Glaubwürdig verkaufen
Beziehungsgestaltung kommt oft zu kurz
Fachliches Wissen und Können plus Einsatzbereitschaft gelten im Verkauf als Garanten für hohe Leistungsfähigkeit und überdurchschnittliche Verkaufsergebnisse. In dieser Absolutheit ist das ein Irrtum. Denn es ist beileibe nicht ausschließlich dieser Dreiklang, der beeindruckende Ergebnisse, hohe Kundenbindung und wirkungsvolle Weiterempfehlung garantiert. Gewinnendes Verhalten spielt dabei eine mindestens ebenso Ausschlag gebende Rolle. Gerade im Verkauf ist zwischenmenschliche Anziehung oder Abstoßung ein Entscheidungsfaktor, der im Zweifelsfall nur zu oft den Ausschlag gibt.
Im Kleinen wie im Großen zeigt die Praxis tagtäglich, es wird mitnichten nur über den Preis verkauft. So wichtig der auch ist, stimmt das Zwischenmenschliche nicht, baut sich keine Vertrauensbasis im Kundenkontakt auf, verliert der Preis nur zu oft an Zugkraft. Die um sich greifende Verunsicherung verstärkt das Verlangen nach Glaubwürdigkeit noch. Umso mehr erwartet der laufend auf Glaubwürdigkeitsprobleme stoßende und gestoßene Kunde als wesentliche Grundlage des Verkaufsgeschehens, glaubwürdig behandelt zu werden. Zu tief sitzt mittlerweile das Gefühl, hinters Licht geführt worden zu sein, dass zu oft und zu skrupellos mit der eigenen Gutgläubigkeit Schindluder getrieben wurde. Und nach wie vor wird.
Verhaltensaufrichtigkeit ist das brach gefallene Land, das es im Verkauf wieder zu entdecken und zu beackern gilt. Die fortschreitende Destabilisierung der ganz normalen Lebensumstände macht die Rückkehr zur Verhaltensehrlichkeit im Verkauf zum Gebot der Stunde. Glaubwürdiges Verhalten in Wort wie Tat gewinnt bei fortschreitender Undurchsichtigkeit und Unberechenbarkeit allen Geschehens als Alleinstellungsmerkmal mit jedem neuen Tag eine größere Bedeutung. Diese Prognose wird abgestützt durch das Wissen, worauf es Kunden ankommt: Auf der Sachseite wollen sie Verlässlichkeit der Leistungserstellung, schnelle Reaktion auf ihre Anliegen, gute Erreichbarkeit, Gewährleistung von Sicherheit. Auf der Verhaltensseite erwarten sie Kompetenz, Einfühlungsvermögen, Höflichkeit, Respekt verpackt in klare, eindeutige, verständliche und menschliche Kommunikation. Immer wieder fällt in Gesprächen auf, wie stark der eingebläute Seminarsprech über ihre Köpfe hinweg verabscheut wird. Kunden fühlen sich von dieser Sprechblasen-Argumentation für blöd verkauft, mitunter geradezu diskriminiert dadurch.
Sie wollen ernst genommen, individuell behandelt und nicht seminarmäßig nach Schema F abgefertigt werden. Die eingetrichterte und meist unverdaut nachgeplapperte Floskelsuada ist ihnen zuwider. Sie macht sie ärgerlich und wütend. Das vor allem, wird sie von oben herab mit der Attitüde der selbstverständlich Besserwissenden vorgetragen. Für Kunden kommt es darauf an, das definitive Bemühen des Unternehmens zu spüren und auf dessen konkrete Seriosität zu treffen: Indem sie sich auf Ankündigungen, Offerten, Absprachen und Zusagen verlassen können, indem sie dann einen Ansprechpartner finden, wenn sie eine Frage haben, indem sie zuverlässig wissen, an wen sie sich wenden können, wenn ein Problem auftritt und indem sie gewiss sein können, dass ihnen im Problemfall geholfen wird.
Kurz, in einer Verkaufswelt des schönen Scheins und des oft hässlichen Seins wollen sie sich angenommen fühlen, wollen sie umsorgt werden. Deutlich zeigt sich diese Erwartungshaltung bei Reklamationen. So verstärken selbst kulante Lösungen die Verärgerung, geht beispielsweise das Antwortschreiben auf die Reklamation nicht auf den individuellen Fall ein, sondern erschöpft sich in nichtssagend-bedauernden und selbst entschuldigen Gemeinplätzen. Oder wird der reklamierende Kunde vor Ort zwar in der Sache erwartungsgemäß, aber in der Art und Weise sein Selbstwertgefühl verletzend über die kalte Schulter hinweg als lästige Störung der Routine behandelt.
Die Weichen stellende Kraft und Macht des an den Tag gelegten Verhaltens kann also kaum überschätzt werden. Das macht eine weitere Erkenntnis der Marketing- beziehungsweise Verkaufsforschung nachvollziehbar: Über die positive oder negative Wahrnehmung des gesamten Unternehmens, über die Zufriedenheit, die Loyalität und das Empfehlungsverhalten der Kunden entscheiden die Mitarbeiter im Kundenkontakt mit ihrer Beziehungsgestaltung. Ob ein alter Kunde gehalten, ein neuer Kunde gewonnen und der Ruf des Unternehmens draußen positiv verstärkt und verankert wird, die Weichensteller für "Daumen rauf" oder "Daumen runter" sind immer die, auf die der Kunde trifft. Dahinter steht eine weitere Erkenntnis, die auch von der Führungsforschung gestützt wird: Wie es in den Wald hineinschallt, so schallt es auch wieder heraus. Der falsche Ton gegenüber den Mitarbeitern führt rasch zu falschen Tönen den Kunden gegenüber. Sollen die sich um die Kunden bemühen, setzt das bei ihnen das Empfinden voraus, man bemüht sich auch um sie. Verhalten prägt Verhalten. Initiative und Engagement sind Kinder von Gefühlen, sie gedeihen nur in der richtigen Atmosphäre.
Und Initiative und Engagement sind die Schlüssel zum Kunden. Gewinnend und glaubwürdig wirken Mitarbeiter im Verkauf auf kleiner wie auf großer Bühne, engagieren sie sich aus eigener Initiative im Interesse des Kunden: durch ihr Informationsverhalten, durch ihr gezieltes Eingehen auf individuelle Kundenwünsche, durch die Suche nach kundengerechten Problemlösungen, durch die Übernahme von Verantwortung im Problemfall. Kunden sind durchaus bereit, fachliche Mängel, zeitliche Verzögerungen oder sonstige Abweichungen vom Erwarteten in gewissem Maße zu tolerieren, vorausgesetzt, sie spüren ein fürsorgliches Verhalten und das glaubwürdige Bemühen um eine Lösung.
Die praktische Bedeutung des Dargelegten für das eigene Verhalten Kunden gegenüber erschließt sich am leichtesten, sieht man sich selbst als Kunde. Was aus Verkäufersicht eben noch als etwas überzogene Erwartungshaltung angesehen werden mag, verwandelt sich aus Käufersicht flugs in eine absolut selbstverständliche Anspruchshaltung. So und nicht anders wünscht man sich behandelt zu sehen. Die Goldene Regel "Was du nicht willst, dass man dir tu, das füg auch keinem anderen zu" harrt der Wiederentdeckung im Verkauf.
aus
Haustex 01/13
(Handel)