Hadys geknüpfte Bodenkunst, Bocholt

"Verkauft Teppiche endlich zeitgemäß"


Anfangs lehnte Hady Rahbar die Fortführung des väterlichen Teppichfachgeschäfts in Bocholt dankend ab. Doch mit einem klaren Konzept und der Unterstützung der Berater vom Aktionsteam investierte er und trat schließlich doch die Nachfolge an. Heute ist der junge Deutsch-Iraner zuversichtlicher denn je - und richtet einen eindringlichen Appell an die Branche.

Das Orient-Teppich-Haus Teheran in der Innenstadt der deutsch-niederländischen Grenzstadt Bocholt ereilte Anfang Januar dasselbe Schicksal wie so viele Fachgeschäfte: Das Ausscheiden des Gründers bedeutet gleichzeitig das Aus. Am 7. Januar schloss Inhaber Mahmood Rahbar nach 37 Jahren die Tür des Ladens zum letzten Mal. Er fühlte sich den Alltagsstrapazen, zu denen regelmäßige Einkaufstouren durch die iranischen Knüpfprovinzen gehören, nicht mehr gewachsen. Das Geschäft lief zwar passabel, aber Sohn Hady mochte auf dessen Zukunftsfähigkeit nicht wetten. Der 33-Jährige war zwar zwölf Jahre dort tätig, hatte aber mit einer kaufmännischen Ausbildung und einem anschließenden Marketing-Studium immer einen Plan B.

Dennoch ließ den Junior die Branche nicht los. In den Wochen und Monaten nach der Schließung ließ er sich über die Domotex, die Maison & Objet und die Kölner IMM treiben, "um den Kopf freizukriegen". Schließlich zog es ihn zurück zu seinen Wurzeln, und er beschloss, den Laden doch fortführen. "Ich habe nun mal Teppichfasern im Blut", sagt Rahbar. Kaum jemand hätte ihm angesichts des allgemeinen Branchentrends zur Nachfolge geraten, aber der Sohn hatte ein detailliertes Konzept im Kopf. Und er ließ sich dabei von einem Leitsatz führen, der sich frontal gegen das notorische Klagen vieler Händler richtet: Der Teppich hat Zukunft, denn auch viele junge Menschen wissen seinen Wert zu schätzen.

Einen erheblichen Anteil an seiner Entscheidungs hatte das Dienstleistungsunternehmen Aktionsteam aus Kornwestheim bei Stuttgart. Die Kooperation hatte im vergangenen Frühjahr mit einem simplen Fax begonnen - die Schwaben sollten ein Mailing für das Familienunternehmen vorbereiten und organisierten später den Räumungsverkauf. Man kannte sich bereits über die üblichen Branchentreffs, schätzte sich, hatte aber noch nie zusammengearbeitet. Der Kontakt sollte ein Glücksfall für die Rahbars sein: "Wir haben als Geschäftspartner begonnen - und sind heute Freunde", sagt Hady.

Schon beim Ausverkauf waren dem Sohn Zweifel gekommen, ob es richtig sei, den Handel endgültig zu schließen. Denn die Stammkunden beknieten ihn geradezu, seinen Entschluss doch noch einmal zu überdenken. Und: Auffallend viele junge Leute zeigten Interesse, erwarben auf den letzten Drücker noch einen wertvollen Teppich. In besonderer Erinnerung blieb dabei ein 24-Jähriger, der beim gegenüberliegenden Goldschmied seinen Schmuck in Zahlung gab, um sich zwei Orientteppiche leisten zu können. "Dass ich das Geschäft trotzdem nicht einfach so weiterführen konnte, war mir von Anfang an klar", blickt Hady Rahbar zurück. "Denn so wie die Elterngeneration Teppiche verkaufte, funktioniert es heute einfach nicht mehr." Was vordergründig als ritualisierte Kritik des ambitionierten Sohnes am traditionsbewussten Vater wirkt, ist vor allem auf die Versäumnisse der gesamten Branche gemünzt. "Der Teppichhandel hat nicht nur den Geschmack jüngerer Zielgruppen ignoriert, sondern ist auch konzeptionell nicht mit der Zeit gegangen", ist Hady Rahbar überzeugt und appelliert an seine Kollegen: "Verkauft Teppiche endlich zeitgemäß!"

Und so krempelte der Junior die Ärmel hoch und setzte die Theorie in die Praxis um. Er verputzte und strich die Wände, ersetzte das schmucklose Linoleum durch hochwertige Fliesen, ließ eine neue Lichtanlage installieren - und vor allen: Er überarbeitete das Sortiment. Wo früher fast ausschließlich klassische Orientteppiche persischer Provenienzen in Stapelware angeboten wurden, wird heute sowohl traditionelle als auch moderne Ware attraktiv ausgestellt. Zwischen Schmuckstücken aus Ghom und Täbriz hängen moderne Nepalknüpfungen und Markenprodukte. Im Geschäft gibt es heute deutlich mehr Freiraum als früher. Luftige Präsentationen verkaufsstarker Produkte ziehen Kundschaft in den Laden - im Untergeschoss und im ersten Stock entfaltet sich dann die gesamte Breite des Angebotsspektrums. Der eigene Reparaturbetrieb wird ins Erdgeschoss verlegt - als ein Kompetenzsignal. Einen hohen fünfstelligen Betrag investierte Hady Rahbar und sagt: "Ich habe alles aus eigenen Mittel bestritten, das war mir wichtig - denn schließlich trage ich auch die alleinige Verantwortung für mein Geschäftskonzept." All diese Veränderungen kulminieren in einem neuen, schwungvolleren Namen: Aus dem Orient-Teppich-Haus Teheran wurde Hadys geknüpfte Bodenkunst.

Ein Schlüsselerlebnis in puncto Sortimentsgestaltung hatte der Sohn bereits vor zehn Jahren, als er von einer Messe einige Ziegler mitbrachte. Der Vater fragte ratlos: "Wer will denn schon solche Teppiche?" Doch sie entpuppten sich tatsächlich als Verkaufsschlager, die in größeren Mengen vorrätig gehalten werden mussten. Heute geht es dem Sohn aber keineswegs darum, alle Verbindungen zur Vergangenheit zu kappen: "Die traditionsgeprägte Produktwelt meines Vaters ist der genetische Code des Verkaufskonzepts", sagt Hady Rahbar. "Sie ist unverzichtbar und signalisiert Kompetenz und Hingabe, ohne die man heute kein Fachgeschäft führen kann. Aber ohne moderne Ware geht es eben auch nicht."

Dem Sohn war es im Prozess der Umgestaltung wichtig, durch die Unterstützung des Aktionsteams eine neue Perspektive zu gewinnen. Denn dessen Berater betreuen bundesweit Teppichhändler bei der Geschäftsaufgabe oder -nachfolge und sind darüber hinaus auch in anderen Branchen, wie etwa dem Kunsthandel und dem hochwertigen Möbelhandel tätig. Richard Biedermann vom Aktionsteam begründet das: "Wir haben einen viel breiteren Erfahrungsschatz als es ein einzelner Teppichhändler in seinem Einzugsgebiet erlangen kann." Für ihn ist das richtige Marketing ein entscheidender Faktor für den Geschäftserfolg. Biedermann rät seinen Kunden zumeist zu schmalen Werbebudgets, die dafür zielgenau an die richtigen Kunden gerichtet sein müssen. "Acht bis zwölf Prozent des Umsatzes können dabei vollkommen ausreichend sein", erklärt Biedermann. "Wir hören immer wieder von Kunden, denen das Doppelte aufgeschwatzt wird, die sich damit übernehmen und am Ende buchstäblich mit leeren Händen dastehen."

Auch für das Aktionsteam stehen in der Teppichbranche Tradition und Moderne in einem symbiotischen Verhältnis zueinander. Daher hoben die Berater genau diesen Aspekt in den Werbeanzeigen für Hadys geknüpfte Bodenkunst hervor: "Tradition trifft auf Zeitgeist" und "Dem Teppich eine zukunftsgeprägte Heimat bieten" heißt es da. Diese Leitmotive weisen vielleicht nicht nur den Kunden in Bocholt, sondern auch der ganzen Branche einen Weg in bessere Zeiten.
aus Carpet Magazin 03/13 (Handel)