PVC und Phthalate

Es geht auch ohne

Dass Weichmacher gesundheitsschädlich sein können, hat jeder schon einmal gehört. Mit Details beschäftigt sich aber kaum ein Verbraucher und deshalb setzt die Industrie verstärkt auf elastische Beläge ohne die umstrittenen Phthalate oder ersetzt das ungeliebte PVC gleich ganz. Wer noch keine entsprechenden Produkte im Angebot hat, arbeitet zumindest daran. FussbodenTechnik macht die Bestandsaufnahme und hat sich unter den Lieferanten auf dem deutschen Markt umgehört.

Nichts ist beständiger als der Wandel und so gibt es auch bei elastischen Belägen jenseits neuer Farben und Dekore immer wieder technische (Weiter-)Entwicklungen. Aktuell ist es der Ersatz von Phthalaten als Weichmacher in PVC-Böden bzw. der komplette Verzicht auf PVC. Mittlerweile gibt es kaum einen Hersteller, der nicht an entsprechenden Produkten arbeitet; einige haben ihre Kollektionen auch schon auf dem Markt.

In der Diskussion stehen Phthalate als Weichmacher schon seit Jahren. Eingesetzt werden sie bei der Herstellung von Weich-PVC, wie es unter anderem in Bodenbelägen, aber auch Tapeten, Lacken und Farben verwendet wird. Gefährlich für den Menschen sind Phthalate erst, wenn sie durch Wasser oder Fett aus diesen Produkten herausgelöst bzw. abgerieben werden oder ausgasen. Dann können sie aufgrund ihrer hormonähnlichen Eigenschaften Auswirkungen auf die Fortpflanzungsfähigkeit haben. Vor allem Kinder sind anfällig für die Aufnahme der gesundheitsschädlichen Stoffe.

Angesichts eines wachsenden Umwelt- und Gesundheitsbewusstseins in der Bevölkerung sehen sich viele Verarbeiter von phthalathaltigen Produkten mittlerweile im Zugzwang - auch in der Bodenbelagsbranche, die sich immer wieder mit Testberichten und Schlagzeilen konfrontiert sah, in denen vor einer Gefährdung gewarnt wurde. So hieß es in der Zeitschrift Öko-Test im November 2012: "PVC-Bodenbeläge gelten als billig und pflegeleicht. Die bittere Wahrheit: Sie stecken voller Schadstoffe, egal wie sie optisch daherkommen. Von den getesteten Produkten ist keines zu empfehlen."

Auch PVC-haltige Beläge entsprechen gesetzlichen Vorgaben

So etwas schadet dem Image. Aber eine rechtliche Notwendigkeit zum Verzicht auf Phthalate oder PVC besteht nicht. In der Regel entsprechen elastische Beläge, die in Deutschland verkauft werden, den gesetzlichen Vorgaben und können eine Reihe entsprechender Zertifikate vorweisen. "Unsere Bodenbeläge sind schon in der Entwicklungsphase so konzipiert worden, dass eventuelle Emissionen auf ein für den Menschen absolut unbedenkliches Minimum reduziert sind", sagt etwa Friedhelm Hilbrecht, Vertriebsleiter Deutschland bei Mflor. "Wir verfügen über das Zertifikat zur Erfüllung der internationalen ISO 14001 Environmental Management System Standard-Norm sowie die zertifizierte Entsprechung der AgBB-Kriterien, bestätigt durch das Bremer Umweltinstitut. Konkret bedeutet das: Die Beläge setzen keine bedenklichen Emissionen frei."

Dennoch bestätig Hilbrecht, dass auch sein Unternehmen an einem phthalatfreien Belag arbeitet. Gleiches gilt für Armstrong DLW, wo man zwar den Fokus auf Linoleumböden legt, sich aber bei Vinylbelägen dem aktuellen Trend nicht verschließen möchte. "Wir haben entsprechende Produkte in Planung", erklärt Katrin Riedrich, Leiterin Vertriebsmarketing Central Europe.

Der Markt bekommt eben, was der Markt verlangt. Und es gibt ja Alternativen - auch jenseits von Lino und Gummi.

Ersatzstoffe ohne Qualitätseinbußen

So verzichtet etwa Debolon seit Anfang 2012 in der gesamten Kollektion auf den Einsatz von Phthalaten und hat sie durch Weichmacher auf Basis natürlicher Rohstoffe ersetzt, in diesem Fall Zitronensäureester. In Dessau sieht man sich sowohl durch die Reaktion der Kunden als auch die Aktivitäten der Konkurrenz in dieser radikalen Entscheidung bestätigt, wie Vertriebs- und Marketingleiter Josef Führes berichtet. "Nur eine phthalatfreie Kollektion einzuführen oder nur Teile des Sortiments umzustellen, wird von der Öffentlichkeit schnell als Marketingmaßnahme entlarvt", ist er überzeugt.

Bei Objectflor hat man die Objektkollektion Expona auf phthalatfrei umgestellt. Der Relaunch zu Jahresbeginn bot sich dazu geradezu an.

Neben dem natürlichen Zitronensäureester - gewonnen aus heimischen Zuckerrüben - finden auch die Ersatzstoffe DINCH (von BASF unter dem Markennamen Hexamoll angeboten) und DOTP als Weichmacher Verwendung. Wobei DOTP als Dioctyterephthalat gewissermaßen zu den "guten", sprich: nicht als gesundheitsgefährdend eingestuften Phthalaten gehört.

Das gilt auch für Polyethylenterephthalat, oder kurz PET. Daraus lassen sich nicht nur leichte Getränkeflaschen herstellen, sondern auch Bodenbeläge. PET ersetzt dabei das PVC, zusätzliche Weichmacher sind nicht erforderlich. Sowohl CBC (Europe) als auch Hamberger und die Meisterwerke haben sich für diesen Weg entschieden und können ihre Beläge jetzt mit gutem Gewissen als PVC-frei vermarkten. Windmöller und Vorwerk ersetzten PVC durch PU, also Polyurethan. Statt petrochemischer Bestandteile finden Raps- und Rizinusöl sowie der natürliche Füllstoff Kreide Verwendung, so dass der Belag zu 90 % aus nachwachsenden Rohstoffen besteht.

Das gefällt auch den Bauherren und Planern nachhaltiger Gebäude. Und die sind dementsprechend eine wichtige Zielgruppe für die Anbieter PVC-freier und phthalatfreier Bodenbeläge. Zumal sie trotz der Ersatzstoffe nicht mit Einschränkungen hinsichtlich technischer oder optischer Eigenschaften zu rechnen haben. "Wenn man die Technologie beherrscht, gibt es keinen Grund, nicht konsequent umzustellen", sagt Josef Führes von Debolon - selbst wenn der Belag dadurch teurer würde: "Wir sehen uns als der deutsche mittelständische Hersteller von Premium-Vinylböden. Der billige Jakob können und wollen wir nicht sein. Bei einem Premium-Produkt Made in Germany muss es preispolitisch Luft für ökologische Konsequenz geben."
aus FussbodenTechnik 04/13 (Bodenbeläge)