Holzbranche möchte sich auf die Weltwirtschaftslage einstellen, aber:
Keiner weiß, was wirklich kommt
Was kann die Holzbranche von der wirtschaftlichen Entwicklung erwarten? Wie verhalten sich Absatzmärkte und wie riskant sind Eurokrise und Staatsschulden? Antworten auf diese Fragen erhofften sich die Teilnehmer des 5. GD Holz Zukunftssymposiums von Prof. Dr. Michael Bräuninger.Auch Wirtschaftswissenschaftler sind sich nicht einig über den Gang der Dinge und die geeigneten Kriseninstrumente. Mit dieser Feststellung bremste Prof. Dr. Michael Bräuninger, Forschungsdirektor am Hamburgischen Weltwirtschaftsinstitut (HWWI), die Erwartungen an eine "sichere Analyse".
Global betrachtet sieht der Experte jetzt wieder ein Absinken des Wachstums. Nicht so allerdings in Südamerika. Selbst China, das sein Wachstum absichtlich gebremst habe, versuche, den Gashebel wieder auf Beschleunigung zu drücken. Dort steige auch das Nachfragepotential. Für Deutschland sei das von Vorteil, denn die schwache Exportsituation innerhalb der EU werde durch starke Ausfuhren in die Schwellenländer aufgefangen. Von den BRIC-Staaten (steht für die Staatengruppe Brasilien, Russland, Indien und China, d. Red.) würden nur Russland und Indien aufgrund schlechter Wirtschaftspolitik hinter ihrem Potenzial zurückbleiben.
Europa ist Krisenherd Nr.1Wie der Referent darlegte, wird die globale Ökonomie derzeit am stärksten von Europa und der Eurozone bedroht. Griechenland, Portugal, Spanien und Italien drücken den Wirtschaftsraum in die Rezession. Aus den Problemländern wandern junge Arbeitskräfte ab. Unterschiedliche politische Ansätze - Sparkurs auf der einen, weitere staatliche Verschuldung auf der anderen Seite - trüben die Hoffnung auf eine nachhaltige Konsolidierung. "Nur durch strukturelle Reformen in diesen Ländern lässt sich etwas ändern", betonte Bräuninger. Weitaus positiver beurteilt er die Situation in den USA, wo die Immobilienblase einst Auslöser der Finanzkrise war. Auch massive Holzimporte aus Kanada für die amerikanische Bauwirtschaft haben nach Ansicht Bräuningers zum Handelsbilanzdefizit und zum US-Schuldenberg beigetragen. Jetzt sei eine Re-Industrialisierung des Landes erkennbar. Eine geringe Lohnentwicklung, wie in Deutschland, führe dazu, die amerikanische Produktion wettbewerbsfähig zu machen. Auch ein Bevölkerungswachstum sei festzustellen. "Das macht den Dollarraum im Gegensatz zur Eurozone zukunftsfähig", so die Einschätzung des Referenten.
Licht und Schatten in DeutschlandIm deutschen Inlandsmarkt rechnet Bräuninger 2013 mit deutlich niedrigerem Wachstum. Die Auftragseingänge seien rückläufig. Dennoch gibt es aufgrund geringer Zinsen gute Investitionsbedingungen. Auch der Konsum wird gestärkt, weil mehr Menschen Arbeit haben. Eine moderate Lohnentwicklung fördert dazu die internationale Konkurrenzfähigkeit deutscher Unternehmen. In der zweiten Jahreshälfte bleibe die Beschäftigungslage stabil. Zwar sei der Schuldenstand öffentlicher Haushalte weiter hoch, aber auch ohne Sparprogramme könne eine Schuldenbremse erwirkt werden. Einen ausgeglichenen Haushalt hält Bräuninger 2015 für möglich.
Dennoch bleibe die Entwicklung der Eurozone ein Risikofaktor. "Die Krise hat keine Vorbilder. Wir wissen nicht genau, was passieren wird. Vieles ist von politischen Entscheidungen abhängig", so der Wissenschaftler. Wie viel Schulden kann ein Staat überhaupt vertragen? Das hängt laut Bräuninger unter anderem von der Zinslast ab. Derzeit sind die Zinsen historisch niedrig, aber während 2008 alle europäischen Staaten noch einen ähnlichen Zinssatz für ihre Kredite bezahlten, klafft die Schere heute weit auseinander. Deutschland zahlt, wie allgemein bekannt, weniger als 2 %, ganz schwache Staaten werden mit einem Zinssatz bis 50 % belastet. Sollte Italien in diesen Strudel geraten, würde der Euro-Rettungsschirm nicht mehr ausreichen. Aber einen Zusammenbruch des Euro dürfte Italien ebenso wenig verkraften, weil es mit einer abgewerteten Lira den weiterhin in Euro aufgerechneten Zins nicht bedienen könnte.
Nationale Eitelkeiten behindern große LösungZum Erhalt des Euro scheint es keine Alternative zu geben, die nicht weit größere Schrecken birgt. Da ist es kein Trost, dass die USA immer noch einen höheren Schuldenberg vor sich her schieben als ganz Europa oder dass Japan das mit Abstand höchst verschuldete Industrieland der Erde ist.
Bisher gilt in Europa die Devise: Jeder hilft sich selbst! Das ist einigen Ländern gelungen, anderen nicht. Deshalb fehlt einer Rückkehr zur den Vorgaben des Maastricht-Vertrages die Glaubwürdigkeit. Sind die Problemländer wirklich bereit, große Opfer zu bringen? Führt die Unzufriedenheit der Bevölkerung nicht zu dauerhafter politischer Instabilität? Eine wirksame Lösung für Europa sieht Bräuninger in einer Fiskalunion mit gemeinsamer EU-Einkommenssteuer und EU-Arbeitslosenversicherung. Gemeinsame Verwaltung der Schulden, bessere Finanzierungsbedingungen und weniger Abhängigkeit vom Wachstum der Schwellenländer wären der Lohn einer echten Wirtschaftsunion. Natürlich würde das Deutschland Geld kosten, doch die Ausgaben könnten in europaweite Forschung und gemeinsame Sicherheit investiert werden. "Wozu braucht jedes Land eine eigene Armee?" Voraussetzung dafür wäre jedoch eine politische Union Europas. "Davon sind wir weit entfernt", so Bräuninger. Ein politischer Wille sei nicht erkennbar. Deshalb wird die Wirtschaftslage noch eine ganze Zeitlang schwierig bleiben, befürchtet der Experte.
aus
Parkett Magazin 06/12
(Handel)