Geplantes chinesisches Handelszentrum in Schwarzenbek

Die Euphorie ist verflogen


Das angekündigte chinesische Handelszentrum in Schwarzenbek, einer 16.000 Einwohner zählenden Stadt im Speckgürtel von Hamburg, galt als die bisher wohl größte Ansiedlung eines chinesischen Unternehmens in Deutschland: 50Mio.EUR Investitionssumme, 1.000 neue Arbeitsplätze, davon 300 für Manager aus dem Reich der Mitte. Das sorgte bundesweit für Schlagzeilen. Der NDR berichtete ausführlich und der damalige Ministerpräsident Peter Harry Carstensen nutzte den Coup für seinen Wahlkampf.

Investor Zhu Zhonghui, ein Unternehmer aus Haimen, der Partnerstadt Schwarzenbeks im Osten der Volksrepublik, hat mit Heimtextilien, Bergbau und Immobilien ein Vermögen gemacht und ist zugleich Vorsitzender eines Unternehmensverbandes in China mit 5.000 Mitgliedern. Daheim betreibt er auf 500.000 m das vermutlich weltgrößte Heimtextilienzentrum und unterhält bereits in den USA und Afrika Dependancen.

In Schwarzenbek sollten auf 60.000 m 300 chinesische Hersteller in Shops Bettwäsche, Handtücher und Gardinen-Muster präsentieren. Einkäufer von Fachgeschäften oder Warenhäusern aus ganz Europa wurden als Zielgruppe genannt. Top-Designer würden die Produkte aus China an den europäischen Geschmack anpassen. Die Logistik war über den Hamburger Hafen geplant, Schwarzenbek sollte zum chinesischen Heimtextilien-Tor Chinas nach Europa werden.

Bereits im September 2009 wurde eine Partnerschaftsurkunde mit Haimen unterzeichnet. Im November 2010 meldete die Lokalpresse, dass der Kauf des Grundstücks für den Bau des European Textile Center (ETC) kurz bevor steht. Die Grundsteinlegung für den ersten von drei Bauabschnitten sollte 2011 erfolgen.

Doch bis heute ist nicht viel geschehen. Auf der Weide, auf der Bau entstehen sollte, grasen noch immer Schafe; konkrete Kaufverhandlungen: Fehlanzeige.

Im vergangenen Jahr kaufte Zhu immerhin einen leerstehenden Aldi-Markt in Schwarzenbek. Hier entstanden in den letzten Monaten ein Büro sowie ein Ausstellungsraum für die chinesischen Waren, um mit wechselnden Sortimenten den Geschmack europäischer Abnehmer auszuloten, heißt es. Verschiedene Umbaumaßnahmen sind inzwischen abgeschlossen. Die Eröffnung, die zunächst für Anfang 2012 angekündigt war, wurde erst auf September und dann auf den Oktober verschoben - nun sollen sich die Türen im Dezember öffnen. Zum Sortiment gehören neben Kissen, Fertiggardinen und Tischdecken auch Bettwäsche. "Heimtextile Produkte aus Baumwolle ist unser Schwerpunkt", so Huang Hao, Assistent der ETC Geschäftsführung gegenüber BTH Heimtex.

Ob nach dem Schauraum wirklich noch ein Handelszentrum kommt, steht derweil in den Sternen. Die Euphorie in Schwarzenbek ist verflogen, und auch Bürgermeister Frank Ruppert hat inzwischen leichte Zweifel, ob seine ehemals sehr ehrgeizigen Vorstellungen jemals Wirklichkeit werden. Die Geduld der Schwarzenbeker wird jedenfalls auf eine harte Probe gestellt.
aus BTH Heimtex 11/12 (Handel)