Textiler Weltmarkt

Rekordhoch bei Produktion und Nachfrage


Das Volumen der gesamten Fasernachfrage hat im Jahr 2011 ein neues Rekordhoch von 82,0 Mill. t erreicht. Dies entspricht einer Zunahme gegenüber dem Vorjahr von 2,4 Prozent und einem durchschnittlichen Pro-Kopf-Verbrauch von 11,8 kg textiler Materialien für Bekleidung, Heimtextilien, Teppiche und technische Textilien. Die Entwicklung der Fasernachfrage verlief jedoch während des letzten Jahres nicht gleichförmig, sondern hat sich im Jahresverlauf abgekühlt. Zuwächsen des ersten Halbjahres stand aufgrund einer konjunkturellen Eintrübung eine deutlich geringere Konsumnachfrage im zweiten Halbjahr gegenüber.

Naturfasern haben sich als Folge des starken Nachfragerückgangs von Baumwolle mit 3,4 Prozent rückläufig auf 29,4 Mill. t entwickelt. Dagegen erfreute sich das Segment der Chemiefasern einer weiter zunehmenden Nachfrage um 6,0 Prozent auf 52,7 Mill. t, wobei synthetische Chemiefasern um 5,9 Prozent auf 48,0 Mill. t zunahmen. Konkret konnten Polyesterfasern ihre dominante Position weiter ausbauen, und auch Acryl- und Polypropylenfasern konnten jeweils leicht zulegen, wohingegen Polyamidfasern Einbußen zu verzeichnen hatten. Eine noch größere Dynamik war im Segment der zellulosischen Chemiefasern festzustellen. Bei einem Gesamtproduktionsvolumens von 4,7 Mill. t betrug der letztjährige Anstieg 6,3 Prozent. Die seit dem Jahr 2001 rasante Belebung zellulosischer Chemiefasern setzte sich damit ungebremst fort.

Verteuerung textiler Produkte

Unzweifelhaft wird die textile Nachfrage weiter anwachsen. Dafür sprechen das anhaltende Bevölkerungswachstum ebenso wie der zunehmende Wohlstand. Im Besonderen bevölkerungsreiche Länder wie z. B. die Volksrepublik China oder Indien werden kräftig in das Grundbedürfnis Bekleidung investieren und infolge fortschreitender Industrialisierung auch vermehrt technische Textilien nachfragen. Im Zuge der weltweit steigenden Hygienestandards erhöhen sich auch stetig die Nachfragevolumina nach Vliesstoffprodukten für hygienische Anwendungen. Es bleibt also festzuhalten, dass diese Industrie auch künftig ein eindeutiges Wachstum verzeichnen wird.

Obwohl mit einem anhaltenden, globalen Wachstum der Fasernachfrage gerechnet werden kann, sind schon heute gewisse Risiken und Ungleichgewichte erkennbar. So scheinen die Zeiten preiswerter Baumwolle vorüber zu sein, und Preisvorhersagen werden angesichts der indischen Exportpolitik sowie des chinesischen Aufbaus von Reserven zunehmend schwieriger. Auch der zunehmende Wettbewerb mit Nahrungsmitteln begrenzt Anbauflächen für Baumwolle, so dass in Summe eine allgemeine Verteuerung textiler Produkte zu erwarten ist.

Die textile Zukunft wird also in stärkerem Maße von Chemiefasern abhängen als bisher. Denn entgegen der Annahme, dass die vorhandenen fossilen Rohstoffe in Zukunft nicht mehr für die Produktion von Chemiefasern ausreichen könnten, muss man sich stets vor Augen führen, dass nur 0,8 Prozent des geförderten Rohöls zur Chemiefaserherstellung benötigt wird. Trotzdem spricht in diesem Segment ein langfristig ansteigender Ölpreis für eine schrittweise Verteuerung synthetischer Chemiefasern. Beide Aspekte treffen für zellulosische Chemiefasern nur in eingeschränktem Masse zu. Ihr nachwachsender Rohstoff wird fast ausschließlich auf Grenzertragsflächen angebaut. Somit wird Zellulosefasern ein erhebliches Wachstum in der Zukunft zugesprochen.

Zukunft der Chemiefaserbranche

Die Herausforderungen, denen sich die Chemiefaserindustrie ständig stellt, wurden auch im letzten Jahr wieder erfolgreich bewältigt. So haben die europäischen Chemiefaserhersteller gezeigt, dass man ohne die Inanspruchnahme von staatlichen Subventionen international erfolgreich wirtschaften kann. Die aktuelle, politische Neujustierung vieler wichtiger Standortbedingungen in Europa belastet die Branche allerdings in dem Maße, dass sie zunehmend zurückhaltender investiert. Hierbei bereiten der Branche vor allem die mangelnde Konsultation der Wirtschaft bei diversen Verhandlungsgesprächen der EU (z. B. zur Ausgestaltung des Allgemeinen Präferenzsystems oder des geplanten Freihandelsabkommen mit Indien) sowie die fehlende Aufforderung von Drittländern, ihre nicht-tarifären Handelshemmnisse im Rahmen eines fairen Handels mit der EU endgültig abzubauen, große Sorgen.

Die Entwicklungen im Bereich der Energiepolitik, wie z. B. der geplante Eingriff in den EU-Emissionshandel ("Set-Aside") und die dadurch künstliche Erhöhung der Stromkosten, sorgen für zunehmende Unsicherheit bei der energieintensiven Chemiefaserindustrie in Europa. Auf nationaler Ebene wird die Chemiefaserbranche mit einer planlosen Energiewende sowie der ständigen Erhöhung der EEG-Umlage konfrontiert. Die daraus resultierende willkürliche und somit unsichere Entwicklung der Energiepreise führt u. a. schon heute dazu, dass die für die Herstellung von Windrädern und Flugzeugteilen benötigten Carbonfasern nicht in Deutschland produziert werden können. So ist man sich hierzulande zwar einerseits darüber einig, dass die Energiewende nur mit dem dafür notwendigen Ausbau der Erneuerbaren Energien gelingen kann, nimmt jedoch leichtfertig in Kauf, dass die dafür notwendige Carbonfaserherstellung und das dazugehörige Know-how abwandern.

Damit solche paradoxen Entwicklungen in Zukunft vermieden werden können, setzt sich die Industrievereinigung Chemiefaser e. V. (IVC) vehement für einen strategisch sinnvollen Ausbau erneuerbarer Energien sowie die Schaffung attraktiver Standortbedingungen für die energieintensive Chemiefaserbranche in Deutschland und Europa ein! Denn eine Welt mit einem stetigen Bevölkerungswachstum stellt neue Ansprüche an Nachhaltigkeit und Zukunftssicherung. In eben dieser Welt wird die Chemiefaserindustrie als Ressourcenschoner und Problemlöser eine Schlüsselfunktion einnehmen, da sie mit ihren Produkten in den Zukunftsmärkten Gesundheit, Energie und Klima sowie Sicherheit und Bauwesen in vielfältiger Weise vertreten ist und damit entschieden zum Wohlstand aller beiträgt!
aus Haustex 06/12 (Fasern, Garne)