Geruchsprüfung könnte Bodenbeläge und Verlegewerkstoffe verteuern

Wie sinnvoll ist das neue Verfahren nach AgBB?

Geruchsprüfungen gibt es bei Bodenbelägen schon lange. Sie sind beispielsweise Bestandteil der Vergabeverfahren für den Blauen Engel. Jetzt sorgt die Ankündigung des Deutschen Instituts für Bautechnik (DIBt) für Gesprächsstoff: Man prüft ein neues Verfahren, das gemeinsam mit der VOC-Messung verpflichtend für die Erteilung der allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassung werden könnte. Es ist aufwändiger und kostenintensiver als aktuelle Schnellverfahren. In BTH Heimtex beschreiben Dr. Anja Krick und Dr. Ernst Schröder vom Aachener Textiles & Flooring Institute (TFI) den aktuellen Stand.

Für viel Aufregung sorgt derzeit das Thema Geruch bei den deutschen Herstellern von Bodenbelägen und Verlegewerkstoffen. Hintergrund ist die angekündigte Einführung einer Geruchsprüfung für Bauprodukte. Aktuell läuft hierzu ein Ringversuch, der durch das Umweltbundesamt (UBA) und die Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM) organisiert wird. Im Fokus steht die Beurteilung der Praxistauglichkeit des genormten Verfahrens.

Noch ist die sensorische Prüfung für eine allgemeine bauaufsichtliche Zulassung durch das Deutsche Institut für Bautechnik (DIBt) nicht erforderlich, für die Zukunft aber wahrscheinlich. Zunächst dürfte sie zur Vergabe des Blauen Engels eingeführt werden. Die Industrie befürchtet einen zusätzlichen Aufwand und steigende Kosten.

Unstrittig ist, dass die Geruchsbelastung grundsätzlich möglichst niedrig gehalten werden muss. Da wir uns als Mitteleuropäer größtenteils in geschlossenen Räumen, Gebäuden und Verkehrsmitteln aufhalten, ist für unser Wohlbefinden und unsere Gesundheit eine möglichst unbelastete und klimatisch behagliche Innenraumluft wichtig. Wärmedämmung sowie dicht schließende Fenster und Türen helfen zwar, Energie einzusparen. Gleichzeitig führen solche Maßnahmen aber dazu, dass sich im Raum freigesetzte Stoffe in der Raumluft anreichern können und häufig zu störenden Gerüchen führt.

Bauprodukte und Innenausstattung tragen naturgemäß auch zu derartigen Emissionen bei und werden vom Verbraucher gerne pauschal für einen bestimmten Effekt verantwortlich gemacht. So wurde Mitte der 1990er Jahre der Teppichboden als einer der "Hauptverdächtigen" für schlechte Luft im Innenraum gehandelt. Die Hersteller haben prompt darauf reagiert, ihre Produkte verbessert und so die Reklamationen deutlich reduziert. Wurden anfangs noch mehrere Hundert derartiger Fälle im TFI bearbeitet, hat sich die Zahl der Beschwerden seit der Einführung des GUT-Siegels um mehr als 90% reduziert.

Emissionsprüfung und Geruchsprüfung - beide sind wichtig

Ohnehin gibt es keinen direkten Zusammenhang zwischen einer Geruchsbelästigung und der Belastung durch VOC-Emissionen (Volatile Organic Compounds, flüchtige organische Verbindungen). So liegen durch die gesetzlich vorgeschriebene AgBB-Emissionsprüfung (AgBB = Ausschuss zur gesundheitlichen Bewertung von Bauprodukten) für Bodenbeläge ausreichend Daten vor, die belegen, dass eine niedrige Emission noch kein Garant für ein geruchsarmes Produkt ist. Und selbst die Betrachtung der einzelnen Stoffe, die aus einem Produkt emittieren, lässt zurzeit keine Rückschlüsse auf das Geruchsverhalten zu. Eine toxische Substanz, die mithilfe der Emissionsprüfung identifiziert wird, kann völlig geruchsneutral sein. Gleichzeitig kann ein "stinkendes" Produkt hervorragende Emissionsergebnisse liefern und aufgrund des Geruchs trotzdem Kopfschmerzen verursachen.

Zum Schutz des Verbrauchers ist die Emissionsprüfung also ebenso notwendig ist wie die Geruchsprüfung. Wobei für Letztere immer noch ausschließlich die menschliche Nase als Messwerkzeug zum Einsatz kommt. Versuche, die so genannte olfaktorische Prüfung mittels technischer Geräte durchzuführen, sind allesamt gescheitert.

Drei konkurrierende Verfahren

Gegenwärtig gibt es drei Verfahren zur Geruchsprüfung:

1. Prüfung im TFI

Das TFI hat schon vor mehr als 20 Jahren ein einfaches und vergleichsweise preisgünstiges Verfahren zur Bestimmung des Geruches von Bodenbelägen entwickelt, das bis heute hervorragende Dienste leistet und sowohl zur Reklamationsbearbeitung als auch zur Vergabe von Labeln wie dem GUT-Signet, dem Blauen Engel oder dem TFI-TÜV Proficert product eingesetzt wird. Insgesamt wurden im Lauf der Zeit einige Tausend Geruchsprüfungen durchgeführt.

Das Schnellverfahren basiert auf der Schweizer Norm SNV 195 651. Fünf bis sieben Personen riechen dabei an einer Probe, die bei konstanter Temperatur und Luftfeuchtigkeit in einem Glas aufbewahrt wird. Anschließend werden Schulnoten vergeben von 1 (geruchlos) bis 5 (sehr starker Geruch). In der Auswertung gelten Gerüche bis zur Note 3 als akzeptabel, ab Note 4 liegt ein Reklamationsgrund vor.

2. Genormtes Geruchsverfahren im AgBB-Schema

Seit Mai 2012 ist im AgBB-Schema ein Verfahren zur Geruchsbewertung nach ISO 16000-28 (Innenraumluftverunreinigungen) festgeschrieben. Dabei werden die Luftproben in einer Prüfkammer unter denselben Bedingungen erzeugt, wie dies heute schon für VOC-Messungen geschieht. Eine Gruppe von Prüfern bestimmt:

-Intensität - wie intensiv ist der Geruch im Vergleich zu einer definierten Acetonkonzentration?
-Hedonik - wie angenehm/unangenehm ist der Geruch?
-Akzeptanz - wie akzeptabel/unakzeptabel ist der Geruch?

Die Kopplung der Geruchsbestimmung mit der VOC-Messung in der Prüfkammer ist in den Fällen, in denen beides gleichzeitig benötigt wird, durchaus eine Vereinfachung: Mit nur einer Prüfkammerbelegung werden zwei analytische Bereiche abgedeckt. Wird eine der beiden Prüfungen nicht bestanden, muss die recht aufwendige Kammerprüfung wiederholt werden, auch für die Geruchsprüfung.

Hinsichtlich der Kosten ist die Prüfkammermessung aufgrund der festgelegten Prüfdauer von 28 Tagen recht teuer. Hinzu kommen die Personalkosten für die Geruchsprüfung. Für die Bestimmung von Intensität und Hedonik sind 8 bis 14 Personen nötig, für die Akzeptanz eine noch größere Gruppe.

3. Spezialverfahren GC-MS-ODP

Für komplexe Geruchsprobleme gibt es ein weiteres Verfahren mit dem sperrigen Namen GC-MS-ODP. Dabei wird eine Luftprobe mit einem Gaschromatographen (GC) in Einzelkomponenten getrennt und diese mit Elektronen beschossen. Die Summe der entstehenden Einzelteile liefert ein Massenspektrum (MS). Bis hierher entspricht dies dem Standardverfahren für VOC-Messungen. Jetzt bewerten Testpersonen die Substanzen. Das geschieht über einentrichterförmigen Auslass (ODP: Olfactory detection port).

Dieses Verfahren hat den Vorteil, dass geruchsintensive Substanzen erst physikalisch getrennt und anschließend nacheinander gerochen werden können. So lassen sich einzelne Geruchsverursacher identifizieren, die ansonsten nur innerhalb eines Geruchsgemischs existieren.

Die Autoren


Dr. Anja Krick, Teamleiterin Messung und Analytik, Textiles & Flooring Institute und Dr. Ernst Schröder, Leiter des Textiles & Flooring Institute.
aus BTH Heimtex 12/12 (Bodenbeläge)