Dekorunikate durch neue Technologien
Mit Digitaldruck zur Losgröße Eins
Mit dem Digitaldruck eröffnen sich für die Fußbodenindustrie neue Dimensionen. Schon jetzt ist man in der Lage, das Aussehen von Naturwerkstoffen auf verblüffende Weise zu reproduzieren. Holz-, Stein- und Keramikstrukturen sind zu einem visuellen Erlebnis geworden. Doch die Maschinenbauer haben noch weitere Pfeile im Köcher, um beispielsweise Parkett durch ein Imitat zu ersetzen. Als profunder Branchenkenner hat sich Ralf Eisermann für das ParkettMagazin mit dem Themenkomplex befasst. Das Ergebnis seiner Recherchen: "Die Digitaldruckfertigung eröffnet uns die Welt der Unikate für die industrielle Fußbodenfertigung."Technischer Fortschritt soll im Allgemeinen Dinge vereinfachen, sogar im besten Sinne schöner machen und nach Möglichkeit auch günstiger sein und Ressourcen schonen. In der Folge bringt er immer Veränderung mit sich. Deshalb ist es sinnvoll, sich rechtzeitig mit den Entwicklungen auseinanderzusetzen, um auf einen Wandel vorbereitet zu sein und entsprechend zu planen.
Mit dem in den letzten Jahren immer stärker aufkommenden Digitaldruck erschließt sich nun auch für die Fußbodenindustrie eine neue Technik. Aber ist diese auch ein echter Fortschritt? Mit dieser Frage haben wir uns intensiver befasst. Das Ergebnis ist natürlich nur eine Zeitaufnahme. Wie überall zu spüren war, geht die Entwicklung schnell voran. Daher werden wir zu diesem Thema, als Abschluss sozusagen, Experten an einen Runden Tisch bitten und die wichtigsten Punkte diskutieren. Ein Auszug hieraus wird dann gesondert im ParkettMagazin erscheinen.
Recherchen bei namhaften MaschinenbauernWir kennen das Prinzip des Digitaldrucks schon seit vielen Jahren von unserem Computerarbeitsplatz zu Hause oder im Büro. Man verfügt über ein spezielles Motiv oder hat es sogar selbst fotografiert, bearbeitet es am Bildschirm und druckt es dann gleich aus. Alles am eigenen Rechner und ohne fremde Hilfe. Die Anzahl der Motive könnte - falls gewünscht - endlos sein, die Druckqualität scheint, wenn ein guter Drucker und hochwertiges Druckpapier verwendet wird, perfekt. Eine ideale Technik somit auch für die Gestaltung von dekorativen Oberflächen. Dazu gehören neben Möbeloberflächen auch laminierte Fußböden und Echtholz in furnierter oder massiver Ausführung.
Um den Stand der Technik etwas genauer zu untersuchen, haben wir stellvertretend die Labore von drei namhaften Maschinenbau-Unternehmen besucht, die auf diesem Gebiet mit zu den Weltmarktführern gezählt werden dürfen. Stimmt es denn wirklich, dass nun ein Parkett täuschend echt imitiert werden kann?
Robert Bürkle in Freudenstadt besitzt das Know-how, in extremer Schärfe Holzdekore digital zu drucken. Jedes Element ist anders im Detail und sieht somit so unterschiedlich wie echtes Holz aus. Durch den entsprechenden Parkettlack als Finish lässt es sich praktisch von einem Holzparkettstab weder optisch noch haptisch unterscheiden. Und dieses Ergebnis kann nicht nur auf einer Furnierauflage erzielt werden, sondern, nach Spachtelung und Grundierung, auch auf einer MDF Platte oder z.B. auch auf Kork.
Dass dies ebenso mit Melaminoverlay machbar ist, demonstrierte Hymmen in Bielefeld. Somit ist der Zukauf von Edelhölzern für Parkett oder von Dekorpapieren für Laminatfußboden nicht mehr zwingend notwendig.
Baumer Inspection, Konstanz, arbeitet an Systemen, die Fehler in der Holzoberfläche entdecken und analysieren. Diese Daten sollen dann an einen Digitaldrucker gegeben werden, der die Informationen dazu nutzt, um die Fehlerstelle zu überdrucken und somit eine Reparatur digital auszuführen.
Somit ergeben sich verschiedene Einsatzmöglichkeiten für den Digitaldekordruck in der Holzfußbodenindustrie:
- auf einfachstem Trägerfurnier oder Kork zur Aufwertung zum Edeldekor
- auf MDF Platte mit Lackfinish wie bei Parkett
- auf MDF Platte mit Melaminharzoverlayer als Laminatfußboden
- zur Ausbesserung von Holzfehlern im Parkettbereich
DigitaldrucktechnikDas Herzstück einer Druckanlage, wie kann es anders sein, sind die Druckköpfe mit denen die Tinte (engl. Ink) aufgetragen wird. Das Prinzip heutiger Druckstationen in der Industrie entspricht weitestgehend dem eines normalen Tintenstrahldruckers (Inkjet-Printer). Piezoschwinger schießen Tinte mittels einer Düse wie kleine Kugeln auf die entsprechende Oberfläche. Dies geschieht mit enormer Geschwindigkeit und Präzision, sodass jedes Motiv extrem scharf aus der Summe kleinster Punkte abgebildet werden kann. Um Vergleichsmöglichkeiten zu haben, wird hierbei die so genannte Punktdichte in dpi (engl. dots per inch) gemessen. In der Regel kommen die vier Grundfarben blau (C), rot (M), gelb (Y) und schwarz (K) zum Einsatz. Jede CMYK-Farbe hat natürlich ihr eigenes Piezoe-Element.
Um unterschiedliche Punkte auf einer Fläche anzusteuern, bewegt sich der Druckkopf wechselweise nach links und rechts. Im rechten Winkel dazu erfolgt der Durchlauf des Werkstücks. So kennen wir es auch von zu Hause am heimischen Tintenstrahldrucker. Der Fachmann sagt dazu auch Multipass-System .
Je mehr Farbe aufgetragen werden muss, desto länger dauert natürlich der Arbeitsgang. Deshalb haben sich die Hersteller gerade für den Industriedruck in Vollbreite überlegt, die ganze Durchlaufbreite einer Druckanlage mit einzelnen Druckköpfen zu bestücken. Das Hin- und Herfahren des Druckkopfes entfällt, die Leistung wird entscheidend gesteigert und gegebenenfalls lässt sich die Präzision noch erhöhen. Experten bezeichnen das als Single-Pass-System .
Möglich geworden ist diese Entwicklung durch die immer schnelleren Rechnerleistungen der letzten Jahre. In Fachkreisen spricht man seit Mitte der 1980er Jahre davon, dass sich alle 18 Monate die Geschwindigkeit bei Druckauftragsköpfen verdoppelt hat. Somit konnte die Technik des Schreibtischdruckers auf Industrielle Anwendungsbereiche übertragen werden.
Jede Einsparung im Farbauftrag bringt natürlich eine Kostenreduzierung. Dies kann zum Beispiel erreicht werden, wenn der Untergrund (Holz, Papier, vorlackierte Flächen etc.) bereits über die gewünschte Grundfarbe verfügt. Für den Druck werden heute UV-härtende Tinten in diversen Modifizierungen eingesetzt. Wasserlösliche Systeme sind keine Alternative, da sie wesentlich unschärfer drucken, eine höhere Trocknungs- und Härtungszeit benötigen und über schlechtere Lichtbeständigkeiten verfügen. Ebenso scheiden auf Lösemittel oder Öl basierende Tinten aus.
Übrigens: Seinen ersten und gleich sehr erfolgreichen Laufschritt machte der Digitaldruck in der keramischen Industrie beim Bedrucken von Fliesen. Hier löste er den bis dahin etablierten Siebdruck ab. Davon konnten dann später die Entwicklungszeiten in der Holzfußbodenindustrie profitieren.
Digitaldruck ist nicht alles ...Die zentrale Frage bei der Betrachtung des Digitaldrucks für Holzfußböden kommt allerdings aus einer ganz anderen Richtung, nämlich dem Oberflächenfinish. Was ist der beste Fußbodenbelag ohne eine passende Oberflächenbeschaffenheit? Auf der Oberfläche fühlt der Konsument seinen Bodenbelag. Hier regelt sich die Art seiner Pflege und seiner Dauerhaftigkeit. Die Wertigkeit des Belags findet hier ihre finale Definition. Wie geht das nun mit Digitaldruck?
Auch hier haben die Entwickler in den letzten Jahren viel getan, um fast alle etablierten Versiegelungen mit Digitaldrucktinte kombinieren zu können. Digitalbedrucktes Material kann daher heute mit allen üblichen Parkettlackeinstellungen oder mit Melaminlagen versiegelt werden. Das garantieren heute alle Anlagenhersteller, weil sie schon seit Jahren über entsprechende Erfahrungen verfügen.
Somit ist alles verfügbar, so dass der Konsument keinen Unterschied zu Parkett oder Laminat sehen oder fühlen kann, da es sich um die gleichen Oberflächen handelt. Die von uns bei den Maschinenbauern in Augenschein genommenen Muster sahen daher täuschend echt aus und fühlten sich wie Parkett oder Laminat an.
Natürlich sieht die jeweilige Vor- und Endfertigung um eine Druckstation herum für die verschiedenen Lösungen entsprechend anders aus . Einfluss auf die Digitaldruckstation selbst hat dies aber nicht. Vom Aufbau her ist diese für Parkett oder Laminat im Prinzip gleich.
Wenn somit alles perfekt gedruckt und versiegelt werden kann, und die technische Umsetzung problemlos scheint, bleibt die abschließende Frage nach der Versorgung mit schönen Druckvorlagen. Bei natürlichem Holz stellt sich die Frage so nicht. Fachmännischer Holzeinkauf und eine gute Sortierung bestimmen das Aussehen. Beim Laminatfußboden sucht sich der Hersteller die passende Darstellung beim Dekordrucker aus - und fertig.
Alles gute und etablierte Abläufe. Aber wer stellt das Motiv für den Digitaldruck zur Verfügung?
Sicher kann man dies als Digitaldruckanwender selber entwickeln. Dazu benötigt man das entsprechende Fachpersonal in Form von Designern und Bildbearbeitern. Oder es muss bei Dekordruckentwicklern zugekauft werden. Hier gibt es bereits heute namhafte Unternehmen, die als Dienstleistung hochwertige Dekore anbieten. Allerdings hat eine breite Spezialisierung für kommende Digitaldruckanlagen noch nicht stattgefunden. Doch mit Zunahme der Anlagenkapazitäten entsteht hier in den nächsten Jahren sicherlich noch ein neuer Markt - oder der Anwender muss dieses Know-how selbst erlernen.
Daher muss allen, die in Digitaldruck investieren wollen, klar sein, dass dieser Aspekt eine Herausforderung darstellt. Denn was nutzt die beste Technologie, wenn der gewünschte Input fehlt? Den liefert der Maschinenbau nämlich nicht mit.
PerspektivenTrotzdem bietet der Digitaldruck sehr gute Perspektiven. Nicht zu unterschätzen ist, dass durch die Möglichkeit, nahezu beliebig viele Motive zu speichern und "live" auszudrucken, in der Produktion die Stückzahl 1 erstmals verfügbar ist. Vorteil 1: Da kein bedrucktes Element einem anderen gleicht, kann von Uniformität keine Rede sein. Vorteil 2: Ein für das Auge natürliches Spiel stellt sich in der Flächenverlegung ein. Das war bis jetzt bei Reproduktionen so nicht möglich.
Weiterhin kann durch die permanente Speicherbarkeit aller Motive die Lagerhaltung von verschiedenen Sorten gegen Null gefahren werden. Mehr Flexibilität bei geringstem Warenbestand sind ein enormer logistischer Fortschritt. Die geringere Kapitalbindung und kürzere Lieferzeit stellen weitere Pluspunkte dar. Dass sich, wie bei allen digitalen Entwicklungen der letzten Jahre, auch bei den Druckköpfen Preisverfall und Leistungsexplosion mittel- bis langfristig einstellen werden, ist allerdings nicht von der Hand zu weisen.
Alles in allem sind die Perspektiven gut für Hersteller und Endverbraucher in Bezug auf einfachere Herstellung, natürlichere Dekore - und damit fast perfekte Imitate - nicht nur in Holz. Die Digitaldruckfertigung eröffnet die Welt der Dekor-unikate für unsere Fußbodenoberflächen.
Meilensteine des Digitaldrucks
1867 Lord Kelvin erhält ein Patent für ein Aufzeichnungsgerät mit Tintentröpfchen.
1948 Siemens Elema setzt einen Tintenstrahl zur Aufzeichnung eines Galvanometers ein.
1951 Siemens patentiert ein erstes Inkjet-Aufzeichnungsgerät.
1976 IBM stellt den ersten funktionsfähigen kontinuierlichen Inkjet-Drucker vor.
1977 Siemens stellt den ersten Drop-on-demand-Drucker mit Piezotechnik vor.
1979 HP und Canon erfinden Thermal Inkjet. Damit war das Reproduzieren von digitalen Motiven unter Hilfe von Computern möglich geworden.
1981 Erster Bubble-Jet-Drucker von Canon.
1994 Erster fotorealistischer Desktop-Drucker von Epson.
2006 Seitenbreite Druckköpfe als Durchbruch für den Produktionsdruck (Singel-Pass) u.a. von HP, Epson, Kyocera Mita, Toshiba.
2007 Bestellung der ersten Digitaldruckanlage für Fußboden bei Bürkle.
Zur Person
Ralf Eisermann war in den letzten 4 Jahren CEO der Pergo AG und damit weltweit verantwortlich für den Bereich Flooringbeim Holzwerkstoffhersteller Pfleiderer.
Der gebürtige Westfale wuchs im elterlichen Innenausbaubetrieb in Rietberg auf und begann seine Karriere nach dem Studium der Holztechnik in der Möbelindustrie Westfalens. Nach Stationen bei Hanhardt Wohmmöbelwerke und Wirus/Pfleiderer wechselte erzuGruber+Weber nach Gernsbach. Anschließend war er als Geschäftsführer in der Laminatindustrie beschäftigt, unter anderem zehn Jahre beiderClassen-Gruppe, Kaisersesch/Baruth und bis 2008 beim LaminatePark, Heusweiler.
Das Thema Innovation und Design hat ihn auf allen seinen Stationen stets begleitet. So gehen unzählige Patente und Neuerungen gerade imBereich Laminatfussboden auf sein Konto. Heute ist er als freier Berater in der Industrie tätig.
aus
Parkett Magazin 05/12
(Bodenbeläge)