Fachanwalt Andreas Hanfland informiert: BGH-Grundsatzurteile treffen das Handwerk
Bekommt man bei Materialfehlern Ersatz der Aus- und Einbaukosten vom Lieferanten?
FussbodenTechnik-Autor Andreas Hanfland stellt die neue Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zum Umfang der -Nacherfüllungspflicht des Lieferanten im Kaufrecht vor. Kauft ein Privatmann im Baumarkt schadhaftes Material ein, hat er einen Anspruch auf die entstehenden Aus- und Einbaukosten. Anders beim Handwerker: Bei Materialfehlern erhält dieser nur neues Material (z. B. den neuen Bodenbelag). Die Ein- und Ausbaukosten bekommt der Handwerker nur in ganz seltenen Verschuldensfällen ersetzt, wenn z.B. ein eigenes Lagerungsverschulden in Betracht kommt. Der Handwerker bleibt bei der neuen Rechtsprechung auf der Strecke.
Einführung: Im Juli 2008 hat sich der BGH in einem Grundsatzurteil zum Umfang der Haftung eines Baustoffhändlers positioniert. In dem Fall klagte ein Verbraucher gegen einen Baustoff-Lieferanten. Der Kläger hatte von diesem nicht selbst hergestelltes Parkett gekauft. Nach der Verlegung stellte sich heraus, dass sich auf etwa der Hälfte der verlegten Fläche die Buchendecklamelle der Parkettstäbe von der darunter liegenden Weichholzschicht ablöste. Es handelte sich unstreitig um einen Produktionsfehler. Der Kläger forderte den Baustoffhändler außergerichtlich auf, "den Parkettboden auszutauschen". Die Beklagte kam dieser Aufforderung nicht nach.
Rechtslage: Nach der einschlägigen kaufrechtlichen Anspruchsgrundlage (§ 439 Abs. 1 BGB) schuldet der Verkäufer im Zuge der Nacherfüllung nur die Lieferung einer mangelfreien Sache, also die Verschaffung von Besitz und Eigentum an einer mangelfreien Kaufsache. Demgemäß entschied der BGH: Zur Verlegung ersatzweise gelieferter Parkettstäbe ist der Verkäufer im Wege der Nacherfüllung auch dann nicht verpflichtet, wenn der Käufer die mangelhaften Parkettstäbe bereits verlegt hatte.
Laut BGH komme eine Haftung des Verkäufers allenfalls in Form von Schadensersatz in Betracht. Schadensersatz setzt jedoch im Gegensatz zum Anspruch auf Nacherfüllung ein Verschulden des Verkäufers voraus. Der Verkäufer haftet also nicht, wenn er die in der mangelhaften Leistung liegende Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat. Im Ergebnis wurde die Revision des Klägers zurückgewiesen, weil der Mangel für den Händler bei den verpackten Parkettstäben nicht erkennbar war. Damit liegt kein Verschulden vor.
Auswirkungen für das Handwerk: Diese Rechtsprechung hat für den Werkunternehmer - also den Handwerker - erhebliche wirtschaftliche Konsequenzen. Er schuldet nach Werkvertragsrecht im Rahmen der Nacherfüllung nicht nur den Ersatz des Materials, sondern auch alle hiermit im Zusammenhang stehenden Arbeiten, also auch den Aus- und Einbau. Dem Handwerker als Werkunternehmer droht deshalb beim Einbau mangelhafter, von ihm gekaufter Gegenstände ein erhebliches wirtschaftliches Risiko.
Beispiel: Der Auftraggeber beauftragt den Werkunternehmer mit der Verlegung von Parkett. Der Verleger kauft das Material bei seinem Großhändler, der das Material nicht selbst herstellt und verlegt es. Das Material war aufgrund eines Produktionsfehlers des Herstellers mangelhaft, sodass eine komplette Neuverlegung erfolgen muss. Der Auftraggeber verlangt vom Werkunternehmer Nacherfüllung. Der Werkunternehmer müsste neues Material beschaffen, das mangelhafte Material ausbauen und das neue Parkett verlegen. Er haftet also gegenüber dem Auftraggeber vollumfänglich. Mit dem Baustoffhändler hat der Werkunternehmer allerdings "nur" einen Kaufvertrag abgeschlossen.
Nach der Rechtsprechung des BGHs hat der Verkäufer, also der Baustoffhändler, jedoch nur die Lieferung mangelfreien Materials zu besorgen. Für Aus- und Einbau bzw. deren Kosten haftet der Verkäufer nicht, wenn für ihn der Mangel am Material nicht erkennbar war, was nahezu immer der Fall sein dürfte. Im Ergebnis bleibt der Werkunternehmer - trotz der Tatsache, dass er selbst sein Gewerk absolut mangelfrei erstellt hat - auf den Aus- und Einbaukosten sitzen.
Falsche Hoffnung durch EuGH: Im Jahr 2011 hat der Europäische Gerichtshof im Gegensatz zur Rechtsprechung des BGHs entschieden, dass aufgrund der geltenden Verbrauchsgüterrichtlinie im Rahmen des kaufrechtlichen Nacherfüllungsanspruchs sehr wohl eine Verpflichtung des Verkäufers besteht, eine vom Verbraucher bereits eingebaute mangelhafte Sache auszubauen und die neu gelieferte Sache wieder einzubauen oder zumindest die entsprechenden Kosten zu tragen.
Die Entscheidung des EuGH hatte der BGH umzusetzen. Er entschied nun in einem ähnlich gelagerten Fall, dass der Anspruch auf Nacherfüllung im Kaufrecht nunmehr richtlinienkonform dahin auszulegen ist, dass die Variante "Lieferung einer mangelfreien Sache" auch den Aus- und Einbau erfasst. Der Werkunternehmer könnte an dieser Stelle eigentlich erleichtert aufatmen, da er nach dieser Rechtsprechung nun doch Aus- und Einbau von seinem Vertragspartner, dem Verkäufer des mangelhaften Materials, verlangen könnte. Dem ist aber nicht so.
Denn in den vorstehend beschriebenen Fallkonstellationen handelte es sich immer um einen so genannten Verbrauchsgüterkauf, einem Kaufvertrag zwischen Verbraucher (Käufer) und Unternehmer (Baustoffhändler).
Klarstellung durch BGH: Der BGH hat jüngst entschieden (17.10.2012), dass die richtlinienkonforme Auslegung des § 439 Abs. 1 Alt. 2 (Lieferung einer mangelfreien Sache) auf den Verbrauchsgüterkauf beschränkt ist und sich nicht auf Kaufverträge zwischen Unternehmern erstreckt. Die Verbrauchsgüterrichtlinie beziehe sich nur auf das vertragliche Verhältnis zwischen Verbraucher und Unternehmer. Eine Ausdehnung des Anwendungsbereichs auf andere Vertragsverhältnisse, wie z. B. auf einen Kaufvertrag zwischen Unternehmern (und damit auch zwischen Handwerker und Baustoffhändler) sei nicht zulässig.
Der Entscheidung lag folgender Fall zugrunde: Ein Unternehmer hatte sich verpflichtet, einen Sportplatz zu bauen und kaufte hierfür Granulat von einem Baustofflieferanten. Nach dem Einbau des Granulats stellte sich heraus, dass dieses mangelhaft war. Die Lieferantin des Materials stellte kostenlos Ersatzmaterial zur Verfügung, weigerte sich aber, Aus- und Einbau zu übernehmen. Daraufhin beauftragte der Unternehmer einen anderen Unternehmer, der das mangelhafte Granulat aus- und das neue und mangelfreie Material einbaute. Es entstanden Kosten in Höhe von 25.000 EUR, die der Sportplatzbauer gegenüber dem Lieferanten einklagte. Landgericht und Oberlandesgericht wiesen die Klage ab, auch die Revision blieb erfolglos.
Fazit: Im Ergebnis hat der beim Baustoffhändler einkaufende Unternehmer nach § 439 Abs. 1 Alt. 2 BGB keinen Anspruch auf den Ausbau der mangelhaften Sache und den Wiedereinbau der mangelfreien Sache bzw. auf Erstattung der hierdurch verursachten Kosten. Ein Schadensersatzanspruch nach §§ 280, 281 BGB scheitert grundsätzlich am fehlenden Verschulden des Lieferanten. Der Werkunternehmer wird also in den meisten Fällen auf den Aus- und Einbaukosten sitzen bleiben - er bleibt sprichwörtlich auf der Strecke.
aus
FussbodenTechnik 04/13
(Recht)