Teppichfachhandel Bisbee, Lübeck

Den Kunden einen kulturellen Mehrwert bieten


Detailkenntnis, Traditionsbewusstsein bei gleichzeitiger Offenheit für neue Trends und viel Fingerspitzengefühl im Alltagsgeschäft - solche Voraussetzungen muss der inhabergeführte Teppichfachhandel heute erfüllen, wenn er den gegenwärtigen Strukturwandel der Branche überleben will. Und genau diesen Anforderungen stellt sich das Fachgeschäft Bisbee seit bald drei Jahrzehnten und ist dadurch im Lübecker Stadtzentrum zu einer regionalen Institution geworden. Stilecht im noch immer leicht mittelalterlichen Flair der kopfsteingepflasterten Hüxstraße gelegen - abseits der modernen Einkaufstempel - erwartet die Kunden von Karl und Gudrun Goldmann ein anspruchsvolles Ambiente: Die Wände sind dekoriert mit traditionellen Orientteppichen verschiedenster Provenienzen und das nach Größen gestapelte Angebot aus vor allem klassischer aber auch moderner Ware zeigt ein umfassendes Spektrum der Teppichwelt auf nur wenigen Quadratmetern Fläche konzentriert. Das Geschäft strahlt gleichzeitig Leidenschaft und Fachkompetenz aus.

Und trotzdem: Um jeden einzelnen Kunden müssen die Inhaber kämpfen. Früher zogen konventionelle Gabbeh und Kelims die Käufer ins Geschäft. Aber diese Zeiten sind vorbei. "Neukunden zu akquirieren ist eine große Herausforderung", erklärt Karl Goldmann. "Denn mit der älteren Generation, die zum Großteil unsere Stammkundschaft ausmacht, gehen auch das Wissen und die Wertschätzung für den Teppich verloren. Und daher weiß die tägliche Laufkundschaft oftmals gar nicht, dass wir nicht jedes Produkt im Wunschmaß auf Lager halten können und macht sich keine Vorstellung davon, welch ein Aufwand es ist, einen ganz bestimmten Teppich im Großhandel aufzutreiben." Etwa die Hälfte des Umsatzes entfällt auf Ziegler und Südperser, die andere Hälfte auf Kelims und klassische Teppiche - und auf moderne Klassiker wie die Teppiche von Tufenkian.

Bisbee hat den Anspruch eines ausgesprochenen Qualitätshändlers: Nicht der unmittelbare und maximale Verkaufserfolg zählt, sondern Nachhaltigkeit. "Wir haben unser Angebot ganz absichtlich nicht stromlinienförmig an der Nachfrage ausgerichtet", sagt Gudrun Goldmann. "Schließlich ist unsere Aufgabe ja die fachkundige Beratung, die manchmal bestimmte Vorlieben erst weckt." Denn oftmals kaufen die Kunden am Ende einen völlig anderen Teppich als sie es ursprünglich wollten. Absichtlich wurden keine modernen Blättersysteme aufgestellt, um schnell die unterschiedlichen Farben und Strukturen durchgehen zu können. Nein: Der Kunde soll sich Zeit lassen und jedes einzelne Stück anfassen. Die volle Kompetenz entfaltet sich in den hinteren Räumen des Ladens: Dort liegen zahlreiche Schätze für Kenner und Liebhaber in Form eines Vollsortiments an Flachgeweben vom soliden Gebrauchskelim bis hin zum antiken Sammlerstück.

"Wir sind Problemlöser für diejenigen Leute geworden, die mit Ikea nicht mehr klarkommen." erklärt Karl Goldmann "Und dann müssen wir die Kunden dort abholen, wo sie mit ihrem Wissen über Teppiche stehen." Vertrauen kann vor allem bei Hausbesuchen aufgebaut werden, wenn es etwa um die Komposition der verschiedenen Wohnelemente geht. Das Serviceangebot endet aber nicht bei der Stilberatung. Bisbee hat eine angeschlossene Meisterwerkstatt mit eigenem Knüpfer, der beschädigte Teppiche restauriert und schmutzige Stücke fachgerecht reinigt. Gerade in diesem Bereich tummeln sich in der Branche viele schwarze Schafe. Diese werben mit vermeintlichen Billigangeboten Kunden ab, um sie dann mit schlechter Arbeit und Wucherpreisen zu betrügen. Eine Praxis, die der gesamten Branche und damit auch den ehrlichen Kaufleuten einen schlechten Ruf beschert.

Doch was ist gegen allgemeinen Verfall der Teppichkultur zu tun? Die Goldmanns haben vielleicht deshalb einen etwas unbefangeneren Blick auf die Probleme der Branche, weil sie selbst nicht den typischen Werdegang von Teppichhändlern haben. Denn beide sind nicht mit Teppichen aufgewachsen. Sie konnten kein elterliches Geschäft mit festem Kundenstamm übernehmen. Stattdessen begannen Karl und Gudrun 1985 bei Null: Sie gründeten ihr eigenes Teppichgeschäft und entdeckten in der täglichen Arbeit die Liebe zu den orientalischen Web- und Knüpfwerken.

Beide wünschen sich heute einen kontinuierlichen Austausch zwischen Teppichhändlern, die ja alle ähnliche Probleme haben, - und sei es erst einmal nur im Rahmen eines informellen Stammtischs. Bisher hätten vor allem Partikularinteressen jede Organisationsform im Keim erstickt. "Vor allem aber benötigen wir mehr Marketing und einen engeren Kontakt zu Einrichtungs- und Design-Zeitschriften", sagt Karl Goldmann. "Nur so kann doch erst die Neugier auf unsere Produkte geweckt werden. Es gibt schlichtweg zu wenige Orte, an denen die Leute schöne Teppiche sehen können."

Bei Bisbee hat man schon oft auch jenseits des Tagesgeschäfts seine Türen geöffnet, um Menschen für den Teppich zu interessieren. Es wurden sogar Universitäts-Vorlesungen im Laden abgehalten. Und auch moderne Medien werden genutzt. Doch das Internet ist für den Fachhandel Fluch und Segen zugleich: Es lockt zwar in der Tat neue Kunden an, ersetzt aber nicht die Haptik und den direkten Blick auf das Objekt. Am Ende steht so manches Mal ein enttäuschter Kunde mit einem Teppich, der am Bildschirm noch ganz anderes anmutete. Und so bilden die Stammkunden das Rückgrat für das Geschäft in der Hüxstraße. Etwa die Hälfte der Kunden kommen aus Lübeck, die meisten anderen aus dem Umland bis ins 60 km entfernte Hamburg. Dass der klassische Orientteppich irgendwann seine Renaissance erlebt, davon ist Karl Goldmann überzeugt: "Schließlich bekommt der Käufer bei keinem anderen Produkt einen so großen Gegenwert an Kultur für sein Geld." Ob er das aber noch selbst als aktiver Händler erleben wird, bevor sein Sohn vielleicht das Geschäft übernimmt, da ist er sich nicht sicher.
aus Carpet Magazin 02/13 (Handel)