Witzig & skurril
Was unseren bekanntesten Sachverständigen so alles passiert
FussbodenTechnik arbeitete in den vergangenen 15 Jahren immer eng mit den Sachverständigen der Bodenbranche zusammen und wird dies auch in Zukunft tun. Anlässlich des Jubiläums von FussbodenTechnik fragten wir nach witzigen und skurrilen Schadensfällen. Das Ergebnis sind außergewöhnliche Fälle, wie man sie so sicherlich noch nicht gehört hat. Freuen Sie sich auf zehn Anekdoten der Sachverständigen Norbert Strehle, Heinz-Dieter Altmann. Richard A. Kille, Siegfried Heuer, Peter Schwarzmann und Joachim Barth.
Norbert Strehle Mängel vom Winde verweht
Vor einigen Jahren erreichte mich eine Prozessakte des Landgerichts Koblenz, verbunden mit dem Auftrag entsprechend dem diesbezüglich gefassten Beweisbeschluss einen von einem Parkettleger verlegten Eichen-Mosaikparkettfußboden dahingehend zu überprüfen, ob die seitens des beklagten Bauherren behaupteten Mängel vorliegen.
Bereits das Lesen der mehr als 100 Seiten umfassenden Gerichtsakte machte richtig Spaß. Dies deshalb, weil die Parteien, der Parkettleger als Kläger und der Bauherr als Beklagter extrem unterschiedlich vortrugen und auch mit der Wahl der Worte in den Schriftsätzen sich nicht zurückhielten. Auch die Anwälte trugen wenig dazu bei, die Auseinandersetzung zu versachlichen.
Der beklagte Bauherr ist Schlossermeister und mithin auch ein Mann des Handwerks. Als solcher kannte er sich sicherlich auch aus eigener Handwerkserfahrung damit aus, wie man eine Reklamation "richtig" betreibt. Der Schlossermeister investierte in ein Mehrfamilienhaus. Die Dachgeschosswohnung war für die Tochter des Schlossermeisters vorgesehen.
In dieser Wohnung verlegte der klagende Parkettleger ein Mosaikparkett in Eiche im Wohn- und Esszimmer. Die Oberflächenbehandlung bestand darin, das Parkett zu schleifen und mit einem Wasserlack zu versiegeln. So vereinbart, so getan.
Mangelhafter Parkettboden?Die Tochter des Schlossermeisters zog in die Penthousewohnung ein, der Parkettleger schrieb seine Rechnung. Was jedoch ausblieb war die erwartete Bezahlung des gesamten Werklohnes. Nach einigen Wochen mahnte der Parkettleger an, worauf er erstmals von Beanstandungen hörte. Der daraufhin durchgeführte gemeinsame Beurteilungstermin führte zu keinem Ergebnis. Der Schlossermeister vertrat unterstützt von seiner Tochter die Meinung, dass der Parkettfußboden in höchstem Maße mangelhaft sei und sicherlich wieder herausgenommen und erneuert werden müsse. Der Parkettleger kam für sich zu dem Ergebnis, dass er ein einwandfreies Werk vollbracht habe und Nachbesserungsmaßnahmen nicht erforderlich seien.
Da eine außergerichtliche Lösung sich nicht abzeichnete, ging der Parkettleger zum Anwalt und die Dinge nahmen ihren Lauf.
An einem sonnigen und heißen Juli-Nachmittag fuhr ich dann also zum Ort des Geschehens in den Westerwald. Verkehrsbedingt bin ich etwa 20 Minuten zu spät am Objekt eingetroffen. Alle Parteien waren bereits vertreten. Der Schlosser mit Ehefrau, Tochter und Anwalt, der Parkettleger mit Anwalt sowie die Anwendungstechniker der Hersteller- und Lieferfirmen des Klebstoffes, des Parketts und der Oberflächenbehandlung, insgesamt neun Personen.
Fenster geöffnet - Mängel wegBeim Betreten der Wohnung fielen mir sofort zwei Dinge auf: Zum einen waren aufgrund der in der Dachgeschosswohnung vorherrschenden hohen Temperaturen einige Anwesende sichtlich schweißgebadet. Dies deshalb, weil alle Fenster und Terrassentüren geschlossen waren. Zum anderen lagen auf der Parkettoberfläche unzählige Zeitungsschnipsel, die die von mir in den Augenschein zu nehmenden Mangelstellen markierten. Da auch mir allmählich die hohen Temperaturen und die ebenso sicherlich hohe sommerliche Luftfeuchte zu schaffen machte, öffnete ich nach dem Verlesen des Beweisbeschlusses und der Bekanntgabe des mir erteilten Gutachterauftrages zunächst alle Fenster und Terrassentüren mit dem Ergebnis, dass aufgrund der dadurch geschaffenen Zugluft alle Markierungen durcheinander wirbelten und mehr oder weniger in einer Ecke landeten. Die Tochter reagierte erschrocken: "Um Gottes Willen, jetzt finde ich ja meine Mängel nicht mehr." Daraufhin der Anwalt der Familie leise, aber dennoch hörbar: "Schon schlecht, wenn man die Mängel nicht mehr findet."
Mein später erstelltes schriftliches Sachverständigengutachten kam zu dem Ergebnis, dass bis auf einzelne insgesamt als unwesentlich zu bezeichnende Sachverhalte der Parkettfußboden insgesamt in Ordnung und mithin mangelfrei war. Der Parkettleger hat wirklich eine als gut zu bezeichnende Leistung erbracht.
Befangenheitsantrag erfolglosDies hat mich in der zusammenfassenden Beurteilung zur Aussage veranlasst, dass "von allen in letzter Zeit von Auftraggebern als mangelhaft beanstandeten Parkettfußböden der hier gegenständliche der schönste war." Diese Aussage hat den Anwalt des Beklagten dazu veranlasst, einen Befangenheitsantrag gegen mich wegen Voreingenommenheit zu stellen, der jedoch keinen Erfolg hatte.
aus
FussbodenTechnik 06/12
(Handwerk)