Keine Ahnung vom Internet ist tödlich für das Geschäft
550.000 Klicks fahnden jeden Monat in Deutschland nach Parkett
Mit Staunen verfolgten viele der rund 90 Zuhörer beim 5. Zukunftssymposium des GD Holz in Fulda den Vortrag von Sanjay Sauldie. Der indischstämmige Geschäftsführer bei Eimia International, Mannheim, und Direktor des Europäischen Internet Marketing Instituts führte sie in eine geheimnisvolle Welt, die alle kennen, aber wenige wirklich durchschauen - das Internet. Sanjay Sauldie begann seine Ausführungen so simpel, als müsse er Viertklässlern ein Online-Spiel erklären. Aber der studierte Mathematiker hat Erfahrung mit Managern und Firmeninhabern jenseits der 40. Wenige von ihnen sind mit den Entwicklungen und Möglichkeiten des World Wide Web wirklich vertraut. Also machte Sauldie ihnen klar, worum es geht: Wer strategisches Internetmarketing verschläft, kann Morgen weg vom Fenster sein. "Wir befinden uns in einer Evolution der Kommunikation. Es entstehen neue Arten, aber es verschwinden auch Arten aus der Weltwirtschaft." Große Versandhäuser wie Quelle und Neckermann sind beredte Beispiele.
Langsam müsste jeder das Potenzial des Internets erkennen können. Fast das gesamte Wissen der Menschheit steht per Mouseklick zur Verfügung. Interessenten und Kunden werden immer informierter und sogar Mitarbeiter vernetzen sich und stärken damit ihre Position. Weltweit werden in 60 Sekunden 13.000 Apps heruntergeladen, mit 5,2 Mrd. Stück gibt es mehr Handys als Zahnbürsten, 900Mio.Leute tummeln sich auf Facebook und 2,1 Mrd. Menschen nutzen das Internet. Wer sich in dieser virtuellen Welt nicht auskennt, verschließt sich einem riesigen Markt. Wer die Chancen nutzt, erweitert seine Markenpräsenz.
Intelligenz heißt "oben stehen""Es reicht nicht, eine schöne Website zu haben", erklärt Sauldie den Unternehmern, "es muss auch eine intelligente Website sein." Das bedeutet, ein Interessent, der nach einem bestimmten Produkt sucht, muss schnell auf diese Website geführt werden. "Google-Optimierung" heißt das Zauberwort. Denn bei der Suchmaschine ist ein Platz auf der ersten Seite entscheidend. 99,8% aller Online-Nutzer holen sich hier ihre Information, nur 50% besuchen auch die zweite Seite und einen Klick auf die dritte Seite machen weniger als 20%.
Hilfen bei der Google-OptimierungFür den Suchbegriff "Parkett" liefert Google rund 19Mio.Einträge. Jeden Monat fahnden in Deutschland 550.000 Klicks nach "Parkett", 8.100 davon geben sogar "Parkett kaufen" ein, 27.100 forschen nach "Parkett verlegen" und gut 6.600 haben "Parkett Berlin" eingegeben, was bedeutet, dass sie vor Ort auch einen Holzhandel oder anderen Point of Sale aufsuchen würden. Korkboden, als weiteres Beispiel, wird 49.000 mal im Monat gegoogelt. Wer diese Kundschaft erreichen will, aber nicht unter den ersten 50 Treffern vertreten ist, verfügt über keine intelligente Website.
Google-Optimierung ist eine Wissenschaft für sich. Regelmäßige Betreuung der Website ist Voraussetzung. Ein kenntnisreicher Mitarbeiter muss sich der Sache annehmen. Die Aufgabe kann auch fremdvergeben werden. Google gibt Regeln vor, nach denen die Qualität einer Website eingestuft wird. Zu 23,87% wichtig ist etwa Vertrauenswürdigkeit (mobile trust), die Link-Popularität der Website fällt mit 22,33% ins Gewicht und Texte der auf die Seite weisenden Links fließen mit 20% in die Bewertung ein. Das alles ist in ständigem Fluss und nur Experten wissen, was aktuell geschieht. Immerhin gibt es Hilfen. Das Programm SEO Doctor, ein Add-on (Erweiterung, d. Red.) nur für Mozilla Firefox, diagnostiziert Probleme und gibt Webseiten eine Beurteilung, die sich an den Google Richtlinien orientiert. Der SEO Doctor hilft beim Optimieren der internen Linkstruktur, ist individuell einstellbar und ermöglicht den schnellen Zugriff auf Spezial-Tools.
Homepage ohne SchnickschnackEine Website muss auch selbsterklärend funktionieren. Da dürfen nicht bunte Banner blinken und automatisch Filme ablaufen. Das schreckt Besucher ab. Einfachheit ist die Devise. Google selbst ist das beste Beispiel. Hier gibt es nur ein Suchfeld, das dem Nutzer ankündigt: "Ich will, dass Du die Seite schnell wieder verlässt."
Ein Unternehmen will den Besucher natürlich auf seiner Website halten. Dazu muss er aber mit wenigen Klicks an sein gewünschtes Ziel kommen können. Weniger ist dabei mehr. Wenn die Website den User verwirrt, schaltet er weg. Und noch etwas: eine Firmen-Website muss auf die unterschiedlichsten Endgeräte (iPhone, Android, Wii, Hotelfernseher etc.) zugeschnitten sein. Denn alle diese Geräte sollten auf die Homepage zugreifen können. "Wenn wir nicht dort sichtbar sind, wo unsere Kundschaft ihre Freizeit verbringt, dann sind wir für unsere Kundschaft unsichtbar und andere machen das Geschäft", warnt Sauldie. Mit Freizeit meint er das Internet. Quelle hat nur in Kataloge investiert, das war ein Fehler.
Soziale Netzwerke machen MeinungAll das ist eine Frage guter Kommunikation. Man nennt den Bereich Web 1.0. Es gibt aber eine zweite Funktion des Internets. Das ist Web 2.0 und hier geht es um Konversation und soziale Kontakte. Dieser Teil des Netzes ist ein Buschfeuer, ein Schneeballsystem, in dem sich Meinungen in Windeseile verbreiten. "Das Social Web existiert, selbst wenn Sie es nicht kennen", erklärt Sauldie den Holzhändlern und Herstellern. "Dort werden Sie und Ihre Firma beurteilt, so, wie auf Urlaubsseiten Hotels beurteilt werden."
Facebook ist das bekannteste soziale Netzwerk. Es bedient den menschlichen Urtrieb der Neugier. "Gehen Sie nicht persönlich da hinein, wohl aber mit Ihrer Firma", rät Sauldie. Persönlich nicht, weil das System den Nutzer gläsern macht, mit der Firma ja, weil es ein idealer Ort ist, um Marketing zu betreiben. Die Aufgabe lautet: Wie komme ich an die Freunde meiner Freunde und baue so eine potentielle Kundschaft auf? Im Grunde ist das einfach: Wenn ich den Freund eines Freundes auf meine Seite einlade, wird er deshalb zustimmen, weil er sieht, dass wir beide schon einen gemeinsamen Freund haben. Social Media hat nichts mit Technik zu tun, es ist eine Sache des Vertrauens. So entsteht eine Lawine von Freundschaften. "Kostenlos Flyer verschicken", nennt das Sanjay Sauldie.
Jeder Unternehmer also sollte in Facebook eine Fanpage aufbauen und alle Freundschaftsanfragen positiv bescheiden. Viele haben das schon getan. Wer "Holzland" eingibt, wird Beispiele finden. "Die Betreuung bedarf nur eines Mitarbeiters, der hin und wieder eine Nachricht auf die Facebook-Seite schreibt", lautet die Erfahrung. Ab 5.000 Freunden wird das anstrengend. Sauldie: "Das kann man nicht mehr allein bewältigen. Da braucht man einen Social Media Manager." Dieser neue Beruf übrigens steht bei Jugendlichen schon unter den Top 10 aller Traumjobs. Und noch ein wichtiger Tipp: Eine Fanpage ist kein rechtsfreier Raum, sie braucht ein Impressum, sonst kann man abgemahnt werden.
Was alles mit Facebook geht, ist erstaunlich. Das Netzwerk erstellt präzise Profile seiner Nutzer. So kann man beispielsweise abfragen: Wie viele und welche 40jährigen Leute an einem bestimmten Ort kaufen Parkett? Die Zielgruppe kann auch eine andere sein: alle Singles beispielsweise oder alle, die seit einem Jahr verlobt sind. Dem Verlobten dann könnte man gezielt eine Nachricht zukommen lassen: "Schenk ihr zur Hochzeit einen Parkettboden!"
Positive und negative NachrichtenMit den eigenen Produkten überall präsent zu sein, ist das Ziel von Internet-Marketing. Ein zufriedener Kunde erzählt seinen Parkettkauf der ganzen Welt. Das ist Mund-zu-Mund-Propaganda größten Ausmaßes. Leider nutzt auch ein unzufriedener Kunde dieses Medium. Was also tun, wenn im Social Web negative Einträge über die eigene Firma oder Produkte kursieren? Löschen kann man die Sachen nicht. "Deshalb muss man lernen, Danke zu sagen", weiß Sauldie. Die beste Reaktion auf schlechte Erfahrungen ist, freundlich zu antworten: "Vielen Dank für Ihre Bewertung. Wir freuen uns über Ihre Verbesserungsvorschläge. Nehmen sie doch Kontakt mit unserer Homepage auf."
Einige Unternehmen haben dieses Prinzip bereits zu einem nutzbaren Instrument gemacht. "Open Innovation" heißt die Funktion. Darunter versteht man Plattformen, auf denen Kunden sich beschweren und ihrem Ärger Luft machen können. Der Computerhersteller Dell hat solch eine Plattform (Ideastorm) und auch der Elektrokonzern Bosch. Sauldi: "Die gehen einfach hin uns sagen ihren Kunden: beschwert euch, damit wir uns verbessern können." So kommen Firmen ohne Aufwand an eine ungeheure Flut von Verbesserungsvorschlägen.
Mitarbeiter online suchenEin Unternehmen sollte im Social Web nicht als passives Opfer stehen, sondern die Chancen nutzen. Eine davon ist die firmenbezogene Kontrolle der eigenen Mitarbeiter. Das mag ein moralisch fragwürdiges Anliegen sein, ergibt sich jedoch aus den Möglichkeiten, die das Netz bietet. Es dürfte sich deshalb herumgesprochen haben, dass man seinen Ärger über den Chef nicht in einem öffentlichen Internet-Forum breit treten sollte. Vor allem nicht unter dem eigenen Namen. Denn auch der Chef hat Zugang zu diesen Beschwerden. Whostalkin.com ist eine Social Media Suchmaschine, auf der man herauszufinden kann, wo etwas über die eigene Person geschrieben wurde und wer es getan hat. Dieses einfache und kostenlose Überwachungsinstrument wird übrigens von Google finanziert.
Gut 50 weitere Portale gibt es in Deutschland, die eine Firma auf die ein oder andere Weise für ihre Zwecke nutzen kann. Yasni.de beispielsweise ist eine Personensuchmaschine für Personalabteilungen, auf der man Mitarbeiter für bestimmte Berufe suchen kann, auf der sich aber auch Leute ebenso gezielt anbieten können. Und unter der Überschrift "Was weiß das Netz über ?" lassen sich bei yasni alle im Netz befindlichen Informationen und Fotos über eine Person abrufen - sogar der Inhalt des Wunschzettels beim Online-Versandhaus Amazon.
"Präsentieren Sie sich als attraktiver Arbeitgeber", lautet das Angebot der Personalmarketing-Website kununu.com. Viele Schüler und Studenten besuchen dieses Portal. Hier kann man sich als Ausbildungsbetrieb darstellen. Was viele Unternehmen aber nicht wissen: dort werden sie auch bewertet. Jeder Mitarbeiter kann dort seine Erfahrung und Meinung über sein Unternehmen niederlegen.
Die Welt transparenter Information ist also längst Realität. Manche blenden das aus, andere fürchten sich davor. Doch wir stehen erst am Anfang. Noch mehr Individualisierung und sinnvolle Zuordnung werden mit dem Web 3.0 kommen - ein Schritt zur künstlichen Intelligenz. Für die Wirtschaft erlangt das Internet immer mehr Bedeutung. Wer in wenigen Jahren einen Supermarkt besucht, wird dort kein Produkt ohne QR-Code mehr finden. Als Unternehmen diese Entwicklungen zu verschlafen, heißt, sich sein eigenes Grab zu schaufeln.
Social Media Ratgeber mit Tipps und Regeln
In Zusammenarbeit mit dem Partner salesforce.com hat die Deutsche Messe einen Ratgeber Social Media herausgegeben. Er enthält Praxistipps und Verhaltensregeln für einen erfolgreichen Auftritt in sozialen Netzwerken.
Die drei wichtigsten Aspekte:
1. Zuhören und beobachten, was über das Unternehmen berichtet wird;
2. Einblicke gewinnen und Trends erfassen;
3. Mit den Kunden in Dialog treten.
Der Ratgeber ist zum kostenlosen Download erhältlich unter
29T4sPLsko85R26Vc&mt=Salesforce2b_DMI1a_1/" target="_blank">https://www.messe-interactive.de/salesforce2b?link=DB&code=6e191mm29T4sPLsko85R26Vc&mt=Salesforce2b_DMI1a_1
aus
Parkett im Holzhandel 06/12
(Handel)