Art de Vivre, Moskau, Russland

Den gesamten russischen Markt im Blick


Mit 32 Teppichgeschäften zählt sich Art de Vivre zu den Marktführern in Russland, 14 von ihnen stehen allein in der Haupstadt Moskau. Vom Maschinenwebteppich, über Nepalknüpfungen zu feinen Seidenteppichen wird die komplette Palette der abgepassten Teppiche angeboten. Doch nicht alles ist an jedem Standort erhältlich: Das Sortiment und die Warenpräsentationen variieren stark, sind abgestimmt auf Lage und Einkommensstruktur der Kunden. Ein Konzept, mit dem Inhaber Igor Zayasenko großen Erfolg hat und mit dem er in den kommenden Jahren kontinuierlich weiterwachsen möchte.

Das Möbelhaus Grand befindet sich im Norden Moskaus. Auf mehr als 2.000 m Fläche werden abgepasste Teppiche präsentiert. Gut 60 % davon sind mit Maschinenwebteppichen belegt. Auffällig: Auf dutzenden Stapeln dieser Warengruppe liegen überwiegend klassisch gemusterte Teppiche in Farben wie Braun, dunklen Grün- und Rottönen. Sortiert ist die Ware nach Größen, die durch hängende Schilder über den Stapeln angezeigt werden. Präsentiert wird hier akkurat. Von der Wirkung her ist diese Teppichabteilung aber eher zurückhaltend und kühl- zumindest im Vergleich zu vielen westeuropäischen Abteilungen. Zehn Verkäufer und zwei Manager kümmern sich im Grand um das Wohl der Kunden und die Warenpräsentation.

Mit der Art der Warenpräsentation und dem ausgewählten Sortiment trifft der externe Betreiber dieser Abteilung, der russische Anbieter Art de Vivre, den Nerv der Kundschaft. Hier im Moskauer Bezirk Khimki gibt es viele Hochhäuser, aber auch bessere Wohngegenden - entsprechend durchmischt ist die Einkommensstruktur der Menschen, die dort leben. Das ist der Grund, weshalb neben der Maschinenwebware in niedriger bis mittlerer Preislage ebenfalls Handtuftware, Ziegler und viel feine persische Ware angeboten werden. So wird ein feiner Ghoum für 5 Mio. Rubel präsentiert, umgerechnet mehr als 120.000 EUR. Und was für westeuropäische Teppichgeschäfte bzw. Teppichabteilungen eher die Ausnahme ist, ist bei Art de Vivre die Regel: Savonnerien und Tapisserien sind Standardprodukte im Sortiment. "Diese Ware wird bei uns stark nachgefragt. In Russland bekommt man sie nirgends anders", ist Art de Vivre-Marketingleiter Mikhail Volodin überzeugt. Ein weiterer wichtiger Umsatzbringer sind hochwertige Nepalknüpfungen, die auf Kundenwunsch produziert werden. Felle und Shaggys in sehr bunten Farben runden das Sortiment ab. Jedoch werden Shaggys hier deutlich weniger stark nachgefragt als in Westeuropa.

Szenenwechsel. Das Einkaufszentrum GUM beherbergt auf mehr als 75.000 m Verkaufsfläche ausschließlich nationale und internationale Luxusmarken. Unter den 200 Ladengeschäften sind Gucci, Hermes und Hugo Boss ebenso vertreten wie Alessi, Flamant und Kartell. Als einziger Teppichanbieter präsentiert dort Art de Vivre seine Ware der luxusverwöhnten Kundschaft. Aus dem Fenster dieses Ladengeschäftes blickt der Besucher direkt auf den Roten Platz - eine exklusivere Lage gibt es in Moskau nicht. Das Sortiment ist ebensfalls exklusiv: feine Manufakturteppiche wie Ghoum, Nain Täbris und Isfahan überwiegen. "Gut verkaufen sich hier Nepalknüpfungen in modernen, abstrakten Dessins, die sich die Kunden nicht nur auf den Boden legen, sondern an die Wand hängen können.", so Volodin. Ein kleiner Stapel Maschinenwebware scheint in diesem Ladengeschäft obligatorisch zu sein, allein um der Kundschaft eine Idee über die Breite des Sortiments geben zu können. Dass sie in dieser Lage vor gut zwei Jahren ein neues Ladengeschäft eröffnen konnten, war Zufall: "Die Inhaber von GUM wollten gerne junge, innovative Luxusanbieter als Mieter gewinnen. Deshalb stellen sie ihnen Flächen wie diese im zweiten Stock sehr günstig zur Verfügung."

Ein paar hundert Meter weiter betreibt Art de Vivre ein weiteres Ladengeschäft. Von außen ist es unscheinbar. Und es ist keine typische Lauflage an dieser stark befahrenen Straße. Zudem befindet sich der Verkauf im ersten Stock. Dennoch gehört diese Filiale zu den erfolgreichsten: Der Kreml befindet sich in Sichtweite, hochrangige Politiker kaufen hier für ihre Häuser und Datschas Luxus für den Boden. Die Kontakte "nach oben" sind gut, die Verkäufe ebenfalls. Dabei dürfen es gerne Übergrößen, Savonnerien oder Tapisserien sein - alles Produkte, die im GUM nicht angeboten werden.

Beim Sortiment macht Volodin regionale Trends aus: "In Moskau sind 65 % der Ware klassisch gemustert, in den Regionen eher 75 %, der Rest ist jeweils modern. Viele junge Familien zieht es nach Moskau, die Nachfrage nach Modernem wird hier immer stärker." Über alle Filialen verteilt macht Maschinenwebware mittlerweile 50-55 % des Sortiments aus.

Die Vielzahl der Standorte und die feinen Unterschiede in den Sortimenten erfordern klar voneinander abgegrenzte Werbekonzepte. Klassische Werbung in Tageszeitungen gibt es für alle Filialen. Für die preisgünstigeren Standorte in Moskau und in den anderen Landesteilen wird überwiegend mit Aktions-Katalogen geworben, die über Tageszeitungen oder Postwurfsendungen vertrieben werden. Die anspruchsvollere Klientel hingegen wird beispielsweise über doppelseitige Anzeigen in der russischen Ausgabe von Architectural Digest (AD) angesprochen. Als Werbemotive werden typische Szenen und Gebäude international bekannter Städte verwendet, in die die dazu passenden abgepassten Teppiche hineinmontiert werden: So erscheinen am New Yorker Times Square keine blinkenden Leuchtreklamen mehr, sondern moderne Teppiche; in eine Szene aus Paris hingegen wurden aufwendig Savonnerien eingearbeitet. Zusätzlich wird jährlich ein eigener hochwertig gestalteter Katalog mit den besten handgefertigten Stücken in einer Auflage von 2.000 Stück gedruckt und an die entsprechende Kundschaft verschickt.

Während sich Mikhail Volodin hauptsächlich um das Marketing kümmert, ist Inhaber Igor Zayesenko für den Einkauf verantwortlich - und besucht dafür persönlich alle wichtigen Teppichmessen der Welt sowie Produzenten in den Ursprungsländern. Zudem kümmert sich Zyasenko um die Expansion des Unternehmens. Das Wachstumstempo der vergangenen Jahre - 1998 waren es noch drei Filialen, heute sind es 32 - werde man wohl nicht mehr halten können. Das Geschäft in Russland sei zwar stark, die internationale Wirtschaftskrise habe allerdings auch dort Spuren hinterlassen. Das wird die Macher von Art de Vivre nicht davon abhalten, weiterhin überlegt zu wachsen und neue Standorte zu eröffnen. "Dafür", so Volodin, "ist Russland einfach sehr groß und das Thema Teppich noch nicht in allen Metropolen erschlossen."
aus Carpet Magazin 01/13 (Handel)