Tischwäsche 2012

Ein Thema mit angenehmen Überraschungen


Sie ist auch im auf Wohnkultur und Haustextilien spezialisierten Einzelhandel nicht unbedingt das "Bringer"-Thema. Tischwäsche - übrigens so genannt mehr in Fachkreisen und weniger von Verbrauchern, die lieber exakt Einzelteile bezeichnen und sich unter dem Begriff "Wäsche" Teile zum Bügeln und Stapeln vorstellen - ist dem Umsatz nach im Einzelhandel kein Stiefkind, wenn der sie erst einmal statistisch erfasst und sich Gedanken darüber macht.

Sie ist vom Platzanspruch her nicht unbedingt bescheiden und fordert mehr als diskrete Lagerung im Verkaufsregal. Tischwäsche hat es geschafft, Teil der so genannten Tischkultur zu sein, auch im modernen Trend zu Minimalismus, was die Formate der textilen Teile betrifft. Auch wenn Hersteller und Handel bedauern, dass "immer nur Läufer und Sets" gekauft werden, fügt sich alles zum dekorativen einladenden Bild. Kreativ verkaufen ist dabei nur ein Schlagwort, das Mut und Spaß voraussetzt, sich mit Formen, Farben, Materialien, Düften, Kochkunst und Genuss auseinander zu setzen - nicht nur die Tischdekoration zu pflegen und zu erweitern, sondern die Lust am geselligen Zusammensein.

Tischkultur gibt es seit langem

Kenner der zumindest in Europa seit Jahrhunderten praktizierten Sitten und Gewohnheiten rund um Tisch und Esslust fanden es der Mühe wert und interessant genug, sich mit Tischkultur und damit auch mit dem, was wir heute Tischwäsche nennen, zu beschäftigen. Das Traditionsunternehmen Le Jacquard Franais (Logo LJF), das seit 1888 in Gérardmer, im ostfranzösischen Gebirgsmassiv der Vogesen, weltweit beliebte Damast-Tischwäsche webt, ging der Sache nach - zur Pflege seiner Weltmarke und als Anerkennung und Animation der engagierten Fachbelegschaft. Tischdecken gab es bereits in der Antike, und bei den Galloromanen waren es farbige Leinendecken, die aus alten Berichten und Darstellungen identifiziert wurden. Weiße Servietten brachten sich die Gäste selbst mit zum Mahl und die dienten zu allerlei praktischen Anwendungen - zum Abwischen von Gesicht und Händen und um Reste des Festessens von der Tafel mitzunehmen. "Tisch" genannt wurden im Mittelalter große Bretter, die bei Banketten auf Gestelle gelegt wurden. Tischdecken konnten sich damals nur Vermögende leisten. Sie dienten also zur Markierung seines sozialen Standes und es gab eine klare Rangordnung, wem beim Mahl eine Tischdecke zustand.

In der Renaissance entwickelten sich Seidendamaste als teurer Tafelbelag, der aus Persien und Venedig importiert werden musste, da es Seide in Europa nicht gab. Damals begann, so berichtet LJF, die Wertigkeit des Leinens, besonders von Flandern aus. 1496 entstanden die ersten Webereien. Damastleinen, gewebte Bilder gab es bereits im 9. Jahrhundert. Auch die Serviette hat ihre eigene Geschichte. Im 15. Jahrhundert hing sie als lange Stoffbahn in der Nähe der Tafel an der Wand, für alle zugängig. Im Laufe der Zeit verkleinerte sich diese und wurde aus Damastleinen in etwa einem Meter Breite auf der linken Schulter oder um den Hals getragen, um die Halskrause zu schützen. Bis ins 19. Jahrhundert waren Tischdecken und Servietten aus Damastleinen für die Wohlhabenden reserviert. Die neu erfundenen Jacquardwebstühle und die Verarbeitung von preiswerter Baumwolle in europäischen Fabriken machte Tischwäsche populärer. Für die Bürgerschicht gehörte sie als Savoir Vivre zumindest in Frankreich bereits zur Tischkultur.

Im 20. Jahrhundert demokratisierte sich die alltägliche Nutzung von Tischdecken und Servietten, die bis dahin nur bei besonderen Anlässen zum Einsatz kamen. Ab den 60er Jahren begannen Modetrends das Spiel mit Motiven und Farben laufend zu erneuern. Weiß war bis dahin die einzig maßgebliche Farbe für Hauswäsche. Ab jetzt setzten die Stilisten die Farbe an erste Stelle. Die Tischwäsche wird als Vis-à-Vis, Tischläufer und Tischsets zentrales Dekorationselement der Einrichtung - und ein neues Mittel, seine Kreativität zum Ausdruck zu bringen.
Die neue Geselligkeit

Nun beginnt der zweite Teil der Geschichte, der für Le Jacquard Franais und die vielen anderen, ebenfalls international sehr anerkannten Hersteller von farbenfroher und traditionsbewusst dessinierter Jacquardtischwäsche aus den Vogesen Existenz bestimmend ist. Es geht um den Erhalt der Marke, den Wettbewerb und vor allem um die Gunst der Verbraucher, wobei der Handel die wichtige Vermittlerrolle spielt.

Die Kultur um den Tisch war aus der Sicht der Franzosen lange Zeit geprägt und bestimmt von Protokoll und Etikette. Ein klarer Formalismus, so nennt es LJF, wies Dekoration und Kreativität in einen engen Rahmen. Das hat sich nun geändert. Diese formalen Krücken fallen weg, man will Geselligkeit, Vergnügen und keinesfalls auf Einladungen und Gäste verzichten. Wenn Pläne und Savoir-Vivre-Vorgaben das Geschehen um den Tisch nicht mehr zwingend regeln, heißt es Eigeninitiative zu entwickeln, eine individuelle Note zu finden. Geselliges Essen ist Teil der französischen Kultur, das wird beibehalten. Es wird einfach informeller, man trifft sich zum Aperitif, zum Picknick, zum Büffet. Für die Tischkultur tun sich neue Facetten auf. Man will zusammen vergnügt sein und nicht mehr seinen sozialen Status darstellen wie bei formellen Einladungen zum Essen. Dafür gilt es, mit Esprit eine gesellige Atmosphäre zu schaffen - und das einfallsreich und kreativ.

Hoher dekorativer Wert

Tischwäsche wird - so das Fazit des Herstellers, der in diesem Fall für alle Mitbewerber spricht - geschätzt für ihren besonderen dekorativen Wert. Die Unternehmen sind herausgefordert, sich diesen neuen Trends anzupassen, für das heutige Lebensgefühl neue Dimensionen und neue Produkte zu schaffen. Das fängt schon ganz praktisch an mit neuen Abmessungen und Formen, wie Couchtische oder Büffet. Damit schließt sich der Reigen dieses kleinen historischen Blickes auf den textilen Teil der Tischkultur. Der Ball geht an den Handel und an dem liegt es nun, das Spiel und das Tun um die neue Geselligkeit in Schwung zu halten. Dass das gelingt, zeigen unsere Beobachtungen von wenigen, aber völlig unterschiedlichen Handelsformen.
aus Haustex 06/12 (Haustextilien)