicke von 80mm kaum möglich sein. Stattdessen hätte er lieber gleich einen Schnellzementestrich anbieten und einbauen sollen.

Außerdem entsprach die eingebaute Estrichkonstruktion in Bezug auf die Zuschlagstoffe und die Festigkeit nicht dem Stand der Technik. Die für die Krafträume vom Architekten vorgegebenen Einzel- und Flächenlasten wurden nicht erreicht. Die technische Verantwortlichkeit geht zu Lasten des Estrichlegers, der einen deutlichen wirtschaftlichen Schaden erlitt.

Fazit

Ein Estrichleger sollte sich bereits im Rahmen der Erstellung eines Angebotes immer klar sein, dass geeignete Materialien eingesetzt werden müssen. Die Zugabe von weniger Wasser und Trocknungsbeschleunigern bedeutet nicht automatisch, dass die vorgegebenen Fristen erreicht werden können. Solche Estrichbeschleuniger funktionieren nur dann, wenn alles stimmt - das beginnt bei der Estrichherstellung und endet bei den baulichen Gegebenheiten, insbesondere dem Bauklima.


Der Autor


Fußboden-Gutachter Helmut Becker ist öbv. Sachverständiger für das Estrich- und Parkettlegerhandwerk sowie für Bodenbeläge.

Professor-Lübeck-Straße 8
36088 Hünfeld
Tel.: 06652/2309
Fax: 06652/748778
Internet: www.gutachter-becker.de


Leserbrief - Anmerkungen zum Artikel


"Bauleitung hat sich anfangs gar nicht um Bauklima gekümmert"

In seiner geschätzten Rubrik berichtet Helmut Becker regelmäßig mit großer Sachkunde von den Dingen, die beim Einbau eines Estrichs schief gehen können. Manchmal geht allerdings selbst bei einem Gutachter etwas schief. Das wissen wir bei dem in FussbodenTechnik 4/2012 geschilderten Fall ziemlich genau, weil wir der Estrichleger sind, dem der Schaden passiert ist. Mal abgesehen davon, dass Herr Becker über einen Fall schreibt, bei dem er zwar als Berater vom Bauherren beauftragt worden ist, bei dem aber die eigentliche (gerichtliche) Wahrheitsfindung noch gar nicht begonnen hat (obgleich wir die Kosten von ihm schon aufs Auge gedrückt bekommen haben), sind zu dem Fall auch ein paar sachliche Anmerkungen zu machen, die im Artikel fehlen. Bauen ist halt ein komplexer Vorgang, besonders wenn es schief geht.

Richtig schreibt Herr Becker, dass wir wegen der geforderten frühen Belegreife ein Estrichzusatzmittel eingesetzt haben. Wir setzen das Mittel schon jahrelang erfolgreich ein und werden dabei in der Regel von einem Anwendungstechniker des Herstellers betreut. Der Zusatz ermöglicht die Reduzierung des Anmachwassers, was praktischerweise eine frühe Trocknung zur Folge hat. Die in der Ausschreibung gefordert 14 Tage sind dabei gewöhnlich leicht zu erreichen. Wenn - ja, wenn, wie Herr Becker im letzten Halbsatz seines Artikel gerade noch erwähnt, das Bauklima stimmt. Das war nun auf der Baustelle ganz sicher nicht der Fall.

Da die Bauleitung sich anfangs gar nicht um ein Bauklima gekümmert hat, welches die ordnungsgemäße Trocknung des Estrichs ermöglicht, hat der Anwendungstechniker die Parameter des Bauklimas noch einmal vor Ort gemessen. Die Werte von Luftfeuchtigkeit, Raumtemperatur und Oberflächentemperatur ließen vier Wochen nach Einbau des Estrichs immer noch keine ordnungsgemäße Trocknung zu. Die Bauleitung wurde darauf aufmerksam gemacht, fing aber erst weitere vier Wochen später mit Maßnahmen zur Verbesserung des Bauklimas an. Und wie! Kondenstrockner und Warmlüfter kamen zum Einsatz. Die Luftfeuchtigkeit wurde in kürzester Zeit von über 80 % auf unter 30% gesenkt. Man nennt das auch Zwangstrocknen. Mit dem schönen Ergebnis, dass das auch nicht geholfen hat. Wie Herr Becker feststellt, war der obere Bereich dann zwar trocken, aber im unteren Bereich war der Estrich weiterhin feucht. Wir sind Estrichleger und keine Bauchemiker, aber das es bei so massiver plötzlicher Trocknung zu einem Kapillarabriss im Estrich kommen kann, der die weitere Trocknung sehr erschwert, scheint für uns nachvollziehbar. Herr Becker tat unseren Hinweis diesbezüglich als nicht gesicherte wissenschaftliche Erkenntnis ab.

Es ist jetzt nicht so, dass wir die Befunde die das von Herrn Becker beauftragte Büro bei der Analyse der Zuschlagsstoffes in Frage stellen, unsere Untersuchung des Kieses hatte ähnliche Ergebnisse. Was aber nach unserer Meinung nicht geht, ist die Einseitigkeit, mit der der Fall geschildert wird.

Noch zwei Anmerkungen: Die von Herrn Becker ermittelten Werte der Bestätigungsprüfung entsprachen nur in einem Raum nicht den F5 Normen. Der Ausbau des gesamten Estrichs erfolgte wegen des unklaren Trocknungsverhaltens des Estrichs. Und der Hinweis von Herrn Becker, wir hätten doch besser einen Schnellzement anbieten sollen, ist ein bisschen blauäugig. Es handelte sich um eine öffentliche Ausschreibung, bei der der preisgünstige Bieter den Zuschlag erhält. Wäre der Kies nicht problematisch gewesen, und/oder hätte sich die Bauleitung ihrer Verantwortung für das Bauklima gestellt, hätte es auch das bewährte Zusatzmittel mit einem Bruchteil der Kosten sehr gut getan.

der Estrichleger (Name und Anschrift sind der Redaktion bekannt)
aus FussbodenTechnik 04/12 (Handwerk)