Ullrich Eitel und Dieter Buhmann zu den Auswirkungen des Internets auf die Tapetenbranche

"Die Welt des Vertriebs gerät aus den Fugen"

Unter den vielen guten Wünschen zum Jahreswechsel sticht der Brief der Marburger Tapetenfabrik besonders heraus. Der Geschäftsführende Gesellschafter Ullrich Eitel und Geschäftsführer Dieter Buhmann beschreiben und kommentieren darin sehr genau, welche Auswirkungen das Internet derzeit auf die Tapetenbranche hat. BTH Heimtex druckt die wesentlichen Passagen ab.

Die Welt des Vertriebs gerät aus den Fugen!

Man braucht nicht mehr zu kalkulieren: Welchen Preis man erzielt, erfährt man mit ein paar Klicks im Internet und ist regelmäßig erschrocken, wie niedrig, wie unauskömmlich der ist.

Es sind keineswegs die großen Marktteilnehmer, die so ruinös vorgehen. Oft sind es kleine "Wohnzimmeranbieter", die die Vorteile des WorldWideWeb nutzen und mit Minikosten ihre maxi-zerstörenden Preise ins Netz stellen. Irgendwer liefert ihnen schon die Ware, die sie mit winzigem Aufschlag online verkaufen. Platz für Präsentation und fachliche Beratung bleibt bei solchem Geschäftsgebaren natürlich nicht, aber das ist ja auch nicht nötig: Der Verbraucher holt sich zuerst die Informationen im Fachhandel und ergoogelt sich anschließend den niedrigsten Preis - Beratungsklau nennt man das. Dieses Verhalten sei noch gar nicht so verbreitet, referierte Dr. Eva Stüber (IFH, Institut für Handelsforschung, Köln) im Sommer des Jahres, aber unser aller subjektives Erleben spricht eine andere Sprache.

Das Wettbewerbsrecht in Deutschland und in Europa befeuert die ohnehin ruinöse Entwicklung, die die totale Preistransparenz des Internets auslöst, zusätzlich. Die Zielsetzung des Bundeskartellamtes, mit allen Mitteln für den Verbraucher niedrigstmögliche Preise herbeizuführen, ist ein gefährlicher Irrweg! Was kurzfristig zu funktionieren scheint, erweist sich langfristig als falsch: Zuerst zwingt die Maximierung des Wettbewerbs zu einer Verschlechterung der Produktqualität, danach vernichtet sie diejenigen Unternehmen (und deren Arbeitsplätze), die bei weniger starker Konkurrenz hätten weiter existieren können, und schlussendlich begünstigt sie die Bildung von Monopolen - und Monopole verkaufen teuer. Das Wettbewerbsrecht wendet sich somit tendenziell gegen die, die es schützen soll.

Immer mehr (Tapeten-) Händler bauen parallel zu ihrem stationären Betrieb einen Online-Vertrieb auf. Und manche Tapetenhersteller haben den Kampf um "saubere" Vertriebswege inzwischen aufgegeben und sind selbst zu Online-Händlern geworden: Sie machen eine neue Vertriebspolitik in Konkurrenz zu den eigenen Kunden. Vielleicht geht es à la longue ja auch nicht anders, wer weiß?!

Klar ist, dass sie den Exodus des Modells "traditionelles, stationäres Fachgeschäft" beschleunigen. Einige Analytiker reden davon, dass bis zu 80 % der Fachhändler in den nächsten 15 Jahren aufgeben müssen, andere halten das für weit übertrieben, wir auch.

Und dennoch: Es ist sinnlos, sich gegen eine I-Net-Entwicklung zu stemmen, die unvermeidlich kommt. Klüger ist es, was man nicht verhindern kann, aktiv zu begleiten. So wollen wir es mit der Marburger Tapetenfabrik halten - mit Ihnen gemeinsam, wohlgemerkt.

Dabei dürfen Sie und wir die Wild-West-Auswüchse des Online-Geschäfts nicht mitmachen - sonst können wir beide zu den Opfern gehören. Welcher Weg ist also der richtige? Wir sind davon überzeugt, dass sich selbst in dem neuen, noch wenig geordneten Online-Geschäft Qualitätskriterien formulieren lassen, die eine Markenpolitik und eine höherwertige Präsentation mit ebensolchen Preisen möglich machen. An dieser anspruchsvollen Aufgabe arbeiten wir und bitten Sie schon heute um Ihre positive Begleitung
aus BTH Heimtex 01/14 (Handel)