Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA)
"Der Teppichimport gehört zur Speicherstadt"
Die Speicherstadt gilt als Herz von Hamburg und war über Generationen Europas wichtigster Lager- und Handelsplatz für Teppiche, Gewürze und Kaffee. Noch bis vor wenigen Jahrzehnten war das Bild in diesem Quartier geprägt von Transportschiffen in den Fleeten, von an Haken schwebender Ware, die in den Speichern verschwand. Die Fleete und die Betriebsamkeit sind geblieben, nur die Art der Nutzung hat sich stark geändert. Die Zahl der Teppichlager ist beispielsweise deutlich zurückgegangen, dafür haben sich Unternehmen anderer Branchen angesiedelt und nutzen die Speicher nun als Büro oder Showroom. Zusätzlich ist das Quartier ein Touristenmagnet geworden. Die dort ansässigen sieben Museen haben allein mehr als 1,5 Mio. Besucher im Jahr. Über den Wandel der Speicherstadt, über ihre Zukunft und welche Rolle die Teppichbranche dabei spielt, sprach die Carpet XL-Redaktion mit Rainer Nelde, dem Leiter des Vertriebs im Segment Immobilien der Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA).
Carpet XL: Seit einigen Jahren ist die Speicherstadt im Wandel von einem Quartier mit überwiegend Lagerflächen hin zu einem hippen Stadtteil. Ist da noch Platz für Teppichlager?Rainer Nelde: Ganz eindeutig. Die Teppich-Importeure gehören zur Speicherstadt. Wir möchten als Vermieter für eine möglichst große Vielschichtigkeit im Quartier sorgen, es lebendig halten. Dazu gehören eben auch historische Nutzungsarten wie der Teppichgroßhandel. Wir könnten die gesamte Speicherstadt mit Büroflächen zupflastern. Das würde uns deutlich mehr Mieteinnahmen bringen, aber es würde dem Quartier seine Einzigartigkeit nehmen. Das ist definitiv nicht unser Ziel.
Carpet XL: Wie haben sich die Zahlen im Teppichbereich denn konkret entwickelt?Rainer Nelde: Leider sehr negativ. Im Jahr 2000 haben wir noch gut 150 Importeure gezählt, die mit 155.000 m
2 circa die Hälfte der Lagerflächen belegt haben. Heute sind es nur noch 45 Importeure, die eine Fläche von 65.000 m belegen. In den nächsten fünf Jahren dürfte sich diese Fläche weiter reduzieren und lediglich ein bis zwei Blöcke einnehmen. Derzeit ist es so, dass keins der frei werdenden Teppichlager einen neuen Mieter aus diesem Bereich findet. Viele Importeure haben sich nicht um einen Nachfolger gekümmert, der den Betrieb übernimmt - die jüngere Generation sieht ihr geschäftliches Glück heute häufig in anderen Branchen.
Wegen des starken Anbieterrückgangs und der Nutzungsgebundenheit der Flächen im Teppichbereich mussten wir uns um andere Mietergruppen kümmern, die eben auch Lagerflächen benötigen. Nur vielleicht in etwas moderner Art und Weise.
Carpet XL: Und welche Branche tritt in die Fussstapfen der Teppich-Importeure?Rainer Nelde: Die Mode ist ein ganz großes Thema. Die Blöcke Q und R am St. Annenufer sind bereits in Modehand. Insgesamt sind das heute bereits rund 21.000 m
2. Die Entwicklung in der Modebranche entspricht der, die wir vor Jahrzehnten in der Teppichbranche hatten. Vor ein paar Jahren sind drei, vier Mode-Labels in die Speicherstadt gezogen, was die Modebranche aufmerksam verfolgt hat. Und nach und nach sind immer mehr gefolgt. Für die Modeeinkäufer ist diese Konzentration an einem Ort ebenso wichtig, wie für die Teppicheinkäufer, die eben auch lieber mehrere Anbieter an einem Ort besuchen. Und jetzt finden sich bekannte Namen wie Brax, Schöffel, Wellenstyen und Tommy Hilfiger in der Speicherstadt.
Carpet XL: Werden die Teppich-Importeure in Zukunft ebenfalls in bestimmten Blöcken konzentriert zu finden sein?Rainer Nelde: Ja, in Block E am Brook. Eigentlich war Block X am Brooktorkai geplant, doch es hat sich gezeigt, dass sich das praktisch nicht umsetzen lässt. Erstmal ist der Block zu teuer für diesen Produktbereich. Dort gibt es unter anderem Aufzüge und individuelle Toiletten. Und dann ist die Lage dort eine logistische Herausforderung. Die Straße ist sehr schmal. Dort einen Lkw bei der sehr angespannten Parkplatzsituation zu be- und entladen ist sehr kompliziert.
Carpet XL: Welche Veränderungen wird es in den kommenden Jahren noch in der Speicherstadt geben?Rainer Nelde: Die Art und Weise, wie in der Speicherstadt Einzelhandel betrieben wird, wird sich voraussichtlich in den nächsten Jahren ändern. Zurzeit haben wir hier nur den klassischen Großhandel, was mit den gesetzlichen Begebenheiten des Hafens zusammenhängt. Die Speicherstadt soll künftig aus dem Hafengebiet herausgelöst werden. In der Folge können wir in einem Bebauungsplan definieren, welche Objekte wie genutzt werden. Dann wird es hier auch einen Einzelhandel geben können und wohl auch Hotels und Wohnraum. Darauf haben wir lange hingearbeitet. Diese Erweiterung der heutigen erlaubten Nutzung ist den Teppich-Importeuren allerdings recht schwer vermittelbar.
Carpet XL: In wie fern?Rainer Nelde: Allein bei der Frage "Was ist eigentlich Einzelhandel" sprechen wir mitunter verschiedene Sprachen. Wenn wir davon sprechen, sehen wir als HHLA Objekte, in denen qualitativ hochwertige und einzigartige Ladengeschäfte betrieben werden. Sie müssen in das Flair der Speicherstadt passen, große Ketten werden hier nicht zu finden sein. Einige Teppichimporteure denken allerdings, dass das Öffnen der Luken zur Straße hin bereits Einzelhandel ist - das ist definitiv nicht so. Einige Anbieter agieren derzeit in einer Grauzone. Vertraglich ist diese Nutzung nicht gestattet. Bis Ende des Jahres haben sie Zeit, wieder vertragsgemäß zu handeln. Andernfalls, das haben wir in mehreren Briefen deutlich gemacht, wird das zur Kündigung führen.
Carpet XL: Sie sagen, dass der Teppich-Import ein wichtiger Faktor in der Speicherstadt ist. Welche Hilfestellungen können Sie als Vermieter denn den Unternehmern geben?Rainer Nelde: Wir unterstützen, in dem wir Lager zu vernünftigen Preisen zur Verfügung stellen und uns auch bei den Lagergrößen flexibel zeigen. Nur die wenigsten Teppich- Importeure benötigen heute noch 600 m
2 große Lager, vielen dürfte die Hälfte reichen. So könnten die laufenden Kosten deutlich gesenkt werden.
Hintergrund - Hamburger Speicherstadt
Die Speicherstadt ist ein historisches Lagerhaus-Ensemble im Herzen der Hamburger Innenstadt. Mit dem Bau der auf Eichenpfählen stehenden Kontorhäuser wurde 1883 begonnen. Die Gebäudeetagen der Speicher werden als Böden bezeichnet. Gelagert wurden und werden dort unter anderem Teppiche, Tee, Kaffee und Gewürze. Bis zum Jahr 2003 war die Speicherstadt Teil des Hamburger Freihafens. Importgüter durften zollfrei gelagert, veredelt und verarbeitet werden. So konnte der Überseehandel zollfrei durchgeführt werden. Heute müssen Teppichimporteure offene Zolllager (OZL) führen, um Waren zollfrei zu lagern.
Insgesamt verfügen die Speicher über gut 300.000 m Fläche. Während die Gebäude der HHLA gehören, sind Grund und Kaimauern im Besitz der Stadt Hamburg. Durch die Nutzungsänderungen - weg vom reinen Lagerbetrieb, hin zu Flächen mit Einzelhandel und Wohnraum - müssen die Speicher aufwendig saniert und zum Beispiel Brandschutzauflagen erfüllt und Treppenhäuser für Fluchtwege integriert werden.
aus
Carpet Magazin 04/12
(Teppiche)