E-Commerce verändert das DIY-Geschäft

Handel und Hersteller müssen sich neu orientieren

Das wachsende Online-Geschäft haben die Baumärkte lange Zeit verschlafen. Jetzt versuchen sie verlorenen Boden gut zu machen, nicht zuletzt, weil der E-Commerce ihr stationäres Geschäft bedroht. Aber auch die Lieferanten sind gezwungen, sich angesichts eines sich rasant verändernden Einkaufsverhaltens der Verbraucher Gedanken darüber zu machen, wie und auf welchem Vertriebsweg ihre Produkte zukünftig zum Heimwerker gelangen sollen.

Unter der provokanten Überschrift "Goodbye DIY?" stellt das Beratungsunternehmen Suberg Strategy Consultants (SSC) ein Dossier zur Zukunft der Baumärkte und ihrer Lieferanten in Deutschland vor. Anlass ist der Erfolg von DIY-Produkten im Internet. Der Anteil des Online-Handels am Gesamtumsatz der Branche soll bis 2020 von gegenwärtig 5 auf 20% steigen. Schon jetzt seien die Baumarktketten unter erheblichem Ertragsdruck, weil die Umsätze trotz stetig steigender Flächen stagnieren.

Gleichzeitig haben die etablierten stationären Anbieter das Online-Geschäft lange Zeit sträflich vernachlässigt. Als BTH Heimtex vor zwei Jahren die Aktivitäten der Baumärkte im Internet analysiert hat, lautete das Fazit: (Noch) keine Konkurrenz für den Raumausstatter. Lediglich die Hagebau war damals mit einem Online-Shop aktiv, in Kooperation mit dem Versandhaus Otto. Inzwischen haben zwar viele Wettbewerber nachgezogen. Von den Großen sind aber immer noch Bauhaus, Globus, Max Bahr und Toom ohne Online-Shop.

Konkurrenz von reinen Online-Anbietern

Wenn die Baumärkte sich endlich zum E-Commerce entschlossen haben, sehen sie sich im Netz nicht nur der bekannten Konkurrenz aus dem stationären Geschäft gegenüber, sondern etlichen Spezialversendern oder großen Portalen wie Amazon und Ebay. Die haben mit ihrer strikten Online-Ausrichtung und dem gutem Image bereits große Marktanteile für sich gewinnen können.

Das fängt schon damit an, dass sie im Netz leichter gefunden werden. Bei der Suchmaschinenoptimierung gibt es einen deutlichen Vorsprung gegenüber den Baumärkten, hat das Branchenmagazin "DIY" herausgefunden. Wer über Google nach entsprechenden Produkten suche, bekomme eine Trefferliste präsentiert, die von Herstellern, reinen Online-Anbietern à la Amazon und Preissuchmaschinen wie billiger.de angeführt wird, war in der Ausgabe 4/12 zu lesen. Und die werden naturgemäß weitaus öfter angeklickt als die Einträge weiter hinten in den Ergebnissen, wo sich Praktiker oder Hornbach mit ihren Web-Shops wieder finden.

Es besteht also erheblicher Nachholbedarf, was auch eine Studie von Konzept & Markt in Zusammenarbeit mit dem Dähne Verlag bestätigt. Zwar hatten 63% der Befragten schon einmal die Webseite eines Baumarktes besucht, aber nur jeder achte Verbraucher dort auch Produkte bestellt. Dem gegenüber gaben 42% an, bereits bei einem anderen Online-Shop Heimwerkerprodukte geordert zu haben.

20 Prozent der DIY-Standorte droht das Aus

Deutschlands Heimwerkermärkte sollten daher eben jene Vorteile ausspielen, die ihnen ihr Filialnetz in Kombination mit dem Internet ermöglicht, meint "DIY", und dabei auf Inspiration und Gestaltung bei den Kunden sowie Konfiguration und intelligente Bereitstellung bezüglich der Produkte setzen. Das alles immer verbunden mit einer Beratungskompetenz, die reinen Web-Anbietern in der Regel fehlt.

Unabhängig davon, ob Obi & Co. den Wettbewerb im Internet nun zu ihren Gunsten entscheiden können oder nicht, steht eines fest: Das Online-Geschäft wird zu Lasten des stationären Handels gehen. Bis zu einem Fünftel der Baumarkt-Standorte sieht man bei SSC vor dem Aus.

Folgen hat die Entwicklung aber nicht nur für den Handel, sondern auch für dessen Lieferanten. "Für B- und C-Marken wird die Luft dünner. Wenn der Handel seine Profitabilität steigen muss, fokussiert er auf wenige Top-Marken und baut gleichzeitig den Eigenmarkenanteil aus", sagt Markus Wittman vom Marktforschungsunternehmen GfK. Praktiker etwa kündigte zuletzt im Rahmen seiner Sanierung eine Steigerung der Eigenmarken von 30 auf 40% an.

Bei SSC lautet die logische Konsequenz für die Industrie, sich nach alternativen Vertriebswegen umzuschauen. Das könne bis zum Direktvertrieb gehen, den man bisher aus Rücksicht auf die B2B-Kundschaft vermieden hat. Außerdem müsse das Marketing angepasst werden. Denn: Online-Shopper informieren sich anders als der klassische Baumarktkunde. Für sie zählen weniger TV- oder Printanzeigen, sondern Nutzerbewertungen und Verbraucherforen im Netz. Das Marketing müsse eher auf einen Dialog mit dem Kunden ausgerichtet sein. Bezüglich der forcierten Eigenmarkenstrategie der Baumärkte gelte es, eine klare Linie zu entwickeln: entweder mitziehen oder sich deutlich dagegen positionieren.

Den Vertriebskanal Baumarkt werde es auch in zehn Jahren noch geben, beantworten Suberg Strategy Consultants die eingangs gestellte Frage selbst - allerdings mit veränderten Vorzeichen. Die Entwicklung habe bereits begonnen und lasse sich nicht mehr aufhalten. Andere Warengruppen wie Elektronik oder Mode zeigten die Auswirkungen des Online-Trends bereits auf.
aus BTH Heimtex 10/12 (Handel)