Sind Sie ein Orientteppich-Kenner?
Eine kleine Orient-Warenkunde
Es ist zwar schön, wenn man auf die Frage "Sind Sie ein Orientteppich-Kenner?"mit "Ja" antworten kann. Doch alles kann niemand wissen. Vieles muss auch der versierte Fachmann nachschlagen. Mit unserem Ratespiel in diesem Heft möchten wir Ihnen Fachwissen auf eine unterhaltsame Weise vermitteln: Die ausführliche Auflösung der Fragen folgt gleich in der nächsten Ausgabe. Sie finden daher jetzt auch die Auflösung der Fragen aus der letzen Ausgabe.
Wolkenband - Beliebtes Musterdetail
Das Wolkenband taucht als Musterdetail in vielen Orientteppichen auf. Seinen Ursprung hat es im 13. Jahrhundert zur Zeit der mongolischen Herrscher. Bedingt durch ihre Eroberungszüge und ihre immense Verbreitung, haben sie einen starken Einfluss auf die Handwerkskunst der gesamten Region gehabt. So gelangte das Wolkenbandmotiv von China im 15. Jh. nach Persien, wo die Knüpfer das Motiv sehr häufig einarbeiteten. Es gilt auch als wichtiger Impulsgeber bei der Entstehung des Herati-Musters. In kaukasischen Wolkenband-Kasaks bilden sie das Primärornament, dem turkmenischen Ilan-Beschir verleihen die ausschließlich vorhandenen Wolkenbandmotive seinen Namen Wolkenband-Beschir. Noch heute wird dieses Motiv häufig eingesetzt.
Das Wolkenbandmotiv zeigt stilisierte Wolken (Tschi), ähnelt von der Anordnung her einem Hufeisen und zeigt alternierend nach innen und aussen. Es wird sowohl in Bordüren, als auch im Innenfeld eingesetzt. Mit großer Wahrscheinlichkeit steht das Wolkenbandmotiv als Symbol für Fruchtbarkeit: Der allgegenwärtige chinesische Drache kann sich in Wolken verwandeln und spendet den Menschen so das fürs Überleben notwendige Wasser: In vielen Ursprungsländern, in denen Wassermangel herrschte und herrscht, gilt dieses Motiv dementsprechend als Glücksbringer.
Suzani - Usbekische Seidenstickerei
Suzani sind Nadelarbeiten, die überwiegend von der sesshaften Bevölkerung des Gebietes des heutigen Usbekistan gefertigt wurden und werden. Sie dienten als Wandbehang, Schmuck der Brautsänfte (Suzani Asmalyk), Bettüberwurf, aber auch als Pferde- und Zopfschmuck. Typisch für Suzani ist eine breite Bordürenornamentik und die florale Formsprache mit ihren großen und kleinen, sich ständig wiederholenden Palmetten, Ranken und Blüten. Bei den Farben überwiegen Rot, Grün und Gelb in vielen meist kräftigen Abstufungen.
Bei den meisten Suzani wird Seide in ein cremefarbenes Baumwoll-Grundgewebe gestickt. Dieses Grundgewebe besteht meist aus 40 bis 50 cm breiten Streifen, die vor dem Besticken zusammengenäht werden. Eine kleine und sehr seltene Gruppe bilden Arbeiten, bei denen auf einen Samtstoff oder gar einen gemusterten Ikat gestickt wird.
Die bekanntesten Produktionsorte sind Bukhara, Samarkand und Tashkent. Künstlerisch besonders anspruchsvoll sind die Stickereien aus Shahrisabz, der grünen Stadt am Rande der historischen Seidenstrasse.
Saruk - Westpersische Teppichprovenienz
Saruk ist eine westpersische Teppichprovenienz, die zum Knüpfgebiet Arak gehört. Saruk genießen wegen ihrer meist feinen Knüpfung einen sehr guten Ruf. Bekannt ist Saruk vor allem als Saruk-Mir und amerkanischer Saruk. Bei der Musterstellung kommen sowohl Medaillons, als auch Herati- und Mir-i-Boteh-Motive zum Einsatz. Typisch ist auch die dichte florale Zeichnung in Form von Arabeskenranken, Blüten und Blättern. Bei der Farbstellung überwiegen Rosa, Rot, Blau und Beige. Ein weiteres Charakteristikum ist der hohe und dichte Flor, wodurch Saruk einen besonders festen Griff erhalten. Geknüpft wird mit dem asymmetrischen Knoten, als Grundgewebe dient Baumwolle.
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts kam es zu einer verstärkten Nachfrage von Saruk aus den USA. Sie wurden vor allem in großen Formaten nachgefragt und zeichneten sich durch ein zentrales Medaillon aus, um das florale Ornamente dicht und symmetrisch angeordnet waren. Für amerikanische Saruk typisch ist der blassrosa oder rote - manchmal auch dunkelblaue Fond. Zum Einsatz kam hier vor allem außerordentlich hochwertige Wolle aus Großbritannien, die sogenannte Manchester-Wolle. Amerikanische Saruk werden heute von Sammlern auf der ganzen Welt geschätzt. Im Laufe der Zeit und im Zuge der gestiegenen Nachfrage, sank leider die Qualität der Saruk und wurden die Muster dem aktuellen Geschmack angepasst.
Saruk-Mir wurden und werden vor allem für den europäischen Markt gefertigt. Für sie typisch ist die Boteh-Musterung (Mir-i-Boteh), die im Arak-Gebiet so stark vertreten ist, wie in keiner anderen Provinz Irans. In den zahlreichen Bordüren der Saruk-Mir sind überwiegend stark geometrisierte Herati-Muster und Wellenranken mit Palmetten und Rosetten eingeknüpft. Im Gegensatz zu den dicken amerikanischen Saruk ist der Flor hier überwiegend niedrig geschoren. Saruk-Mir werden heute in Indien in großen Mengen produziert, was der Nachfrage nach dem Original aus dem Iran stark zusetzt.
Uschak - Westanatolische Teppichprovenienz
Uschak gehört zu den ältesten und berühmtesten Teppichprovenienzen. Bis ins 13. Jahrhundert lässt sich die Teppichproduktion in der gleichnamigen westanatolischen (Türkei) Stadt zurückverfolgen. Besonders bekannt sind Teppiche dieser Provenienz mit den Bezeichnungen Medaillon-Uschak, Stern-Uschak und Vogel-Uschak, sowie Lotto- und Holbeinteppich. Für die Entwicklung des Musterduktus dieser Provenienz ist vor allem der Einfluss aus Persien und Ägypten - die Osmanen eroberten Ägypten 1517 - im 16. Jahrhundert wichtig: Statt kleinteiliger Musterdetail kamen fortan Medaillons und florale Muster zum Einsatz. So besteht das Grundmuster des Medaillon-Uschak aus unendlichen sich wiederholenden Arabesken und alternierenden Medaillons. Während bei diesen Uschaks vorwiegend Rot und Blau verwendet wurden, setzte man bei den Vogel-Uschak ungefärbte Wolle ein. Als Muster wurden hier über das ganze Innenfeld verteilt geometrisch dargestellte Vögel gezeigt, die um eine Rosettenblüte gruppiert sind.
Im 16 und 17. Jh. gelangten Uschak in großen Mengen in europäische Adelshäuser, die ihre Wappen einknüpfen liessen. Zuvor leisteten Maler wie Hans Holbein und Lorenzo Lotto einen wichtigen Beitrag zur Geschichte des geknüpften Teppichs - in dem sie die Teppiche detailgetreu auf Leinwand verewigten. Die abgebildeten Teppiche zeigten vor allem Arabesken- und Flechtmuster in Gelb und auf rotem Grund; Teppiche mit dieser Dessinierung wurden nach ihnen benannt. Da sie eine wichtiges Zeugnis der Musterentwicklung dieser Zeit, sind diese Teppiche heute von großem Wert und bei Sammlern und Museen beliebt. Bedingt durch die persische Konkurrenz, ging die Produktion gegen Ende des 19. Jh. deutlich zurück, heutzutage werden in Uschak recht wenige Teppiche produziert, die in der Qualität nicht mit den alten Stücken vergleichbar sind.
aus
Carpet Magazin 04/12
(Teppiche)