Kleiner Fehler - Großer Schaden
Leise rieselt die Dämmstoff-Schüttung
Fußbodenkonstruktionen zählen zu den komplexesten und am höchsten belasteten Bauteilen - schon kleine Fehler können hier große Auswirkungen haben. Dabei hat jede Baustelle ihre eigenen Tücken. Oft zeigt sich erst anhand der Ursachenforschung im Schadensfall, worauf ein Fußbodenverleger alles achten muss. FussbodenTechnik deckt in Zusammenarbeit mit namhaften Sachverständigen anhand realer Schadensfälle mögliche Fehlerquellen auf. Diesmal geht es um eine labile Dämmstoff-Schüttung, die die gesamte Bodenkonstruktion gefährdete.Ein deutsches Generalbauunternehmen ließ ein jahrzehntealtes Mehrfamilienhaus an der polnischen Ostseeküste aufwendig sanieren. In allen Dachgeschosswohnungen entstanden Trockenestrichkonstruktionen auf vorhandenen Massivdielen. Auf der Dielenoberfläche verlegte der Verarbeiter eine 20 bis 40 mm dicke Trockenschüttung, auf der eine etwa 8 mm dicke Holzweichfaserabdeckplatte lose ausgelegt wurde. Darauf folgte eine 20 mm dicke im Nut- und Federbereich geklebte Gipsfasertrockenestrichplatte.
Auf der Oberfläche dieser Fertigteilestriche kamen drei unterschiedliche Bodenbeläge zum Einsatz: Keramische Fliesen und Platten, ein elastischer Belag und ein Fertigparkett.
Nach einer etwa einjährigen Nutzung entstanden Ausbrüche in der Fliesen-Verfugung, aber auch in den Fliesen selbst. Dort, wo der elastische Belag und das Parkett verklebt wurden, entstanden optische Vertiefungen. Beim Begehen war ein deutliches Nachgeben der Fußbodenkonstruktion feststellbar. Zwecks Ursachenerforschung wurde der Sachverständige eingeschaltet.
Schaden - Komplette Konstruktion gibt nachDie vom Sachverständigen in vier Wohnungen durchgeführten Prüfmaßnahmen zeigten teilweise Fugenausbrüche der im Verband verlegten 30 x 60 cm großen und 9 mm dicken Fliesen. Zum Teil gab es auch deutliche Risse innerhalb der Fliesen. Im Bereich der elastischen Beläge konnten bei Gegenlichtbetrachtung einige deutliche Vertiefungen festgestellt werden. Das Auflegen einer Messlatte ergab Absenkungen bis zu 5 mm im Fall der Belastung.
Die aus etwa 1,80 m langen und 19 cm breiten Mehrschichtparkett bestehenden Fußbodenflächen in den Wohnzimmern zeigten optisch keine Probleme. Allerdings ließen sich in den Laufstraße zu den Eingangstüren Absenkungen feststellen. In Teilflächen ging die Nachgiebigkeit einher mit einem deutlichen Knarren des Parketts. Darüber hinaus zeigten sich geringe Vertiefungen unterhalb der Holzsockelleisten - insbesondere im Bereich der keramischen Fliesen und Platten auch Abrissfugen des elastischen Verfugungsmaterials.
Vom Sachverständigen durften in zwei Wohnungen tiefergehende Prüfungen im Fliesenbereich durchgeführt werden, wo die deutlichsten Schäden vorlagen. Das Entfernen einer quer gerissenen Platte ergab, dass dieser Riss auch im Dünnbettmörtel vorlag. Nach dem Entfernen des Mörtels und der Gipsfaserplatte war es eindeutig erkennbar: Der Trockenestrich war am Stufenfalz gerissen. Die zeigte sich auch an einer zweiten Prüfstelle unterhalb eines deutlichen Längsrisses einer Fliese.
Die Entfernung der Estrichelemente brachte es an den Tag: Unter der 8 mm dicken Holzweichfaserplatte hatte sich die Dämmstoff-Schüttung abgesenkt. Ursache dafür war das Wegrieseln über teilweise bis zu 5 mm breite Fugen, d.h. das Verschwinden des Schüttungsmaterials in Spalten und Freiräumen zwischen den alten Massivdielen. Das Wegrieseln verhindert man in der Regel durch ein Rieselschutzvlies, das hier fehlte.
Gerne hätte der Sachverständige auch im Bereich der Parkettflächen und des PVC-Bodenbelages tiefergehende Prüfmaßnahmen durchgeführt, was ihm jedoch nicht erlaubt wurde. Stattdessen einigte man sich vor Ort, dass sich die Feststellungen im Bereich der Fliesen auch auf die anderen Flächenbereiche übertragen ließen.
Während des Gutachtertermins gab der Verarbeiter zu Protokoll, dass kein Rieselschutz ausgeschrieben worden war und auch keiner angeordnet wurde. Man sei davon ausgegangen, dass die chemisch gebundene Schüttung "nicht wegrieselt" - eine Fehleinschätzung.
Ursache - Dämmungschüttung weggerieselt, ungünstige FliesenverlegungNach Überzeugung des Sachverständigen ist es Stand der Technik ist, dass die Kantenlänge von Fliesen bei der Verlegung auf Fertigteilestrichen auf 33 cm begrenzt ist. Das geht aus den Verlegeanleitungen des Fertigteilestrichs und dem BEB-Merkblatt "Fertigteilestriche auf Calciumsulfat- und Zementbasis" hervor. Außerdem wird dort die Fliesenverlegung mit geradlinigen Fugen (Kreuzfugen/ Fugenschnitt) und nicht mit versetzten Fugen (Verband) empfohlen. Die im Bauvorhaben durchgeführte Fliesenverlegung im Verband - zudem auf einer nur 20 mm dicken Gipsfaserplattenschicht - hätte bereits aufgrund absehbarer, durch ungünstige Durchbiegungen an sich ein hohes Restrisiko im Hinblick auf Fugenausbrüche und auch Risse in den Platten beinhaltet. Außerdem wäre es erforderlich gewesen, die Trockenestrichkonstruktion dicker d. h. zweischichtig und somit biegesteifer einzubauen.
Hauptursache der im Bauvorhaben entstandenen Fußbodenschäden ist jedoch die Tatsache, dass die Dämmstoff-Schüttung aufgrund des fehlenden Rieselschutzes weggerieselt ist, so dass die darüber liegende Konstruktion partiell instabil wurde.
Es liegt ein gravierender Ausführungsfehler vor, da der dem Stand der Technik entsprechende Rieselschutz auf der Oberfläche der Massivdielen mit bis zu 5 mm breiten Fugen fehlte. Die ungenügend chemisch gebundene Dämmstoff-Schüttung konnte ihre Lage verändern. Dort, wo das Material weggerieselt war, wurde die Schicht dünner. So kam es zu Hohlräumen unter der Dämmschichtabdeckung und den Gipsfaserplatten. Damit waren größere Durchbiegungen und Schädigungen der darüber führenden Fußbodenschichten unvermeidbar.
Verantwortlichkeit -Mangelnde Bauüberwachung und AusführungsfehlerEs liegt eine mangelnde Aufsichtspflicht und Bauüberwachung des Auftraggebers sowie Ausführungsfehler des Verarbeiters der Trockenestrich- und Fliesenarbeiten vor. Obwohl im Bauvorhaben nur die Generalbauunternehmung einen Leistungsbeschrieb vorgegeben hat, oblag der vor Ort anwesenden Bauleitung eine gewisse Aufsichts- und Hinweispflicht. Mit der Auftragsvergabe und der Formulierung des Leistungsverzeichnisses hätte bereits ein Rieselschutz mit ausgeschrieben werden müssen. Es wäre außerdem erforderlich gewesen, die großformatigen Platten nicht im Verband zu verlegen.
Unabhängig davon, ob ein Rieselschutz ausgeschrieben war oder nicht, musste der Verarbeiter des Trockenestrichs dafür Sorge tragen, dass die von ihm aufgebrachte Dämmstoff-Schüttung nicht wegrieselt. Davon entbindet ihn auch nicht die Herstellerangabe, dass die Schüttung "in gewissem Sinne verklebt".
Der Fliesenleger hätte wissen müssen, dass auf einem Fertigteilestrich die Fliesen mit Fugenschnitt, d. h. mit geraden durchgehenden Fugen zu verlegen sind. Diese Verlegung wird von einer Vielzahl von Dünnbettmörtel- und Fliesenlieferanten, aber auch in Fachbüchern des Fliesenlegergewerbes so beschrieben. Er hätte zumindest hinterfragen müssen, inwieweit die Fertigteilestrichkonstruktion ausreichend biegesteif ist.
Bei der im Bauvorhaben eingebauten, nur 20 mm dicken Lastverteilungsschich, hätte man bereits beim Begehen feststellen müssen, dass keine ausreichende Steifigkeit für die Aufnahme von großformatigen Fliesen vorlag.
Der Schadensfall verdeutlicht einmal mehr, wie einfach und mit welchen geringen Kosten der Schaden hätte vermieden werden können. Das Wegrieseln der Dämmstoff-Schüttung hätte man durch einen Rieselschutz verhindern können. Bei der Planung einer Lastverteilungsschicht sollte man berücksichtigen, dass die Konstruktion nicht nur der Aufnahme von Bodenbelägen dient, sondern auch den Möbeln und Nutzern standhalten muss.
Der Autor
Fußboden-Gutachter Helmut Becker ist öbv. Sachverständiger für das Estrich- und Parkettlegerhandwerk sowie für Bodenbeläge.
Professor-Lübeck-Straße 8
36088 Hünfeld
Tel.: 06652/2309
Fax: 06652/748778
Internet: www.gutachter-becker.de
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FussbodenTechnik 01/13
(Handwerk)