Kleiner Fehler - Großer Schaden

Alte Spachtelmasse macht Lino zum "Spinnennetz"

Fußbodenkonstruktionen zählen zu den komplexesten und am höchsten belasteten Bauteilen - schon kleine Fehler können hier große Auswirkungen haben. Dabei hat jede Baustelle ihre eigenen Tücken. Oft zeigt sich erst anhand der Ursachenforschung im Schadensfall, worauf ein Fußbodenverleger alles achten muss. FussbodenTechnik deckt in Zusammenarbeit mit namhaften Sachverständigen anhand realer Schadensfälle mögliche Fehlerquellen auf. Diesmal geht es um eine misslungene Linoleumverlegung auf alter Spachtelmasse und einem alten PVC-Belag.

In einer rund 400 m großen Kantine ließ der Bauherr einen verschmutzten Nadelvliesbelag entfernen. Im Zuge der Sanierung sollte der beauftragte Bodenleger 2,5 mm dicke und 2 m breite Linoleumbahnen verlegen. Dafür wurden Teilflächen mit einer diamantbestückten Schleifscheibe geschliffen und die vorhandenen Klebstoffreste entfernt. Aus einem Arbeits-Protokoll geht hervor, dass bei diesen groben Schleifmaßnahmen auch lose Spachtelmasse entfernt wurde.

Anschließend grundierte der Bodenleger die nahezu vollflächig vorliegende alte Spachtelmassenschicht mit einem Dispersionsvorstrich, bevor er im Rakelverfahren eine 3 mm dicke Calciumsulfatspachtelmasse aufbrachte. Da der Untergrund in einigen Teilbereichen sehr uneben war, musste der Untergrund dort zweimal gespachtelt werden.

Für die Verklebung des Linoleumbelages wurde ein Dispersions-Linoleumklebstoff gewählt, die Nahtkanten verschweißte der Bodenleger thermisch.

Bereits sechs Monate nach der Nutzungsaufnahme zeigten sich in der Oberfläche des roten Linobelages spinnennetzartige, aber auch einzelne gradlinige Einkerbungen und Riefen. Zur Klärung dieses Schadensbildes schaltete der Bauherr den Autor dieses Fachbeitrages ein.


Schaden - Spinnennetzartige Einkerbungen im Lino

Das relativ hochglänzend eingefärbte Linoleum zeigte auf ungefähr einem Drittel der Grundrissfläche spinnennetzartige Einkerbungen. Hinzu kamen außerdem gradlinige Einkerbungen über längere Strecken. Gegenüber der Schadensfläche gab es längs einer Außenwand in einer Breite von 1,50 m ebenfalls rissartige Einkerbungen in der Belagsoberfläche.

Im mittleren Teil der Kantine hingegen gab es in der Oberfläche des Linoleums keine Unregelmäßigkeiten.

Der Sachverständige führte Prüfmaßnahmen mit einem so genannten Hohlstellensuchgerät durch. Per Teleskopstab mit einer Edelstahlkugel ermittelte er, dass unter den rissartigen Einkerbungen akustisch wahrnehmbare Hohlstellen vorlagen - und das nicht direkt unter dem Belag, sondern in tieferen Zonen.

Die Vermutungen eines Anwendungstechnikers und des Bodenlegers, dass ein ungeeignetes Reinigungsmittel den Belag zum Reißen gebracht hatte, bewahrheitete sich nicht. Mit einer Leuchtlupe konnte der Sachverständige richtig stellen, dass der Belag selbst keine Risse aufwies. Das Schadensbild war eindeutig untergrundbedingt.

Tiefer gehende Prüfmaßnahmen waren damit unausweichlich: Die Bodenöffnungen an der erkennbar genarbten Linoleumoberfläche ergaben, dass sich der Belag ohne nennenswerten Kraftaufwand vom Untergrund ablösen ließ. An der Rückseite des Belages haftete die neu aufgebrachte Calciumsulfat-Spachtelmasse an. Darunter waren schemenhaft noch Klebstoffreste und eine alte, helle und zementgraue Spachtelmasse erkennbar. Die alte Spachtelmasse zeichnete sich durch deutlich erkennbare Risse aus. Das Abklopfen führte zu Ablösungen vom darunterliegenden Untergrund.

Nach dem Entfernen der alten, nur etwa 1 mm dicken Spachtelmasse, stellte sich heraus, dass der Untergrund aus einem 2 mm dicken hellgrauen PVC-Belag bestand. Dieser löste sich durch Abklopfen ebenfalls vom Untergrund. Unter dem geklebten PVC-Belag kam ein hauchdünn gespachtelter zementärer Estrich zum Vorschein. Auf diesen war der Alt-Belag ebenfalls ungenügend mit einem Dispersionsklebstoff geklebt.

Eine zweite Prüfstelle im Randbereich mit ebenfalls schadhafter Linoleumoberfläche ergab, dass sich auch hier die Calciumsulfat-Spachtelmasse in einer Schichtdicke von 5 bis 6 mm von der darunter erkennbaren hellgrauen PVC-Belagsoberfläche gelöst hatte. Der Altbelag wies deutliche Schleifspuren einer mechanischen Oberflächenbearbeitung auf.

Eine weitere Prüfmaßnahme im schadensfreien Bereich zeigte eine gute Klebung des neu verlegten Linoleumbelages und auch eine ausreichende Arretierung der darunter liegenden Calciumsulfat-Spachtelmasse zu einer alten Spachtelmasse. In diesem Bereich war kein PVC-Belag vorhanden.

Ursache - Ungenügende Untergrundprüfung

Die Ursache für die erforderlich werdende Neuverlegung des Bodenbelags liegt eindeutig in der schlechten Untergrundvorbereitung und -prüfung. Der vom Bauherrn beauftragte Architekt hatte die Ausschreibung vorbereitet und die technischen Vorgaben geliefert. Er begleitete später sogar die Sanierungsmaßnahmen. Er wäre verpflichtet gewesen, den vorhandenen Untergrund durch Bauteilöffnungen oder Kernbohrungen näher zu prüfen. Genauso hätte der Bodenleger, der laut dem Leistungsverzeichnis den Untergrund nur abzuschleifen und zu grundieren hatte, den alten Untergrund näher überprüfen müssen - dies gilt insbesondere bei Verlegung von neuen Belägen auf alten Untergründen.

Nach den allgemein anerkannten Regeln der Technik und des Handwerks darf man auf alten Spachtelmassen nur dann einen neuen Belag und eine neue Spachtelung aufbringen, wenn der Untergrund ausreichend fest ist. Dies musste im vorliegenden Fall klar verneint werden. Der alte Klebstoff hätte aufgrund von drohenden Haftungs- und Geruchsproblemen genauso entfernt werden müssen wie der überspachtelte alte PVC-Belag.

Die Prüfungspflicht des Bodenleger umfasst nicht automatisch auch Haftzugprüfungen. In diesem Fall wäre es allerdings empfehlenswert gewesen, auf das entsprechende Serviceangebote von vielen Verlegewerkstoffherstellern zurückzugreifen.

Der vorhandene Untergrund hätte zumindest durch Hammerschlagprüfungen hinsichtlich der Arretierung der alten Spachtelmassenschicht überprüft werden müssen. Die unterschiedliche Untergrundbeschaffenheit (mit Belag und ohne Belag) wäre im Zuge des Abschleifens der alten Spachtelmasse akustisch zu hören gewesen.

Verantwortlichkeit - Planer und Bodenleger haften

Die technische Verantwortlichkeit lag eindeutig beim Planer und beim Bodenleger. Beide hätten wissen müssen, dass nach den allgemein anerkannten Regel der Technik alle vorhandenen Verlegewerkstoffschichten bis zum festen Korn des Estrichs zu entfernen sind. Im beschriebenen Bauvorhaben musste eine Neuverlegung erfolgen.



Der Autor


Fußboden-Gutachter Helmut Becker ist öbv. Sachverständiger für das Estrich- und Parkettlegerhandwerk sowie für Bodenbeläge.

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aus FussbodenTechnik 03/13 (Handwerk)