Fachanwalt Andreas Hanfland informiert
Keine grundsätzlichen Hinweispflichten vor Vertragsschluss
Ein Auftragnehmer hat nach § 4 Abs. 3 VOB/B Hinweispflichten gegenüber dem Auftraggeber, wenn der Auftragnehmer Bedenken gegen die vorgesehene Art der Ausführung, gegen die Güte der vom Auftraggeber gelieferten Stoffe oder Bauteile oder gegen die Leistungen anderer Unternehmer hat.
Einführung: Seine Bedenken gegen die Art der Ausführung muss der Auftragnehmer unverzüglich - möglichst schon vor Arbeitsbeginn - schriftlich dem Auftraggeber mitteilen. Fraglich ist jedoch, ab wann genau den Auftragnehmer diese Hinweispflichten treffen. Zu Veranschaulichung ein Beispielsfall, der aktuell entschieden wurde (OLG Dresden, Urteil vom 25.11.2011, Az.: 1 U 571/10, und entsprechender Beschluss des BGH vom 29.04.2013, Az.: VII ZR 247/11).
Beispiel: Bei der Vergabe von Straßenbauarbeiten wurde in einer Position des Leistungsverzeichnisses der Abbruch von 2,6 m bituminöser Befestigung ausgeschrieben, welche der spätere Auftragnehmer mit einem Einheitspreis von 71,76 EUR angeboten hat. Tatsächlich wurden vom Auftragnehmer 3.600 m ausgeführt. Er verlangte eine dementsprechende Vergütung. Der Auftraggeber verweigert die Vergütung mit dem Argument, der Auftragnehmer hätte bereits vor Vertragsschluss in der Ausschreibungsphase auf diesen Fehler hinweisen müssen.
Der Einwand des Auftraggebers wurde seitens der Gerichte zurückgewiesen. Vorliegend handelte es sich um ein sehr umfangreiches Leistungsverzeichnis mit 130 Seiten. Deshalb habe dem Auftragnehmer nicht zwangsläufig ins Auge fallen müssen, dass bei der Ausschreibung ein Fehler vorgelegen hatte.
Rechtslage: Mit dieser Entscheidung folgt das OLG Dresden der bisherigen Rechtsprechung anderer Gerichte und der insgesamt herrschenden Meinung. Der Auftragnehmer ist in der Angebotsphase grundsätzlich nicht dazu verpflichtet, auf Planungsfehler oder Fehler im Leistungsverzeichnis hinzuweisen. Die Prüf- und Hinweispflichten gelten gemäß § 4 Abs. 3 VOB/B erst nach Vertragsschluss. Auch anders lautende Klauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen dürften unwirksam sein. Das macht insbesondere auch Sinn bei nicht aufgeführten Teilleistungen im Leistungsverzeichnis, die zur Herstellung eines funktionstauglichen Gewerkes notwendig sind. Denn die mangelnde
Aufführung im Leistungsverzeichnis kann eine bewusste Entscheidung des Auftraggebers sein, weil er z. B. bestimmte Leistungen selbst oder von einem anderen Unternehmer ausführen lassen möchte.
Fazit: Es ist aber darauf hinzuweisen, dass es immer auf den konkreten Einzelfall ankommt. Etwas anderes kann z. B. dann gelten, wenn der Ausschreibungsfehler derart offensichtlich ist, dass er dem Auftragnehmer sprichwörtlich "ins Auge springen" muss.
aus
FussbodenTechnik 05/13
(Recht)