Witzig & skurril
Was unseren bekanntesten Sachverständigen so alles passiert
FussbodenTechnik arbeitete in den vergangenen 15 Jahren immer eng mit den Sachverständigen der Bodenbranche zusammen und wird dies auch in Zukunft tun. Anlässlich des Jubiläums von FussbodenTechnik fragten wir nach witzigen und skurrilen Schadensfällen. Das Ergebnis sind außergewöhnliche Fälle, wie man sie so sicherlich noch nicht gehört hat. Freuen Sie sich auf zehn Anekdoten der Sachverständigen Norbert Strehle, Heinz-Dieter Altmann. Richard A. Kille, Siegfried Heuer, Peter Schwarzmann und Joachim Barth.
Peter Schwarzmann"Wenn es blitzt und funkt dann donnert es auch manchmal"
Bei einem namhaften deutschen Großkonzern hat eine freie Innenarchitektin gegen den Widerstand der Bauabteilung großflächig Filzteppiche verlegen lassen. Diese Filzteppiche wurden beim Vorstandsvorsitzenden, im Besprechungsraum und bei seiner Sekretärin ausgelegt. Anfänglich waren alle zufrieden. Als kurz nach Weihnachten ein ausländischer Großkunde eingeladen war, wollte der Vorstandsvorsitzende eine Firmenpräsentation zeigen. Beim Bedienen seines Notebooks gab es aufgrund einer statischen Aufladung einen solch starken Funkenschlag, dass der Notebook zerstört wurde.
Das zerstörte Notebook führte zu einer vehementen Reklamation bei dem Teppichlieferanten. Um die Reklamation sachlich aufzuarbeiten, wurde ich beauftragt, die Ursache für diesen Schaden festzustellen. Komisch war allerdings, dass ich erst zur planenden Innenarchitektin fahren sollte, um dann später Einlass im Konzern zu erhalten. Als ich bei der Innenarchitektin ankam, war diese vollkommen aufgelöst und nervös. Sie informierte mich, dass sie für das gesamte Konzept der Inneneinrichtung im Vorstand verantwortlich sei. Ferner wurde ich aufgeklärt, dass dieses Konzept vehement gegenüber der hauseigenen Bauabteilung durchgesetzt wurde. Sie machte sich daher keine besonderen Freunde innerhalb des Hauses und bat mich, äußerst diskret und sensibel vorzugehen. Nach dieser kurzen Einleitung fuhren wir zum Konzern.
"Sie werden bereits erwartet"Nach den üblichen Sicherheitsbelehrungen erhielten wir Zutritt ins Verwaltungsgebäude. Wie üblich thronte der Vorstand in der obersten Etage. Wir fuhren mit den Messgeräten in die Vorstandsebene und wurden von der Sekretärin sehr nett empfangen. Allerdings ließen die Worte "Sie werden bereits erwartet" schon eine leicht frostige Stimmung aufkommen. Beim Betreten des pompös eingerichteten Vorstandsbüros wurden wir kurz und sehr bestimmend begrüßt. Ich wurde sofort gefragt, was ich denn eigentlich hier wolle. Es sei doch wohl klar, dass der Teppichboden Schrott sei.
Ich ließ mich nicht beirren und führte meinen Gutachterauftrag aus. Wie üblich wird bei Beanstandungen bezüglich der Elektrostatik die relative Luftfeuchte gemessen. Zum Zeitpunkt der Begehung ergaben drei Messungen Werte zwischen 15 und 18% relative Luftfeuchte. Als ich erwähnte, dass die relative Luftfeuchte sehr niedrig sei, wurde ich mit barschen Worten in die Schranken gewiesen, frei nach dem Motto: "Das war schon immer so und hat schon immer funktioniert."
Ladungen von mehr als 8.000 VoltBei der Begehaufladung mit Straßenschuhen habe ich ein Ladungspotenzial von mehr als 8.000Volt erzeugen können. Selbst mit den leitfähigen Sandalen (Normschuhwerk) erreichten die Aufladungen noch hohe 6.000 bis 7.000Volt. Mit neuem Mut behauptete ich, dass bei normalem Raumklima - soll bedeuten bei einer relativen Luftfeuchte um 50% - Aufladungen maximal bis 2.000Volt auftreten werden. Daraufhin erwartete ich erst einmal eine hektische Reaktion. Diese blieb jedoch aus. Mein Gesprächspartner griff zum Telefon und sprach offensichtlich mit dem Geschäftsführer der Bauabteilung. Mit wenigen Worten wurde dieser aufgefordert, sofort für die Luftbefeuchtung in seinem Büro zu sorgen. Innerhalb einer Stunde müssten 50% relative Luftfeuchte erreicht sein.
Die Innenarchitektin und ich erhielten die Anweisung, uns mit dem Wachschutz in die Vorstandskantine zu begeben und uns dort verköstigen zu lassen. Wir mussten warten, bis uns jemand abholte. Dieser Teil des Auftrags war dann relativ angenehm. Allerdings war die mich begleitende Innenarchitektin extrem nervös. Ich hatte den Eindruck, dass ihr schlichtweg nichts schmeckte. Ich kann aber bestätigen, dass das Essen hervorragend war.
Nach 1 1/2 Stunden wurden wir von der Sekretärin abgeholt. Im Vorstandsbüro standen offensichtlich einige Mitarbeiter der Bauabteilung mit unterschiedlichsten Messgeräten, worauf mir bestätigt wurde, dass die relative Luftfeuchte nun 50% betrage. Frischen Mutes habe ich die Begehaufladung gemessen und konnte mit Normschuhwerk noch nicht einmal 1.000Volt Personenaufladung erzeugen. Auch mit den Straßenschuhen blieb ich unter 2.000Volt.
Mit Luftbefeuchtung wäre der Notebook noch heilDies war der Beweis, dass bei vernünftigem Klima es auch im Büro des Vorstandsvorsitzenden nicht funkt. Nun fasste auch meine Innenarchitektin wieder Mut und gab zu Bedenken, dass sie bereits in der Bauphase damals auf eine Klimatisierung inklusive Luftbefeuchtung Wert gelegt habe. Diese wurde von der Bauabteilung schlichtweg gestrichen. Ich traute mich gar nicht anzumerken, dass die Klimaanlage im Januar nicht läuft und zur Luftbefeuchtung demzufolge auch nicht beitragen kann. Kaum war der Hinweis der Klimaanlage angekommen, führte dies zu einer sehr heftigen Reaktion gegenüber den Mitarbeitern der Bauabteilung. Wir wurden so beiläufig hinausgeschickt mit den Worten: "Für Sie hat sich die Sache wohl erledigt." Noch vor dem Aufräumen der Messgeräte und dem Verlassen des Raumes wurde der Ton immer lauter und lauter. Damals kam mir der Gedanke, wenn es funkt, kann es auch in manchen Fällen blitzen und donnern. Das war wohl so.
Als die Innenarchitektin und ich gemeinsam im Aufzug nach unten fuhren, war diese heilfroh über das Ergebnis und hatte wieder die gesunde Gesichtsfarbe, die der sehr hübschen Dame auch viel besser stand, als noch die Blässe vor einer Stunde. Auf der Fahrt nach Hause dachte ich mir, auch wenn so manch ein Vorstand glaubt, dass die Gesetze der Physik für ihn nicht gelten, so holt ihn die Realität doch ein.
aus
FussbodenTechnik 06/12
(Handwerk)