Witzig & skurril

Was unseren bekanntesten Sachverständigen so alles passiert


FussbodenTechnik arbeitete in den vergangenen 15 Jahren immer eng mit den Sachverständigen der Bodenbranche zusammen und wird dies auch in Zukunft tun. Anlässlich des Jubiläums von FussbodenTechnik fragten wir nach witzigen und skurrilen Schadensfällen. Das Ergebnis sind außergewöhnliche Fälle, wie man sie so sicherlich noch nicht gehört hat. Freuen Sie sich auf zehn Anekdoten der Sachverständigen Norbert Strehle, Heinz-Dieter Altmann. Richard A. Kille, Siegfried Heuer, Peter Schwarzmann und Joachim Barth.

Richard A. Kille

Paradepuppen, Kaiser Wilhelm und die besondere Residenz

15 Jahre Fachzeitschrift FussbodenTechnik- da gibt es Parallelen zur Sachverständigentätigkeit von Richard A. Kille, die sich zum 25. mal jährt. Erlebnisse die durchaus skurril, witzig und manchmal auch sonderbar sind, bleiben im Gedächtnis und werden immer wieder mal bei einem Glas Wein aufgefrischt.

Die Paradepuppen - eine schmerzhafte Begegnung

Nahezu einen ganzen Tag verbrachte der Sachverständige in einem Seniorenheim, um die elastischen Bodenbeläge auf Schäden und Mängel zu überprüfen. Insbesondere ging es um Wurm- und Faltenbildungen in den Türlaibungen zu den Bewohnerzimmern. Die Aufgabe strategisch angegangen, ging es im Erdgeschoss los und führte dann über die Verbindungsflure von Zimmer zu Zimmer bis in das 3. Obergeschoss. Bevor ich dort angekommen war, gab es im 2. Obergeschoss gerade bei der Prüfstelleneinrichtung in der Türlaibung eines Bewohnerzimmers für den Sachverständigen eine "richtige Tracht Prügel". Über der Wurm- und Faltenbildung bückend, prasselte ein Handstock auf mich ein, der so heftig einschlug, dass ich nur noch einen "Schildkrötenrücken" machte, bis ein Pfleger und eine Pflegerin kamen und die alte Dame bändigten.

Dass die alte Dame bei Kräften war, kann ich glaubhaft versichern: eine angebrochene Rippe hielt die Erinnerung an den Vorfall zehn Wochen lang wach. In dem Seniorenheim war es so, dass jedes Bewohnerzimmer nach den Wünschen und Bedürfnissen der Senioren eingerichtet war. In diesem Fall bestand der Schatz des Zimmers aus mehrere kostbaren Paradepuppen, die gezählt wurden, bevor die Bewohnerin ihr Reich verließ, um den Speisesaal aufzusuchen. Die Dame kam aus dem Speisesaal zurück und zählte erneut ihre "Mitbewohner". Sie war ganz sicher, dasseine Puppe fehlte und nur ich es gewesen sein konnte, der diese entwendete. Ein Wort gab das andere und schon war es passiert.

Im Gespräch mit den Altenpflegerinnen erfuhr ich, dass sich diese Situation jeden Tag wiederholt: Die Seniorin läuft suchend über die Flure und fragte nach ihrer Puppe. Die Wunden sind schon lange verheilt und die Erinnerung amüsiert mich immer wieder, besonders wenn es darum geht, in streitigen Fällen die Bodenbeläge in Alten-, Senioren- und Pflegeheimen zu überprüfen.


Kaiser Wilhelm - der Schnauzbart kam ihm bekannt vor

Jahre später führte die Sachverständigentätigkeit im Rahmen einer gerichtlichen Beweissicherung in ein Seniorenheim, in dem Ende der 1990er Jahre 800 m Laminatfußböden verlegt worden waren. Die Aufgabe bestand darin, die Flächen in jedem Raum zu überprüfen. Seit Beginn des Ortstermins begleitete mich dabei ein Herr in seinem Rollstuhl, so schätzungsweise um die 90 Jahre alt. Immer wieder schaute er mich scheinbar fasziniert an. Er erzählte von früher, vom 1. und
2. Weltkrieg. Dabei zeigte er auf meinen Schnäuzer und erzählte mir, dass er Kaiser Wilhelm begegnet sei.

Bis zum Abend konnte ich die Arbeiten beenden. Da sich das Objekt in der Nähe von Kiel befand, war noch bis Köln ein weiter Weg anzutreten. Während ich die Gutachtertasche zusammenräumte und einen Kaffee trank, nahm mich der Senior in Beschlag. Ich hatte den Eindruck: Ich war fällig. Ob es Höflichkeit war oder einfach nur Interesse, oder ob die Geschichten so spannend waren, weiß ich heute nicht mehr. Einige Zeit später machte mich ein Krankenpfleger darauf aufmerksam, dass es bereits 21:00 Uhr sei. Den Geschichten zuhörend hatte ich die Zeit vergessen. Wenig später trat ich endlich die Heimreise nach Köln an. In den vier bis fünf Stunden Fahrtzeit gingen mir die Geschichten des Herrn durch den Kopf. Zwischendurch zwirbelte ich an meinem Schnauzbart. Nach der Ankunft in Köln bewunderte ich später den Sonnenaufgang. Mir ging durch den Kopf: "Das Leben ist schön, und 90 Jahre sind ein tolles Alter."

Übernachtung in einer besonderen Residenz

Der Schadensfall mit einem im Millitron-Verfahren bedruckten Teppichboden führte mich nach Fürth in eine Residenz. Die Akte mit dem bisherigen Schriftverkehr las sich amüsant, denn es ging um nicht entfernbare Kaffeeflecken. Die Empfehlung der Agentur, die den Teppichboden geliefert hatte, lautete: Zur Vermeidung bleibender Kaffeeflecken solle man die Kaffeesorte wechseln. Der Tipp führte zu keinem Erfolg.

Die Anreise erfolgte sehr spät. Ich bat meine Frau, mir in der Nähe des Objektes ein Zimmer zu buchen. Ich erfuhr, dass in der Residenz für mich ein Zimmer reserviert sei und, dass die Anreise auch des nachts erfolgen könne, da die Rezeption immer besetzt sei. Spät in der Nacht kam ich in der Residenz an und legte mich schlafen.

Am Morgen war ich der erste Gast beim Frühstück. Rund 70 bis 80 Plätze waren im Frühstücksraum eingedeckt, das Buffet war bereits bestückt. Kaum hatte ich Platz genommen, kam eine ältere Dame und fragte, ob noch Platz frei wäre. Um mich herum waren rund 70 bis 80 freie Plätze, aber ich bejahte die Frage. Sie setzte sich zu mir und wollte wissen: "Wo kommen Sie her? Was machen Sie hier? Wo wollen Sie hingehen?" Kaum 10 Minuten später kam die nächste ältere Dame, die die bei mir am Tisch sitzende kannte. Frage: Ist noch Platz frei? Bejahen musste ich diese nicht, denn ihre vermeidliche Freundin hatte sie bereits gebeten, Platz zu nehmen. Keine 20 Minuten waren vergangen und wir saßen zu fünft am Tisch und immer wieder: "Wo kommen Sie her? Was machen Sie hier? Wo gehen Sie hin?"

Was ich damals nicht wusste oder im Eifer des Gefechts untergegangen ist, es handelte sich um eine Kursana-Residenz, eine Seniorenresidenz mit hotelähnlichem Wohnkomfort und weitgehend selbständigen - und das kann ich nur unterstreichen - agilen und immer wachen Senioren.

Der "Kresse-Test" hat ausgedient

Im nunmehr 25. Jahr der Sachverständigentätigkeit habe ich unterschiedliche Verarbeitungs- und Anwendungstechniken sowie Prüfmethoden kennengelernt. In der Zeit, wo es bei Teppichböden um die Frage des Formaldehyds, Mottenschutzes, letztlich der Emissionen ging, lernte ich überwiegend im akademisch gebildeten Haushalt den "Kresse-Test" kennen. Bauherren, die einen Teppichboden reklamierten, weil er eine Geruchsentwicklung verursachte, haben den Geruch direkt mit Schadstoffemissionen in Verbindung gebracht. Irgendwie scheint sich teilweise von der Region abhängig für die Schadstoffprüfung eine Testmethode etabliert zu haben, die als "Kresse-Test" in die Historie einging. Ein Stück des Teppichbodens wurde auf der Fensterbank positioniert, befeuchtet und feucht gehalten und dabei beobachtet, wie sich die Kressesamen und letztlich die Kresse entwickelte. Wuchs die Kresse mit geraden Stielen senkrecht nach oben, war der Teppichboden in Ordnung. Zeigten die Stiele der Kresse Verwindungen, war der Teppichboden schadstoffhaltig. Die überzeugten Anwender waren beratungsresistent.

Erläuterungsversuche, wie die Frage nach Lichtreflexion, UV-Licht-Einwirkung, Doppelverglasung, Flachglas etc. und daraus resultierende, unterschiedliche Entwicklungen der Pflanzen wurden nicht gehört. Mit den Jahren der durchdringenden Analytik hat sich dann aber auch der Kresse-Test, der sich lange gehalten hat, irgendwann erübrigt. Heute hat er keine Bedeutung mehr. Mein Tipp: Versuchen Sie es einmal, das Ergebnis ist interessant.

Es gibt einige skurrile, witzige, erfreuliche und nachdenkliche Geschichten, die man als Sachverständiger, insbesondere im Umgang mit Menschen erlebt. Keine möchte ich missen.
aus FussbodenTechnik 06/12 (Handwerk)