Reisen auf der Seidenstraße

Ikats aus Usbekistan


Vor langer Zeit war der Seidenhandel ein langwieriges Geschäft voller Entbehrungen. Mit Kamelkarawanen wurde die wertvolle Ware auf langsamen und beschwerlichen Reisen über Berge und durch Täler transportiert, immer abseits der ausgetretenen Pfade, um Räubern aus dem Weg zu gehen. Diese sogenannte Seidenstraße war ein Geflecht aus Handelsrouten, das sich mit vielen Nord-Süd-Verbindungen von Ostasien bis nach Europa erstreckte.

Sie führte auch durch Usbekistan, ein zentralasiatisches Land mit multikultureller Bevölkerung, das gegenwärtig etwa 27 Millionen Einwohner zählt. Usbekistan hat seit Erlangung seiner Unabhängigkeit von der Sowjetunion 1991 in den Bereichen Handel, Landwirtschaft und Industrie Fortschritte gemacht und verzeichnet ein kräftiges Wirtschaftswachstum. Haupteinnahmequellen des Landes sind derzeit seine Rohöl- und Gasvorkommen. Dennoch spielt auch die Seidenbranche insbesondere in den nördlichen Regionen weiterhin eine bedeutende Rolle, so etwa im Fergana-Tal, einem der landwirtschaftlich ertragreichsten Landstriche in ganz Zentralasien.

Stoffe aus Seidenikat gehören zu den interessantesten Textilerzeugnissen Usbekistans. Das indonesische Wort ikat (für "abbinden", "umschlingen") bezeichnet eine komplizierte Webtechnik, bei der das Garn abschnittsweise eingefärbt wird, sodass das Muster sich beim Weben ergibt. Als Erstes werden die Kettfäden zu Bündeln geordnet. Dann wird jedes Bündel einzeln geschnürt und eingefärbt. Wenn der Webstuhl eingerichtet ist, wird das Muster beim Weben für den Weber sichtbar. Der Schussfaden ist ein durchgehender Faden, der mit einem knöchernen Weberschiffchen hin und her geführt wird. Diese Webtechnik entstand vermutlich zuerst im vorkolumbischen Südamerika und kam von dort über Südostasien nach Zentralasien.

In der Vergangenheit wurden Seidenikat- und Samtgewebe vor allem in den usbekischen Khanaten Buchara und Chiva sowie in Kaxgar und Hotan in der chinesischen Provinz Xianjian hergestellt. Nachdem Usbekistan jedoch 1991 unabhängig wurde, erlebte das Fergana-Tal in Nord-Usbekistan eine Renaissance seiner Seidenikat-Produktion. Hierzu gehört auch die traditionelle Khan-Atlas-Weberei nach der Ikat-Technik, die vom Turkvolk der Uiguren im westlichen China entwickelt wurde. Die ehemals sowjetische Khan-Atlas-Fabrik Yodgorlik in Fergana nahm als Erste die Produktion der wunderschönen Ikatstoffe wieder auf. Mittlerweile verwenden Handwerker natürliche Farbstoffe für Seiden- und Samtikats, die genau wie früher in alten "masadras" (Schulen) verarbeitet werden.
Usbekische Ikats sind in verschiedenen Varianten erhältlich. Es gibt sie in reiner Seide ("Shoi" und "Ghissari"), aus Seide und Baumwolle ("Adreas") oder aus Baumwolle ("Bos").

Einer der berühmtesten usbekischen Meisterfärber und -weber ist Rasuljon Mirzaahmegdov. Seine Manufaktur befindet sich in der Stadt Margilan in Ost-Usbekistan in der aus dem 19. Jahrhundert stammenden Schule Hoja Ehsan Ahmad Madrasa. Seine Weber produzieren Seiden- und Samtikats, die in den letzten Jahren in Europa und der Neuen Welt in Mode gekommen sind.

Stoffe aus Seidenikat sind in der Regel sehr fein gewoben und weisen eine Fadendichte von ca. 80 Kettfäden pro Zentimeter Gewebe auf. Da die meisten Ikatstoffe mit einer Breite von 45 cm gewoben werden, benötigt man für eine 45 cm breite Stoffbahn aus Seidenikat 80 x 45 = 3.600 Einzelfäden. Ein guter Weber produziert 4 bis 5 Meter Seidenikat oder
30 cm Samtikat am Tag.
aus Carpet Magazin 03/13 (Teppiche)