Kleiner Fehler - Großer Schaden

Estrichleger trägt zu dick auf

Fußbodenkonstruktionen zählen zu den komplexesten und am höchsten belasteten Bauteilen - schon kleine Fehler können hier große Auswirkungen haben. Dabei hat jede Baustelle ihre eigenen Tücken. Oft zeigt sich erst anhand der Ursachenforschung im Schadensfall, worauf ein Fußbodenverleger alles achten muss. FussbodenTechnik deckt in Zusammenarbeit mit namhaften Sachverständigen anhand realer Schadensfälle mögliche Fehlerquellen auf. Diesmal geht es um großflächige Beulen in einem Kautschukbelag.

Ein Bodenleger erhielt den Auftrag, in einem Neubau mit Verkaufs- und Büroräumen einen Synthesekautschukbelag auf einem angeblich 70 mm dicken schwimmenden Zementestrich zu verlegen. In dem rund 300 m großen Verkaufsbereich im Erdgeschoss führte der Bodenleger zwei Feuchtigkeitsmessungen mit einem CM-Gerät durch. Im Protokoll vermerkte er, dass die Estrichkonstruktion in den Prüfbereichen jeweils 65 mm dick war und einen Restfeuchtegehalt von 1,7 und 1,8 CM-% aufwies. In den Büroräumen im Obergeschoss, sollte die Schichtdicke der Estrichkonstruktion 60 mm betragen. Tatsächlich lag die ermittelte Schichtdicke zwischen 60 und 65mm. Bei Feuchtigkeitsgehalten von jeweils 1,7 CM-% war der Estrich ausreichend trocken für die Belagsverlegung.

Von der Bauleitung erhielt der Bodenleger den Hinweis, dass dem eingebauten Estrich ein Trocknungsbeschleuniger zugefügt worden sei. Er könne deshalb von dem ermittelten Feuchtigkeitswert noch 1 % abziehen. Dass der Estrich im Untergeschoss Mehrdicken aufwies, kommunizierte der Architekt jedoch nicht.

Nach dem Grundieren und Spachteln des Untergrundes mit einer Calciumsulfat-Spachtelmasse verlegte der Bodenleger den Belag. Nur sechs Wochen nach Beginn der Nutzung zeigten sich unter den Stuhlrollen Belagsablösungen und Beulen. Als der Bodenleger bei der Nachbesserung unter dem Belag einen Feuchtefilm entdeckte, schaltete man den Sachverständigen zur Klärung der Ursache ein.

Schaden - Große Beulen im Kautschukbelag

Der im Bauvorhaben verlegte Kautschukbelag war ausschließlich im Erdgeschoss auffällig. Die Beulen mit einem Durchmesser von 30 bis 40 cm zeigten sich insbesondere unter den Bürostühlen, die mit ungeeigneten, harten Rollen ausgestattet waren. Es traten aber auch kleine punktuelle Beulen auf. Nahezu alle Ablösungen befanden sich in Nähe der Außenwände. Leider hatte der Bodenleger die CM-Messungen in der Mitte der zwei großen Verkaufsräume durchgeführt, jedoch keine im Bereich der Außenwände.

Um die Schadensursache zu erforschen, durfte der Sachverständige die Fußbodenkonstruktion öffnen. Dort, wo keine Belagsablösungen vorlagen, stellte der Sachverständige eine gute Klebung des Belages zur Calciumsulfat-Spachtelmasse fest. Der Feuchtegehalt betrug dort 1,7 CM-%, der Estrich war ausreichend trocken. In diesem Bereich war der Estrich 65 mm dick. Die Trennschicht in Form einer Weich-PVC-Abdichtungsfolie hatte der Estrichleger unmittelbar auf der darunter liegenden ans Erdreich angrenzenden Betonsohle angeordnet. Es fehlte die bei einem Estrich auf Trennschicht erforderliche zusätzliche Folie, die nicht als Feuchtigkeitsschutz, sondern als Gleitfolie dient.

In einer weiteren Prüfstelle unter einem Bürostuhl hatte sich eine nahezu ein Quadratmeter große Ablösung des Belages gebildet. Diese Stelle lag nur 1,50 m von der Außenwand entfernt. Nach dem Einschneiden des Belages wurde deutlich, dass die 3 mm dicke Spachtelmasse gespalten war. Ein so genannter Kohäsionsbruch war entstanden. Sie war unüblich weich, teilweise auch pudrig. Man konnte sie ohne großen Aufwand von der Estrichoberfläche abschaben und abbürsten. Schon die elektrische Feuchtigkeitsmessung ergab dort erhöhte Werte. Diese bestätigten sich mit der einer CM-Messung: Mit 2,7 CM-% war der Estrich deutlich zu feucht. Außerdem wies er mit 88 mm eine erhöhte Schichtdicke auf.

Unter dem Estrich lag erneut eine blaue Abdichtungslage. Darunter fand der Sachverständige eine Polystyrol- Wärmedämmschicht mit einer Dicke von 80 mm. Es stellte sich heraus, dass das Gebäude energietechnisch so geplant war, dass die rund 2 m breite Betonsohle im Randbereich etwa um 100 mm tiefer gelegt war. Auf diese Weise sollte dort eine 100mm dicke Dämmschicht angeordnet werden. Der angrenzende Estrich verfügte über keine Dämmschicht.

Rein rechnerisch war nachvollziehbar, dass der Estrich im Randbereich 20 mm dicker sein musste. Auch in zwei weiteren Prüfstellen bestätigten sich die beschriebenen Schadensbilder. Dort lagen die Schichtdicken des Estrichs sogar bei 85 und 100mm.

Ursache - Zu viel Feuchtigkeit

In seinem Gutachten nannte der Sachverständige in erster Linie die erhöhte Feuchtigkeit des Zementestrichs als Ursache für die Belagsablösungen. Die erhöhte Feuchtigkeit hat nach der Verlegung des Belages zunächst zu einer Erweichung der nicht feuchtigkeitsresistenten, aber auf dem Zementestrich geeigneten Calciumsulfat-Spachtelmasse geführt. In der Folge ist der Dispersionskleber angelöst worden. So kam es zu den festgestellten Belagsablösungen.

Zusätzlich förderten die ungeeigneten harten Doppellenkrollen der Bürostühle die großflächigen Beulen. Da der Bodenleger keine Hinweise auf Estrich-Mehrdicken erhielt, ist ihm kein Vorwurf zu machen. Er hat mit den durchgeführten CM-Feuchtigkeitsmessungen seiner Prüfungspflicht genügt.

Verantwortlichkeit - Estrichleger verschweigt Mehrdicken

Die technische Verantwortlichkeit für die erforderlichen Sanierungsmaßnahmen liegt beim Estrichleger. Er hat die Vorgaben des Leistungsverzeichnisses nicht erfüllt, indem er eine dünnere Dämmschicht im tiefer liegenden Betonteil verlegte. Auf diese Weise ist eine Mehrdicke des Estrichs von 20 mm entstanden, die weder dem Auftraggeber noch der Bauleitung mitgeteilt wurde. Zum einen hat der Estrichleger nicht die vertraglichen Vereinbarungen in Bezug auf die Dämmschichtdicke erfüllt, zum anderen hat er die Sorgfalts- und Hinweispflichten nicht beachtet.

Da auch dem Architekten die variierende Estrichschichtdicke nicht bekannt war, kann ihm das hohe Restrisiko einer längeren Austrocknungszeit nicht angelastet werden.

Im Gutachten hat der Sachverständige außerdem auf eventuelle Problemstellungen der Estrichkonstruktion im Übergangsbereich zwischen der schwimmenden und der angrenzenden auf Trennschicht vorliegenden Estrichkonstruktion hingewiesen.

Im vorliegenden Objekt musste eine vollflächige Neuverlegung des Belages erfolgen. Der Sachverständige forderte außerdem, dass die wärmetechnischen Anforderungen im Bauvorhaben insbesondere im Hinblick auf die Dämmschichtdicke zu überprüfen seien. Sie könnten eventuell sogar einen Rückbau des Estrichs erforderlich machen.


Der Autor


Fußboden-Gutachter Helmut Becker ist öbv. Sachverständiger für das Estrich- und Parkettlegerhandwerk sowie für Bodenbeläge.

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aus FussbodenTechnik 02/13 (Handwerk)